27.01.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 14 / Tagesordnungspunkt 5

Johannes SchrapsSPD - Vereinbarte Debatte zur Konferenz zur Zukunft Europas

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine gut funktionierende Demokratie beruht in erster Linie auf Vertrauen – Vertrauen durch Mitspracherecht und durch Mitsprachemöglichkeiten. Ein Mitspracherecht haben wir als Staatsbürger in den europäischen Demokratien ganz automatisch. Aber nicht alle wissen immer so ganz genau, wie sie dieses Recht auch sinnvoll ausüben können. Deshalb müssen immer wieder Möglichkeiten zur Mitsprache geschaffen und dabei immer wieder auch neue Wege gegangen werden.

Wenn man ein konkretes Anliegen hat, dann kann man sich beispielsweise an seinen örtlichen Bundestagsabgeordneten wenden, wie es erfreulich viele Menschen tun, oder man kann das parlamentarische Petitionsrecht nutzen. Die Mitglieder des Petitionsausschusses kümmern sich sehr sorgfältig darum. Oder man kann sich im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas beteiligen.

(Andrej Hunko [DIE LINKE]: Europäische Bürgerbeteiligung!)

Denn auch sie ist ein solcher Weg, die eigene Meinung einzubringen und mitzusprechen – und sie ist, wie wir von unseren beiden Teilnehmern des Bundestages, Gunther Krichbaum und Axel Schäfer, gehört haben, ein guter und erfolgreicher Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Neben der Einbindung der Zivilgesellschaft und dem intensiven Austausch von Bürgerinnen und Bürgern aus allen Teilen des Kontinents zu zahlreichen Themen bietet die Zukunftskonferenz aber auch uns Parlamentarierinnen und Parlamentariern die Möglichkeit, unseren Kurs in bestimmten Fragestellungen noch mal zu überprüfen.

Hier möchte ich als konkretes Beispiel auf das Stichwort „Rechtsstaatlichkeit“ eingehen. Viele Vorredner und Vorrednerinnen haben es zu Recht angesprochen. Auch mich hat dieses Thema in den letzten Jahren hier im Bundestag intensiv beschäftigt. Auch bei der Zukunftskonferenz setzt sich eine Arbeitsgruppe mit Werten und Rechten, mit Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit in Europa auseinander. Neben den Diskussionen zwischen den zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern, Vertretern der Zivilgesellschaft und Abgeordneten aus den verschiedensten politischen Ebenen wurden auch Tausende Beiträge von Bürgerinnen und Bürgern zu diesem Thema auf der Onlineplattform der Zukunftskonferenz erfasst.

Ich finde die Ergebnisse dieser Beiträge ungemein beeindruckend; Kollege Hacker hat es vorhin schon angesprochen. Eine ganz große Gruppe von Teilnehmenden fordert sehr deutlich die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und einen besseren Schutz der Grundwerte in der Europäischen Union. In manchen Beiträgen werden beispielsweise sehr große Bedenken hinsichtlich der Einhaltung rechtsstaatlicher Kriterien, beispielsweise mit Blick auf Ungarn und Polen, geäußert – Bedenken gegenüber Staatsformen, die sich selbst als illiberal bezeichnen.

Andererseits muss man auch konstatieren, dass es einige Beiträge gibt, die dazu auffordern, die nationalen Angelegenheiten dieser Länder zu respektieren; da wird beispielsweise auf das demokratische Recht Ungarns verwiesen, seine Grenzen zu verteidigen, seine christliche Religion, Kultur oder auch eine homogene Gesellschaft zu bewahren.

Einige Teilnehmende schlagen vor, die finanzielle Unterstützung für Länder zu kürzen, die gegen gemeinsame Rechtsstaatskriterien verstoßen, ihnen das Stimmrecht im Europäischen Rat zu entziehen oder sogar ihre Mitgliedschaft in der Europäischen Union zu beenden. Es wird debattiert, ob der Europäische Gerichtshof die Rolle eines Wächters über Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der EU übernehmen soll, und auch, wie der Haushaltsschutzmechanismus genutzt werden soll, um Regierungen, die gegen europäische Grundwerte verstoßen, besser sanktionieren zu können. Außerdem wird ein Überprüfungsmechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte in der EU gefordert.

Es wird also intensivst über verschiedene Standpunkte diskutiert – ebenso wie wir das als Parlamentarierinnen und Parlamentarier in den Ausschüssen oder eben hier im Plenum tun.

Abgesehen davon, dass die Konditionalitätsregelung zum Schutz des EU-Haushaltes, für die wir viele Jahre lang hart hier im Bundestag kämpfen mussten und die wir während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft endlich implementieren konnten, offensichtlich größtenteils ganz im Sinne der europäischen Bürgerinnen und Bürger ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen, abgesehen davon wird für mich eines an dieser Zukunftskonferenz ganz deutlich: Die europäischen Bürgerinnen und Bürger wollen ein demokratisches Europa, eines, das sie stark nach innen sowie nach außen vertritt, und ganz viele nehmen die Möglichkeit zur Mitsprache durch ihre Beteiligung an der Zukunftskonferenz wahr.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Noch ist die Zukunftskonferenz nicht abgeschlossen, und natürlich kann eine solche Konferenz kein Allheilmittel für alle möglichen Übel und Schwierigkeiten sein, mit denen wir ohne Frage auch in Europa zu kämpfen haben. Eines ist diese Konferenz aber ganz sicher: Sie ist ein ausgezeichneter Ausgangspunkt, um über unsere gemeinsame Zukunft zu sprechen, in vielen Themenbereichen entscheidende Weichen zu stellen und die Konferenz – wie wir das auch in unserem Koalitionsvertrag beschrieben haben – für notwendige Reformen und eine Weiterentwicklung Europas zu nutzen

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

und, nicht zuletzt, um auch Mitsprachemöglichkeiten, das Mitspracherecht und damit das demokratische Miteinander zu stärken. Mit der heutigen Debatte haben wir ebenfalls unseren Beitrag dazu geleistet.

Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7533411
Wahlperiode 20
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte zur Konferenz zur Zukunft Europas
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta