Claudia TausendSPD - Kommunales Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig am 9. November hat uns komplett überrascht. Wir saßen damals in den Koalitionsverhandlungen mit den Partnern von Grünen und FDP, und wir sind noch in den Koalitionsverhandlungen tätig geworden. Wir haben nämlich in den Vertrag aufgenommen, zu prüfen, ob sich aus diesem Urteil ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf für uns ergibt, und zwar dann, wenn die Urteilsbegründung vorliegt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Eine Prüfung haben wir deshalb vereinbart, weil es zum Zeitpunkt des 9. November nur eine dürre Pressemitteilung des Gerichtes gab. Wir wussten nicht: Bezieht sich das Urteil auf den beklagten Sonderfall in Berlin, oder erlangt es Allgemeingültigkeit für alle Kommunen hier in Deutschland?
Mittlerweile wissen wir: Letzteres ist der Fall. Der 9. November 2021 war ein einschneidender Tag für die Kommunen, aber natürlich auch für alle Mieterinnen und Mieter. Liebe Caren Lay, eine immerhin 35 Jahre unbeanstandete Rechtsauffassung ist gekippt worden. Dieses Gesetz geht zurück auf das Jahr 1986; damals waren wir nicht an der Regierung beteiligt. Es ist 35 Jahre lang in den unteren Instanzen bestätigt worden. Es hat zu einer Ausübung der Vorkaufsrechte geführt, wie zu Recht dargestellt worden ist. Das war eingeübte Praxis.
Wir waren völlig überrascht. Auch im Zusammenhang mit dem Baulandmobilisierungsgesetz ist mir als Berichterstatterin zu keinem Zeitpunkt ein Hinweis gegeben worden, dass hier Handlungsbedarf besteht. Die Bundesratsinitiative des Landes Berlin ist irgendwo liegen geblieben, vielleicht im Bundestag oder in den Akten. Und von euch, liebe Caren Lay, kam auch kein Hinweis, obwohl ihr immer sehr, sehr hellhörig seid.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Daniel Föst [FDP])
Schlussendlich wissen wir: Wir müssen tätig werden – das hat uns das Bundesverwaltungsgericht aufgegeben – und Klarstellungen im Gesetzestext vornehmen, und zwar – Wortlaut – „vor dem Hintergrund neuer Entwicklungen und drängender Probleme auf dem Wohnungsmarkt“. Wir alle, die wir in diesem Ausschuss sind, wissen, dass unsere Frau Bundesbauministerin Klara Geywitz bereits in der allerersten Ausschusssitzung klargestellt hat: Dieses Thema wird das Haus, wird die Ministerin persönlich mit absoluter Priorität verfolgen, und zwar in einem gesonderten Verfahren, nicht angehängt an die neue große Baugesetzbuchnovelle.
Wir alle wissen, wir brauchen schnell Rechtssicherheit, um die Menschen weiter vor Gentrifizierung und Verdrängung aus den angestammten Wohnungen und dem Wohnumfeld schützen zu können. Wir nehmen nicht hin, dass eines der wichtigsten Instrumente des Mieterschutzes entfällt, dass der Milieuschutz komplett durchlöchert wird, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts auf städtebauliche Missstände, auf Schrottimmobilien reduziert wird. Wir wollen auch dem Ausverkauf der Städte nicht zuschauen. Wir wollen unsere Kommunen ausdrücklich stärken.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir nehmen alle Appelle und Demonstrationen – ich habe an einer Unterschriftenabgabe der Initiativen teilnehmen dürfen – sehr ernst. Die Mietervereine machen uns aufmerksam, ebenso der Städtetag und natürlich die hauptbetroffenen Kommunen, an der Spitze München – das wurde zu Recht dargestellt; das ist meine Kommune – gemeinsam mit Hamburg und Berlin. Uns haben hier zahllose Schreiben erreicht. Wir werden die Mieterinnen und Mieter nicht im Regen stehen lassen.
Das Münchener Beispiel muss ich nicht näher ausführen; das hat Caren Lay vorweggenommen. Deswegen kann ich zum Schluss kommen. Die Bauministerkonferenz und viele weitere Appelle haben uns erreicht. Wir wurden aufgefordert, zügig den Gesetzentwurf vorzulegen, mittlerweile sogar vom Freistaat Bayern. Diese kleine Bemerkung sei mir noch erlaubt: Das freut mich besonders. Noch mehr, liebe CSU, würde es mich freuen, wenn Sie den Mieterinnen und Mietern in Bayern helfen würden, indem Sie den § 250 des neuen Baugesetzbuches, nämlich das allgemeine Umwandlungsverbot, in Kraft setzen würden. – Da sind noch einige Hausaufgaben in Bayern zu erledigen, in anderen Bundesländern leider auch.
(Beifall bei der SPD)
Ich komme zum Schluss. Sie rennen mit Ihrem Antrag, liebe Linkspartei, offene Türen ein. Wir brauchen keine weiteren Aufforderungen. Der Antrag ist eigentlich überflüssig, aber unschädlich; er ermöglicht heute die Debatte. Wir alle wissen: Der Gesetzentwurf wird derzeit erarbeitet. Es gilt Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Wir wollen nicht, dass auch das neue Gesetz beanstandet wird, sondern wir wollen dauerhaft Rechtssicherheit schaffen –
Kollegin Tausend, kommen Sie bitte zum Schluss.
– für die Mieterinnen und Mieter und zur Stärkung unserer Kommunen. Wir werden deswegen Ihren Antrag überweisen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533565 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 15 |
Tagesordnungspunkt | Kommunales Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten |