28.01.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 15 / Tagesordnungspunkt 14

Lars RohwerCDU/CSU - Kommunales Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten

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Glück auf, Frau Präsidentin und meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Linke im Hohen Haus fordert, Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung zu schützen, den Mietenanstieg zu stoppen und den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Ihre Mittel dazu sind der Milieuschutz und das kommunale Vorkaufsrecht. Es ist aber genau der Milieuschutz, den das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im November weitgehend gekippt hat. Das in Berlin übliche Vorkaufsrecht für Grundstücke aus Gründen des Milieuschutzes dürfe nicht auf der Basis der Annahme ausgeübt werden, dass der andere Käufer die Mieter in Zukunft mutmaßlich aus dem Gebiet verdrängen möchte.

Fragen Sie sich eigentlich, ob die Zurückbeorderung der Milieuschutzsatzung tatsächlich das geeignete politische Mittel ist, um Ihrer Forderung – gegen Gentrifizierung und Verdrängung in unseren Metropolen – zum Erfolg zu verhelfen?

(Kevin Kühnert [SPD]: Machen Sie mal einen anderen Vorschlag!)

Frau Lay, schön, wenn man sich mal wiedersieht. Sie wissen: Ich vertrete einen Wahlkreis, zu dem Dresden-Gorbitz gehört, und ich sage Ihnen: Ich bin bei Ihnen, dass es eine gesunde Durchmischung sozialer Schichten in den unterschiedlichen Teilen einer Stadt geben muss. Ich meine jedoch, dass Sie genau das falsche Instrument aus dem Werkzeugkasten auswählen wollen. Denn ja, Verdrängung findet zu unserem Bedauern statt. Aber findet sie mit einer Milieuschutzsatzung nicht mehr statt? Mitnichten.

Zur Verdeutlichung möchte ich Sie auf einen Denkfehler hinweisen: Wir schützen mit einer Milieuschutzsatzung kein Milieu, sondern negative städtebauliche Entwicklungen. Zur Veranschaulichung: Wenn reiche Familien arme Familien in einem Kiez verdrängen, spielt das für die generelle Auslastung der Grundschule überhaupt keine Rolle. Ein weiterer Denkanstoß: Erreichen wir mit einer Milieuschutzsatzung tatsächlich und hoffentlich baldigst die bezahlbare energetische Sanierung der Wohnungen? Oder erfüllen wir mit Milieuschutz die Forderung nach kleinen Eigentumswohnungen aus dem Bestand als staatlich beworbene Form der Altersvorsorge für junge Menschen?

Was ich sagen will, ist: Wir benötigen mehrdimensionales Handeln und nicht unbedingt Abwendungsbescheide, die enorme, teils unsinnige Verpflichtungen für Wohneigentümer mit sich bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Milieuschutz sollte die absolute Ausnahme sein und nicht ganzen Stadtkernen übergestülpt werden. Bei jeder OP im Gesundheitsbereich wünschen wir uns minimalinvasive Eingriffe mit maximaler Wirkung. Nehmen wir uns daran als Gesetzgeber im Bereich „Bauen und Wohnen“ ein Beispiel. Der Milieuschutz ist in seiner jetzigen Form wirkungslos. Er hält die städtebauliche Veränderung nicht auf. Er zementiert vielmehr soziale Strukturen und Problemviertel und schafft ein Ungleichgewicht auf dem Markt. In der Theorie erscheint es als probates Mittel, um Mieterinnen und Mieter vor Luxussanierung zu schützen; in der Praxis hat das Instrument versagt.

Das Vorkaufsrecht von Kommunen zum Bauland und Wohnraum hat keinen lindernden Effekt auf das Marktgeschehen. Es besteht sogar die Gefahr, dass diese bodenpolitischen Aktivitäten höhere Kaufpreise provozieren. Die Kommune baut in der Regel viele Wohnungen für wenig Geld. Eine Wohnung gleicht dann der anderen. Individualität geht völlig verloren. Robert Musil hat einmal gesagt: Ich mag Wohnungen nicht leiden, die seelisch nach Maß geschnitten sind. – Soziale Brennpunkte entstehen bereits mit der Zeichnung der Grundrisse. Der Milieuschutz zementiert ein Ungleichgewicht auf dem Markt und hält die Veränderungen auf. Die soziale Durchmischung findet nicht mehr statt. Das ist, denke ich, nicht die Intention des Gesetzgebers.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Milieuschutz muss daher die absolute Ausnahme bleiben. Vorkaufsrechte der Kommunen werden in der Regel nicht umgesetzt. Es besteht also keine Notwendigkeit, sie wieder einzuführen. Um die Probleme auf dem Wohnungsmarkt in Großstädten wie München, Berlin und Hamburg zu lösen, brauchen wir weniger staatliche Eingriffe und mehr Teamwork aus Kommune, guten Analysten und Investoren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dabei müssen wir mit genauem Augenmaß und Sachverstand vorgehen. Politische Regulierungen helfen hier in meinen Augen nicht weiter.

Lassen Sie uns nicht an Maßnahmen festhalten, die nicht zu dem gewünschten Ziel führen. Vorkaufsrechte und Abwendungsvereinbarungen greifen pauschal in Eigentumsrechte ein. Sie schützen keine Mieterinnen und Mieter dauerhaft und helfen nicht, Problemlagen zu lösen.

Wir lehnen den Antrag der Linksfraktion ab.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Kein einziger konstruktiver Vorschlag!)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Bayram das Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7533568
Wahlperiode 20
Sitzung 15
Tagesordnungspunkt Kommunales Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten
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