Elisabeth KaiserSPD - Direktwahl des Bundespräsidenten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD schlägt in ihrem Gesetzentwurf vor, den Bundespräsidenten direkt vom Volk wählen zu lassen.
(Enrico Komning [AfD]: Gute Idee!)
Im Innenausschuss wurde dieser Gesetzentwurf bereits abgelehnt. Ich erläutere im Folgenden gerne, warum unser Grundgesetz die Wahl des Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin durch die Bundesversammlung vorsieht und warum das eine gute Idee war.
Der Parlamentarische Rat zog aus dem Scheitern der Weimarer Republik die nötigen Lehren. Man hat sich bei der Erarbeitung unseres Grundgesetzes 1948/1949 gegen ein präsidiales Regierungssystem entschieden. Damals hatte Paul von Hindenburg mit der Macht des vom Volk gewählten Reichspräsidenten das demokratische Fundament der Weimarer Republik durch Notverordnungen ausgehöhlt. Deshalb entschieden sich die Mitglieder des Parlamentarischen Rates dafür, die Kompetenzen des Bundespräsidenten zu begrenzen.
So ist der Bundespräsident gemäß unserer Verfassung als Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland formal das höchste Verfassungsorgan. Aber direkte Einflussmöglichkeiten auf die Richtlinien der Politik, also auf den politischen Kurs einer Regierung, hat er nicht. Er ist auch nicht Teil der Regierung. Dem Bundespräsidenten kommen vielmehr repräsentative Aufgaben zu. Dabei liegt die wichtigste Funktion des Staatsoberhauptes sicherlich auch in seiner integrierenden Kraft. So soll der Bundespräsident moralische Maßstäbe setzen, Ratschläge geben, bei Kontroversen ausgleichend wirken und vor allen Dingen Vertrauen vermitteln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sicher nicht alleine, wenn ich anerkennend sage, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dieser Aufgabe, dieser besonderen Rolle in der aktuell sehr herausfordernden Zeit mehr als gerecht geworden ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Im direkten Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern scheut er keine Kontroversen, zeigt Empathie und macht immer wieder Mut – Mut, sich auch in schwierigen Zeiten für eine starke Demokratie, für eine gute Zukunft und seine Mitmenschen einzusetzen und zusammenzustehen. Ich freue mich deshalb umso mehr, dass Frank-Walter Steinmeier eine so breite parteiübergreifende Unterstützung für eine zweite Amtszeit erfährt. Und ich bin überzeugt – das belegen die Umfragen –, dass er auch bei einer direkten Wahl durch die Bürgerinnen und Bürger hohe Zustimmung erfahren würde.
Warum ist es problematisch, den Bundespräsidenten direkt zu wählen? Die AfD führt als Grund für die Direktwahl an, dass in der Bevölkerung der Wunsch nach mehr Mitbestimmung und mehr direkter Demokratie besteht. Aber wird man diesem Wunsch mit der Direktwahl des Bundespräsidenten gerecht? Ich fürchte eher, dass unser aktuell fein aufeinander abgestimmtes Verfassungsgefüge mit entsprechender Gewaltenteilung und Kompetenzverteilung dadurch ins Wanken geraten würde; denn ein direkt gewählter Bundespräsident würde dem direkt gewählten Parlament mit dem gleichen Machtanspruch gegenüberstehen. Dem Bundespräsidenten müssten genauso machtvolle Entscheidungskompetenzen zugesprochen werden wie dem Parlament; denn er ist ja mit der gleichen hohen Legitimation ins Amt gekommen. Aber welche Kompetenzen sollten das dann sein? Spätestens jetzt wird deutlich: Die Direktwahl des Bundespräsidenten und die damit verbundene Kompetenzerweiterung stünde im klaren Widerspruch zu unserem Grundgesetz und der dort definierten Rolle unseres Staatsoberhauptes.
Nun schreibt die AfD, dass man dem Bundespräsidenten im Fall einer Direktwahl keine weiteren Kompetenzen einräumen wolle. Da stellt sich mir die Frage, ob nicht gerade das die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung erhöhen würde; denn die Bürgerinnen und Bürger würden den Bundespräsidenten dann zwar direkt wählen, aber verändern würde das gar nichts. Die politische Entscheidungsmacht bliebe beim Parlament und der Regierung. Die Direktwahl des Bundespräsidenten würde sozusagen zum Selbstzweck, und die Bedeutung direkter demokratischer Legitimation durch das Volk würde geschmälert.
Die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung ist hingegen ein kluger Weg, ihm die angemessene breite Legitimation zukommen zu lassen, die seiner besonderen Rolle gebührt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Denn die Bundesversammlung setzt sich zusammen aus den Mitgliedern des Bundestages und der gleichen Anzahl von Wahlleuten, die durch die Länderparlamente bestimmt wurden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Gesetzentwurf der AfD geeignet ist, den Wert der Stimmenabgabe durch die Bevölkerung zu schmälern und damit Frust und Verärgerung bei den Menschen zu steigern. Der Ampelkoalition hingegen ist es ein ehrliches Anliegen, demokratische Teilhabe zu ermöglichen. Deshalb wollen wir das Modell der Bürgerräte evaluieren und ausbauen. Das ist ein Element, um das Vertrauen in unseren demokratischen Staat zu stärken. Unersetzlich bleiben aber das direkte Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort, der Austausch der Argumente hier im Haus und vor allen Dingen das Ringen um die besten Lösungen in dieser herausfordernden Zeit zum Wohle der Menschen in unserem Land. In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere konstruktive Zusammenarbeit mit den demokratischen Fraktionen hier im Hause.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielen Dank, Frau Kollegin.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dass Sie das teilweise gar nicht so wahrnehmen. Aber es ist wirklich recht laut hier und damit schwierig für die Rednerinnen und Redner. Ich bitte auch alle auf der Tribüne, darauf zu achten, dass wir hier nicht zu viel Lärm haben.
Als nächster Redner in der Debatte erhält Philipp Amthor das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533551 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 15 |
Tagesordnungspunkt | Direktwahl des Bundespräsidenten |