Kevin KühnertSPD - Kommunales Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben den Appell gehört, Frau Zeulner, dass wir uns neue Partner suchen sollen. Wir nehmen das zur Kenntnis, lehnen aber dankend ab.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Denn die anderen zur Verfügung stehenden Partner hatten wir in den letzten Jahren, und die Erfahrungen und Ergebnisse – nicht nur persönlich, sondern auch im Bereich der Bau- und Wohnpolitik – waren überschaubar. Insofern versuchen wir jetzt, etwas Besseres hinzukriegen.
Sie haben eben mit dem Verweis auf die KfW-Förderung einen ganz guten Hinweis gegeben. Sie haben nämlich jetzt schon auf zwei Umstände hingewiesen, die die Ampelkoalitionsverhandlungen bestimmt haben. Die Kolleginnen und Kollegen, die dabei waren, werden sich daran erinnern. Es sind damals nämlich zwei Meldungen während der Verhandlungen unserer Facharbeitsgruppe reingerauscht.
Eine kam ganz am Anfang der Verhandlungen, und die betraf das Thema KfW-Förderung. Das war eine Nachricht, die wir von einem Abteilungsleiter aus dem Wirtschaftsministerium – damals noch von Herrn Altmaier geführt – bekommen haben – bei Bedarf kann ich Ihnen die Nachricht auch gerne vorlesen –, die uns direkt bei Beginn der Verhandlungen mitgeteilt hat, dass die KfW‑55-Förderung per Ende Januar 2022 auslaufen soll.
(Zuruf der Abg. Emmi Zeulner [CDU/CSU])
Das ist ein schönes Osterei, das Sie uns da mit Herrn Altmaier ins Nest gelegt haben. Jetzt „Haltet den Dieb!“ zu rufen und sich zu wundern, dass gar keine Anschlussförderung da ist und dass der große Run auf die Förderprogramme einsetzt – das sind schon ziemlich große Krokodilstränen, die Sie hier gerade für uns weinen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Weil das berechtigte Bedenken sind, die viele Leute, die diese Woche vielleicht einen Termin beim Notar gehabt hätten, im Moment haben, haben wir zugesagt, dass wir Lösungen dafür finden werden, die das Vertrauen in die Verlässlichkeit, wenn man sich als Bauherr hier in Deutschland auf den Weg macht, wiederherstellen.
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Hätten Sie vielleicht in den Verhandlungen schon mal machen können!)
Aber Sie haben sich da nun wirklich nicht mit Ruhm bekleckert. Von Ihnen brauchen wir in dieser Hinsicht keine Hinweise.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Patrick Schnieder [CDU/CSU])
Das zweite Thema, das in diese Koalitionsverhandlungen reingerauscht ist, ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gewesen; das war am vorletzten Tag unserer Verhandlungen. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft, wie die Formulierung, die Sie heute auch im Koalitionsvertrag der Ampel finden können, dort reingekommen ist. Wie die Kollegin Tausend schon zu Recht gesagt hat, lag noch keine Begründung vor. Es gab diese schmale Pressemitteilung, und es war unklar, ob es eine Lex Berlin ist, die dort hergestellt wurde, oder ob es sich auf etwas Grundsätzliches bezieht.
(Zuruf des Abg. Lars Rohwer [CDU/CSU])
Heute wissen wir, dass es eine grundsätzliche Einschätzung gewesen ist. Das sehen wir nicht nur daran, dass in der Sozialdemokratie und in anderen Parteien Menschen dazu aufrufen, dass wir dort wieder Ordnung herstellen müssen, sondern auch daran, dass uns alle 16 Bauministerinnen und Bauminister gemeinsam dazu aufrufen, das in Ordnung zu bringen, dass uns der Städtetag dazu aufruft und viele andere mehr um uns herum. Die Einschätzung ist mittlerweile nun also sehr deutlich.
Ich möchte deshalb die Gelegenheit und die Redezeit noch dazu nutzen, denjenigen, die vielleicht aus Wahlkreisen kommen, wo das Thema vermeintlich nicht so eine große Rolle spielt, deutlich zu machen, worum es in der Praxis eigentlich geht. Wir haben ja hier zum Teil sehr allgemein gesprochen; aber für eine erhebliche Anzahl von Menschen in Deutschland ist das was ganz Konkretes.
