Axel SchäferSPD - Vereinbarte Debatte zur Konferenz zur Zukunft Europas
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier eine Vereinbarte Debatte über die Zukunft Europas. Es hat länger gedauert, zu dieser Vereinbarung zu kommen, als sich das zum Beispiel meine Fraktion gewünscht hätte, und es hat auch etwas mit dem Zustand Europas zu tun: Vieles dauert leider länger, als die überzeugten Föderalistinnen und Föderalisten sich das wünschen. Aber wir sind jetzt tatsächlich an einem Punkt angekommen, an dem wir sagen müssen, dürfen und auch können: Ja, wir befinden uns auf der Höhe der Zeit. Wir befinden uns auf der Höhe der Zeit, in der sich eine große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger für mehr europäische Zusammenarbeit, für mehr europäischen Zusammenhalt, aber auch für mehr europäischen Zusammenschluss ausspricht und sich gleichzeitig lauthals eine leider wachsende Minderheit für Nationalismus, für Abgrenzung und Ausgrenzung artikuliert. Gerade wir wissen: Nationalismus ist ein Irrtum, der auf einen Irrweg führt und in einem Irrsinn, nämlich Krieg, endet. Deshalb ist die europäische Aufgabe der Erhalt des Friedens und der Kampf gegen jegliche Form des Nationalismus.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir sind auf der Höhe der Zeit, weil zum ersten Mal an der Spitze des Fortschritts in Europa eben nicht wie am Beginn des Einigungsprozesses vor 70 Jahren nur die Regierungen stehen – später war es ein Parlament, das zwar viel zu sagen, aber nichts zu entscheiden hatte –, sondern auch das Europäische Parlament, das gleichberechtigt mit den nationalen Parlamenten und einer gleichen Zahl von engagierten Bürgerinnen und Bürgern diskutiert und Vorschläge macht. Das sollten wir aufnehmen, das sollten wir ernst nehmen, und das sollten wir voranbringen, gerade hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Deutschen Bundestag.
Diese besondere Verpflichtung zeigt sich auch darin – ich finde, darauf sollten wir alle in den demokratischen Parteien stolz sein –, dass der Austausch zwischen den Parlamenten bisher schon ziemlich gut funktioniert hat. Wir haben hier von Friedrich Merz über Alexander Graf Lambsdorff, Claudia Roth bis hin zu Sahra Wagenknecht – ich gehöre auch zu dieser Riege – Kolleginnen und Kollegen, die schon Mitglieder des Europäischen Parlaments waren und nun Mitglieder des Bundestags sind. Uns kommt es darauf an, dass wir die Rechte des Europäischen Parlaments stärken und seine demokratischen Möglichkeiten ausbauen. Das ist eine zentrale Forderung der Bürgerinnen und Bürger, mit denen wir bisher auf der Zukunftskonferenz diskutiert haben.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dazu gehört natürlich immer auch, dass wir mit dem anfangen, was schon heute möglich ist und was übrigens gar kein Geld kostet. Ich appelliere noch einmal, dass wir im Deutschen Bundestag ebenso wie im Europäischen Parlament auch in den Ausschüssen eine öffentliche Debatte führen – auch das ist für die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern wichtig – und dass wir vor der nächsten Europawahl über die Konsequenzen und Möglichkeiten transnationaler Listen hier im Deutschen Bundestag diskutieren und entscheiden und nicht sagen: Wir warten so lange, bis alle anderen dafür sind. – Wir müssen wieder eine Vorreiterrolle einnehmen, wie es unsere Vorväter oder Vormütter hier getan haben, die als Erste die Direktwahl eines Europäischen Parlamentes forderten, weit bevor das 1978 beschlossen worden ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will an dieser Stelle – das ist dankenswerterweise auch schon vom Vorredner Gunther Krichbaum getan worden – noch mal an die Länder appellieren – diese sind sehr stark repräsentiert durch Ministerinnen, Staatssekretärinnen und Staatssekretär sowie Parlamentspräsidentinnen, darunter erfreulich viele Frauen –, dass das auch bitte schön die Aufgabe der Parlamente in den Ländern ist, dies zu diskutieren, wie es sich für die demokratischen, proeuropäischen Fraktionen dort eben gehört.
(Beifall bei der SPD)
Ich appelliere – wir sind ja alle in Wahlkreisen beheimatet; wir wohnen ja in Städten und Gemeinden – an die kommunale Ebene, das zu tun, was die Spitzenverbände formuliert, gefordert, erwartet haben, nämlich das Thema „Zukunft Europas“, weil die Menschen eben vor Ort leben und nicht irgendwo in den Ländern, auch zu einem Gegenstand der Debatten der Ratssitzung bzw. der Gemeindevertretung vor Ort zu machen. Seien wir doch ganz ehrlich: Das findet zurzeit viel zu wenig statt, und deshalb sollten wir das auch ermutigen. Ich werde meinen persönlichen Beitrag leisten und meine Ehefrau, die Bürgermeisterin ist, in diesem Sinne auch zusätzlich ermutigen. Ich gehe davon aus, dass sie das sowieso macht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Das ist ja dann ein imperatives Mandat!)
– Nein, Gunther, das ist nur die gleiche Parteifamilie und die gleiche europäische Überzeugung, die ich mit meiner lieben Frau seit 50 Jahren teile.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, entscheidend ist ja immer der Prozess, also dass wir die Diskussion führen und wie wir sie führen. Aber der Prozess muss auch zu Ergebnissen – niemals zu abschließenden, aber doch zu zukunftsweisenden Ergebnissen – führen. Deshalb ist es doch so wichtig, dass das, was hier mit der neuen Koalition in einem Koalitionsvertrag vereinbart und unter besonderer Verantwortung der drei Parteien gelungen ist, auch umgesetzt wird und dass wir das hier wiederholen: Jawohl, diese Bundesregierung, diese Mehrheit des Bundestages hat festgehalten: Die Ergebnisse der Konferenz zur Zukunft Europas werden wir aufnehmen, ernst nehmen und fordern, dass es einen Konvent gibt, der auch Änderungen der europäischen Verträge ermöglicht, um tatsächlich auf dem Weg einer fortschreitenden Integration voranzukommen. Das ist ein Versprechen, und das werden wir hier gemeinsam halten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die Idee zur Zukunftskonferenz Europas kam vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Ich bedauere es sehr, dass wir damals in Deutschland nicht mutiger gewesen sind und eine zustimmende Antwort gegeben haben. Lasst uns das heute ein Stückchen nachholen, und lasst uns das gleichzeitig in Europa mit unseren französischen und allen anderen Partnern, die für diese Gemeinschaft und gegen den Nationalismus sind, in die Tat umsetzen, und zwar durch mutige Debatten, in denen wir denen widersprechen, die gegen Europa sind.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer. Da wir das gleiche Alter haben, darf ich das ja sagen: Wenn Sie seit 50 Jahren mit Ihrer Frau gemeinsame Überzeugungen teilen, dann haben Sie aber früh angefangen.
(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Stimmt! Sie haben recht!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533398 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 14 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zur Konferenz zur Zukunft Europas |