27.01.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 14 / Tagesordnungspunkt 7

Christian HaaseCDU/CSU - Beschluss Art. 115 II GG, Nachtragshaushalt 2021

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie uns von rhetorischen Ablenkungsmanövern wieder zum Haushalt kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Sie können sich sicherlich noch alle an die grünen Strickparteitage in den 80ern erinnern.

(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da waren einige noch gar nicht geboren! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!)

Stricken ist heute wieder in. Ich weiß allerdings nicht, ob auch bei den Koalitionsverhandlungen gestrickt wurde. Zumindest ist das vorliegende Nachtragshaushaltsgesetz mit der heißen Nadel gestrickt. Das mögen einige als Lapsus ansehen, der Strickanfängern passieren kann. Hier geht es aber um mehr: Hier geht es um die Frage, ob die Verfassung zum Erhalt des Koalitionsfriedens beiseitegeschoben werden kann. Hier geht es um die Zukunftsmöglichkeiten unserer Kinder und Kindeskinder. Hier geht es um die finanzwirtschaftliche Solidität Deutschlands an den Finanzmärkten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles nur Sprechblasen!)

Was passiert genau? Da soll ein Haushalt in 2022 mit Wirkung für 2021 beschlossen werden – verfassungswidrig. Da sollen 60‑Milliarden-Notlagenkredite für Klimaausgaben in der Zukunft angespart werden – verfassungswidrig. Da werden Sondervermögen außerhalb des Zugriffs des Parlamentes auf circa 30 Prozent eines Normalhaushaltes aufgebläht – verfassungswidrig. Da wird die Schuldenaufnahme vor den Einsatz von Rücklagen, Spar- und Konsolidierungsbemühungen oder Beteiligung der Länder gestellt – verfassungswidrig.

Herr Kollege, Sie hätten die einmalige Gelegenheit, eine Zwischenfrage von Frau Dr. Sitte zuzulassen.

Nein, danke. – Da werden rückwirkend Schuldenregeln für Sondervermögen angepasst – verfassungswidrig.

60 Milliarden Euro neue Schulden – was heißt das für unsere Kinder und Kindeskinder, die diese ja irgendwann mal tilgen müssen? 60 Milliarden Euro sind nach dem aktuellen Tilgungsplan ohne Zinsen 3,53 Milliarden Euro im Jahr. Das entspricht 421 Euro für jedes Schulkind in Deutschland, zum Beispiel für Digitalausstattung, die uns dann in Zukunft fehlen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Zuruf des Abg. Christoph Meyer [FDP])

Ich will aber den Faden der Koalition aufnehmen. Vielleicht ist es Zufall: Vor 280 Jahren wurde Georg Christoph Lichtenberg geboren. Von ihm stammt der Begriff „Verschlimmbesserung“. Und genau das hat die Koalition mit ihren Anträgen im Haushaltsausschuss getan. Man versucht, zu konstruieren, warum es einen Zusammenhang zwischen Klimaausgaben und Coronakrise gibt. Wollen wir das hilfsweise mal in den Blick nehmen:

Erstens. Da soll die Abschaffung der EEG-Umlage nun mit Krediten anstatt durch die CO2-Abgabe kompensiert werden. Ehrlich gesagt – lassen wir das Thema Verfassung mal beiseite –: Wenn die Energiepreissteigerungen um ein bisschen zurückgenommen werden, dann wird das doch keinen Investitionssturm auslösen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Wirtschaftsministerium rechnet mit einer durchschnittlichen Entlastung von 155 Euro; die CO2-Abgabe belastet unsere Familien mindestens mit dem Doppelten. Das verpufft doch. Das ist doch Blödsinn, dafür auch noch Kredite aufzunehmen.

(Karsten Klein [FDP]: Wer hat denn die CO2-Abgabe beschlossen?)

Zweitens. Da sollen Ausgaben für Energieeffizienz im Bausektor mit Krediten finanziert werden. Das Thema ist richtig und wichtig, und der Vertrauensbruch von Herrn Habeck in dieser Woche ist ein Schlag ins Gesicht jedes Häuslebauers.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Zuruf des Abg. Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber wann und wo hat es aus Geldmangel in der Baubranche eine Krise gegeben? Das Statistische Bundesamt stellt in seiner jüngsten Projektion fest, dass die Coronakrise im Baugewerbe keine sichtbaren Spuren hinterlassen hat. Es fehlt an Fachkräften, und so manche Lieferkette ist gestört. In der Baubranche gibt es eine Vertrauenskrise hinsichtlich des Handelns der Regierung und keine Coronakrise, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Einzige, was Sie mit den verfassungswidrigen Schulden erreichen, ist das Anheizen der Inflation. Das ist nicht das richtige Strickmuster. Und das sollten Sie mal ernst nehmen. Es trifft die unteren und mittleren Einkommen in unserem Land. Es trifft die Menschen, die unser Land am Laufen halten: den Handwerker, die Krankenschwester, den Bauarbeiter, die Einzelhandelskauffrau. Es trifft die vielen, vielen Familien.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegt jetzt in unserer Hand. Es ist in dieser Woche viel über Gewissensentscheidungen gesprochen worden. Nach dem Grundgesetz treffen wir immer eine Gewissenentscheidung in diesem Haus. Sie müssen sich nicht an das halten, was Ihnen von oben gesagt wird.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Sie können eine Gewissensentscheidung treffen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Artikel 38 Grundgesetz!)

Sie müssen wissen, ob Sie politischen Opportunismus über die Verfassung stellen wollen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das könnten Sie mal Ihrer Fraktion als Erstes sagen! – Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])

Soll ein mit Verfassungsbruch gestrickter Schal das einende Band dieser Regierung werden? Ich sage: Nein!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: „Langohr sagt der eine Esel zum anderen“ fällt mir dazu ein!)

Zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Dr. Petra Sitte das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7533437
Wahlperiode 20
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt Beschluss Art. 115 II GG, Nachtragshaushalt 2021
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