Norbert RöttgenCDU/CSU - Bundeswehreinsatz im Irak
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dem Antrag der Bundesregierung, den Irak-Einsatz der Bundeswehr fortzusetzen, zu. Der „Islamische Staat“ hat erfreulicherweise keine Gebietskontrolle mehr im Irak, aber er ist immer noch eine Gefährdung des Friedens und der Stabilität. Im Irak selber sieht es besser aus als lange zuvor, aber der Irak ist weiterhin fragil; er braucht weiter internationale Stabilisierungsunterstützung.
Das, was wir heute beschließen, ist praktisch die Fortsetzung des bisherigen Einsatzes, des bisherigen Mandates. Es gibt eine kleine textliche Anpassung an die Realität des Einsatzes, nämlich die Beschränkung des Einsatzgebietes auf den Irak. Das war die Realität des Einsatzes; jetzt ist es auch die textliche Fassung des Mandates. Das ist aber nicht wesentlich, weil es schon immer die Realität war.
Die CDU/CSU-Fraktion hat als Regierungsfraktion dem Antrag der Bundesregierung zugestimmt, und wir stimmen jetzt als Oppositionsfraktion dem Antrag der Bundesregierung zu. Wir stimmen zu aus außenpolitischer Verantwortung. Unsere außenpolitische Verantwortung ist unabhängig davon, welche parlamentarische Rolle die CDU/CSU-Fraktion wahrnimmt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Es gibt zwei Veränderungen, auf die ich eingehen möchte, eine hier bei uns im Haus und eine außenpolitische Veränderung. Diejenige im Haus besteht darin, dass die Fraktion der Grünen jetzt als Regierungsfraktion dieses Mandat als Teil der Regierung einbringt und als Regierungsfraktion auch zustimmt.
Als Sie Oppositionsfraktion waren, haben Sie immer gegen den Antrag der Bundesregierung gestimmt, und zwar aus verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Gründen.
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich erwähne das gar nicht mit irgendeiner Form der Häme ob der Anpassung der rechtlichen Auffassung an die parlamentarische Rolle
(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Man sieht das am Grinsen!)
– das tue ich nicht –, sondern ich erwähne es, um es positiv zu unterstreichen. Wenn Sie den Kurswechsel vornehmen – das will ich dann doch sagen, weil Sie so reagieren –, dann sollten Sie auch zu ihm stehen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Sie sollten dann transparent sein. Sie sollten sagen: „Wir haben unsere Meinung geändert“ – das ist legitim in der Politik –; aber Sie sollten sich nicht beschweren, dass, wenn ein Meinungswechsel durch Sie vorgenommen wird, sich daraufhin andere Fraktionen erlauben, darauf hinzuweisen, dass Sie jetzt eine neue Meinung vertreten. Das, meine ich, muss erlaubt sein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich wollte es auch ausschließlich positiv darstellen und bleibe auch bei meiner positiven Darstellung, weil die Konsequenz Ihres Kurswechsels jetzt darin besteht, dass der verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Konsens über diesen Bundeswehreinsatz und damit auch vergleichbare Bundeswehreinsätze breiter geworden ist. Wir haben jetzt einen Konsens aller Fraktionen mit Ausnahme der Linksfraktion und der AfD-Fraktion über die verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Bewertung. Das bewerte ich positiv, weil dieser außenpolitische Konsens eine Stärke unseres Landes ist. Das war der Punkt, warum ich es erwähnt habe.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das ist auch der Grund, warum ich hier ausdrücklich für das Protokoll den Antragstext, dem jetzt vier Fraktionen zustimmen, zitiere: damit klar ist, was unsere verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Auffassung nun hier gemeinsam ist. – Ich zitiere aus dem Antrag, Ziffer 2, letzter Absatz:
Das ist jetzt unsere gemeinsame verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Auffassung. Ich begrüße es sehr, dass wir diese Zustimmung im Haus unter den demokratischen Fraktionen erzielt haben.
Ich möchte einen zweiten Punkt der Veränderung erwähnen, der für uns Arbeit und Aufgabe ist. Das ist eine außenpolitische Veränderung. Die wesentliche außenpolitische Veränderung besteht darin, dass die Vereinigten Staaten von Amerika die Region des Nahen und Mittleren Ostens im Allgemeinen und den Irak im Besonderen nicht mehr als ihre außenpolitische Priorität betrachten. Das ist eine wesentliche Kurskorrektur.
Wir sehen es in Afghanistan, wir sehen es im Irak. Es gibt keinen amerikanischen Kampfeinsatz mehr; es gibt dort keinen Kampfeinsatz der NATO mehr. Das ist Rückzug der USA aus der Region. Es ist die Fokussierung der USA, die Neubestimmung ihrer Prioritäten, vor allen Dingen auf China. Die Frage ist: Was bedeutet das für Deutschland, was bedeutet das für Europa?
Wir haben vor allen Dingen in der sogenannten Flüchtlingskrise gelernt, dass wir die Sicherheit in Deutschland, die Sicherheit in Europa nicht von der Sicherheitslage im Nahen und Mittleren Osten trennen können. Wir Deutsche, Deutschland und Europa haben nicht das Privileg, entscheiden zu können, dass uns diese Nachbarregion nicht interessiert und nicht mehr unsere Priorität ist. Darum bedeutet der Rückzug der USA für uns folgende Frage, die wir beantworten müssen: Was ist die außenpolitische Strategie Deutschlands und Europas für diese Nachbarregion, die für unsere Sicherheit essenziell und existenziell ist? Diese Frage harrt der Beantwortung.
Jeder Bundeswehreinsatz ist nur so gut, wie das außenpolitische Konzept, in das er eingebettet ist, gut ist. Und die strategische Antwort auf die Frage nach der Einbettung dieses Einsatzes fehlt. Sie muss geliefert werden.
Der Antrag ist befristet zum Ende Oktober – dann werden wir neu bestimmen –, und bis dahin ist auch mit dem Antrag für neun Monate –
Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.
– die Zeit gekauft, diese strategische Frage: „Was ist das politische Konzept des Bundeswehreinsatzes für den Irak und die Region?“ zu beantworten. Wir müssen diese Antwort liefern, in unserem eigenen Sicherheitsinteresse. In acht Monaten sehen wir uns hier wieder, und dann warten wir auf die Antwort der Regierung. Auch wir werden unsere Antworten geben, und wir würden uns freuen, wenn wir zu einer starken Übereinstimmung in dieser Frage kommen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Röttgen. – Für eine Kurzintervention gebe ich jetzt das Wort an den Kollegen Trittin.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533538 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 15 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz im Irak |