28.01.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 15 / Tagesordnungspunkt 13

Stephan ThomaeFDP - Direktwahl des Bundespräsidenten

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Rede des Herrn Brandner hat doch deutlich gezeigt, worauf es der AfD eigentlich ankommt.

(Zuruf von der AfD)

Direktwahl des Bundespräsidenten – das klingt ja zunächst einmal besonders demokratisch und sympathisch. Aber nicht alles, was auf den ersten Blick plausibel klingt, ist auch auf den zweiten Blick richtig und wahr.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])

Momentan ist dieses Haus, der Deutsche Bundestag, das einzige direkt vom Volk, vom Souverän gewählte oberste Verfassungsorgan der Bundesrepublik Deutschland. Wenn wir nun noch ein zweites Verfassungsorgan bekämen, das direkt gewählt würde, dann hätte dieses natürlich einen ganz besonders starken Auftrag. Die direkte Wahl durch das Volk verleiht eine besondere Legitimation; sie ist Ausdruck eines ganz besonderen Vertrauensverhältnisses. Dies sozusagen ungenutzt herumliegen zu lassen, würde sich mit dem Auftrag nicht vertragen.

Ein direkt gewählter Bundespräsident träte neben den Deutschen Bundestag. Nun ist es doch die besondere Weisheit des Grundgesetzes, zu sagen: Dort, wo eine besonders starke Legitimation in Form einer direkten Wahl durch das Volk besteht, verteilen wir Macht und Einfluss auf viele Köpfe, auf viele Personen, und dort, wo sich Macht und Einfluss auf wenige Personen konzentrieren, in einer Person gebündelt sind – beim Bundespräsidenten, beim Bundeskanzler, bei der Bundesregierung oder bei den obersten Gerichtshöfen –, wollen wir, dass diese Macht nur abgeleitet ist, indirekt ist und damit in gewisser Weise auch abgeschwächt ist. Das ist eine besonders weise Konstruktion.

Dass also Bundeskanzler und Bundespräsident nicht direkt gewählt werden,

(Zuruf der Abg. Maja Wallstein [SPD])

ist keine Schwächung der Demokratie, sondern verhindert, dass direkt legitimierte einzelne Personen die Macht in sich bündeln können, und an diesem Prinzip sollten wir festhalten, meine Damen und Herren.

Erlauben Sie mir einen zweiten Gedanken. In ihrem Gesetzentwurf formuliert die AfD ihre Sorge um Politikverdrossenheit und um die Abwendung der Menschen von der Demokratie. Ausgerechnet die AfD! Da muss ich mal zwei Wahrheiten sagen, meine Damen und Herren: Es ist doch gerade die AfD, die keine Gelegenheit auslässt, um Politikverdrossenheit zu schüren,

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das sagen Sie! Die brauchen wir gar nicht schüren!)

um parlamentarische Verfahren ins Lächerliche zu ziehen, um die Ablehnung der Demokratie zu schüren und zu befeuern.

(Tino Chrupalla [AfD]: Warum ist denn die Wahlbeteiligung so mies?)

Ein weiterer Punkt ist: Direktwahl ist nicht gleich mehr Mitbestimmung.

(Tino Chrupalla [AfD]: Nein!)

Es ist zunächst einmal genau das Gegenteil dessen:

(Tino Chrupalla [AfD]: So ein Quatsch!)

Noch mehr Macht wird übertragen auf eine einzelne Person. Ja, wir brauchen intelligente, moderne Instrumente der Mitgestaltung durch die Menschen im Lande. Aber Direktwahl ist weder besonders modern

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ist nicht modern für Sie! – Tino Chrupalla [AfD]: Demokratie!)

noch besonders intelligent. Es ist mehr die Illusion von Mitbestimmung, die entstehen könnte,

(Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])

gerade beim Bundespräsidenten, der ja neben den drei Staatsgewalten steht. Wenn wir nun dieses Amt noch aufladen durch eine besondere Legitimation, dann entsteht auch eine besondere Erwartungshaltung, aber an ein Amt ohne gesetzgeberische, ausübende oder rechtsprechende Gewalt. Von daher ist die Enttäuschung nachgerade vorprogrammiert, meine Damen und Herren.

(Zuruf der Abg. Maja Wallstein [SPD])

Und wenn Sie mir noch einen dritten und letzten Gedanken erlauben, meine Damen und Herren: Ich meine, Deutschland hat keinen Mangel an Wahlterminen und Wahlkämpfen. Diesen Wahlkämpfen und Wahlterminen noch einen weiteren Wahlkampf und Wahltermin hinzuzufügen, stärkt die Demokratie nicht; das ist kein Mehr an Demokratie.

Ich glaube, dass die bisherigen Bundespräsidenten in der Mehrzahl gezeigt haben, dass man auch durch eine indirekte Wahl Erwartungen und Hoffnungen in diesem Amt gut ausfüllen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

Deswegen spricht in meinen Augen viel mehr gegen eine Direktwahl des Bundespräsidenten als für eine Direktwahl.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Dr. André Hahn für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7533556
Wahlperiode 20
Sitzung 15
Tagesordnungspunkt Direktwahl des Bundespräsidenten
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