27.01.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 14 / Tagesordnungspunkt 9

Derya Türk-NachbaurSPD - 20 Jahre Guantanamo

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!

Nimm mein Blut. Nimm mein Leichentuch und Die Überreste meines Körpers. Photographiere meinen Leichnam am Grabstein, einsam. Schicke die Fotos in die Welt hinaus, Zu den Richtern und Zu den Menschen mit Gewissen, Schicke sie zu den Ehrenhaften und Gerechten.

Das, meine Damen und Herren, sind die ersten beiden Strophen vom „Todesgedicht“ von Jumah al-Dossari, eines Häftlings, der Schlimmstes erlebt hat, der darum bittet, dass man sein erfahrenes Leid in die Welt trägt und darüber spricht. Das tun wir heute.

Vor knapp zwei Wochen stand ich genau hier und habe gesagt, dass wir auch bei unseren augenscheinlich demokratischen Bündnispartnern auf Menschenrechtsverletzungen achten müssen und dass wir diese genauso ahnden müssen wie bei den Staaten, die sich nur des Deckmantels der Demokratie bedienen. Heute stehe ich hier und möchte Ihnen von sogenannten erweiterten Verhörmethoden in einem sehr bekannten Gefängnis berichten. Dazu gehören – Kollegin Nastic hat es erwähnt – simulierte Hinrichtungen, sexueller Missbrauch, Waterboarding.

„Waterboarding“ heißt im Klartext: simuliertes Ertrinken. Dabei wird dem Befragten ein Tuch über das Gesicht gelegt und dieses langsam mit Wasser übergossen, sodass der Gefolterte das Gefühl hat, keine Luft mehr zu bekommen – eine Foltermethode, die körperlich keinerlei Spuren hinterlässt und daher häufig zur Anwendung kommt. Äußerlich keine Spuren, jedoch innerlich bleiben langfristige, gar bleibende Schäden zurück – alles in allem eine entwürdigende und lebensgefährliche Erniedrigung und eine Qual oder auch, kurz, verbotene Folter.

Dieses bekannte Gefängnis liegt nicht in einem Land, von dem wir vielleicht sowieso denken, dass man dort die Menschenrechte gar nicht achtet. Nein, die Rede ist von Guantánamo, erbaut auf Anweisung George W. Bushs nach den Anschlägen vom 11. September. Die Menschenwürde gebietet es, dass kein einziger Mensch bloß eine Nummer ist oder ein bloßes Handlungsobjekt,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU])

niemals und nirgendwo und unter keinen Umständen. Aber genau das sind die Inhaftierten in Guantánamo. Und genau deswegen werden wir uns weiterhin für die Schließung dieses Lagers einsetzen,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

alle Parteien in diesem Bundestag, die sich zur Demokratie bekennen wollen. So werden wir zeigen, dass für uns die Menschenrechte universal gelten. Sie gelten ohne Ansehung der Größe, des Einflusses und der Art der politischen Beziehung, die uns mit dem Staat verbindet, der gegen Menschenrechte verstößt.

Wir Europäerinnen und Europäer bekennen uns zur Menschenrechtskonvention. Für uns ist es daher kaum erträglich, mitanzusehen, dass die Amerikaner ihre eigenen verfassungsrechtlich verankerten, urdemokratischen Werte für diese Art der Strafverfolgung opfern.

In Europa wurden erst 2018 Litauen und Rumänien vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Beihilfe zu unmenschlicher Behandlung verurteilt. Beide Länder haben das Folter- und Verschleppungsprogramm der CIA in den Jahren von 2002 bis 2006 auf verschiedene Arten unterstützt. Litauen musste eine Entschädigung an den Inhaftierten zahlen, was vor wenigen Wochen endlich geschehen ist. Genau diese Art ist es, auf die wir in Europa Menschenrechtsverletzungen ahnden wollen. Wir sollten Vorbild sein und damit eine Signalwirkung für die USA entfalten. Denn das ist ein rechtsstaatlicher Maßstab für den Umgang mit ehemaligen Gefangenen. Selbst bei rechtmäßiger Verurteilung haben alle Menschen einen Anspruch auf Entschädigung, wenn sie menschrechtswidrig behandelt worden sind.

Die Schaffung von Sonderrecht und rechtsfreien Räumen in ausgelagerten Staatsgebieten entbindet die USA nicht von ihrer eigenen Verantwortung. Das ist keine Lösung, vor allem keine, die von der Genfer Konvention oder dem Völkerrecht gedeckt ist. Die USA müssen jetzt die Verantwortung übernehmen für ein Handeln, das mehrere Regierungen gedeckt haben. Und sie müssen dafür sorgen, dass die letzten Inhaftierten rechtsstaatliche Gerichtsverfahren auf amerikanischem Boden bekommen.

Außerdem denke ich, dass die Weltöffentlichkeit es sehr begrüßen würde, wenn die USA die Geschehnisse in Guantánamo durch ein unabhängiges Gremium gründlich aufarbeiten würden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Die Konsequenz muss dann sein, dass man diese Art der Strafverfolgung in Zukunft international endgültig ächtet, damit das Kapitel Guantánamo endlich der Vergangenheit angehört. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächstes erhält das Wort für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Knut Abraham, und es ist seine erste Rede im Deutschen Bundestag.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7533474
Wahlperiode 20
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt 20 Jahre Guantanamo
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