Ich möchte Ihnen das an meinem Wahlkreis in Berlin-Tempelhof-Schöneberg, drei S-Bahn-Stationen vom Deutschen Bundestag entfernt, deutlich machen. In den letzten Jahren ist das Vorkaufsrecht alleine in meinem Wahlkreis insgesamt neunmal angewendet worden. Jetzt ist es so, dass von diesen Anwendungen sieben wasserdicht sind und dass die Leute auch durch das Kippen des Urteils aus Leipzig nicht mehr in einen anderen Rechtszustand versetzt werden können. Bei zweien ist jetzt unklar, wie es weitergeht. Das betrifft allein in meinem Wahlkreis im Moment fast 150 Wohneinheiten,
(Zuruf der Abg. Mechthild Heil [CDU/CSU] – Gegenruf des Abg. Kassem Taher Saleh [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
in denen mehrere Hundert Menschen leben, die jetzt nicht wissen, wem in näherer Zukunft ihr Haus gehören wird, was dort investiert oder nicht investiert wird, wann dort Eigenbedarf angemeldet oder nicht Eigenbedarf angemeldet wird, sodass für diese Leute viel Unklarheit herrscht.
Es gibt noch eine viel größere Gruppe von Menschen – und das geht häufig unter –, die davon profitiert haben, dass Abwendungsvereinbarungen unterschrieben wurden. So viel übrigens zur konstruktiven Rolle des Staates! Herr Rohwer sagte ja: Um die Probleme der Großstädte zu lösen, brauchen wir weniger staatliche Eingriffe. – Nein! Für genau 52 Wohneinheiten in meinem Wahlkreis und Hunderte Menschen ist der staatliche Eingriff, indem man nämlich die Beteiligten zu einer Abwendungsvereinbarung geführt hat, erst die Garantie dafür gewesen, dass es einen Verbleib am Wohnort mit planbaren Mieten und einer planbaren Lebensperspektive geben konnte. Und das ist das, was am Ende mit Milieuschutz gemeint ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das sind Hunderte Menschen, die auf absehbare Zeit wissen, dass sie an ihrem Wohnort bleiben können, dass die Kita weiter um die Ecke ist, dass der Schulstandort dort vor Ort ist, dass Oma und Opa in der Nachbarschaft leben, dass Sportvereine, Nachbarschaftsinitiativen und Ähnliches weiterhin dort bleiben. Deswegen bringt es auch nichts, einfach nur ein paar Häuser zusammenzuzählen und zu sagen: Bundesweit ist das ja gar nicht so viel. – Es sind in Wahrheit viele Tausend Menschen an ganz unterschiedlichen Orten, die direkt oder mittelbar von dem betroffen sind, worum es hier geht.
(Zuruf des Abg. Lars Rohwer [CDU/CSU])
Deshalb – den politischen Streit tragen wir an anderer Stelle aus – geht mein ganz herzlicher Appell an den Kollegen Föst und die Kolleginnen und Kollegen der FDP: Ich weiß, wir müssen uns auch um Neubauinitiativen kümmern – das ist auch für uns ein großes Thema – und auch damit für Entspannung sorgen.
(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Sagen Sie jetzt mal, was die Lösung ist!)
Aber jetzt geht es um ein unmittelbares Problem, das wir lösen müssen. Ich wünsche mir, dass wir zusammen schnell und zügig – und nicht, wie der Kollege Semet sagte, in ausführlichen Gesprächen – zu einer Lösung kommen.
Kollege Föst, ich verspreche Ihnen: Wenn wir das schnell gemeinsam und im Sinne der Mieterinnen und Mieter hinkriegen, dann werde ich in dreieinhalb Jahren, wenn ich Bilanz in meinem Wahlkreis ziehe, jedem erzählen, wie wichtig die FDP im Kampf um Mieterinnen- und Mieterrechte war.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Daniel Föst [FDP]: Oh!)
Dann schaffen wir es gemeinsam, dass Platz drei bei den Erststimmenanteilen im Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg beim nächsten Mal an die FDP geht und nicht an die CDU. Und dann haben wir alle miteinander etwas gewonnen. Ich würde mich freuen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Lars Rohwer [CDU/CSU]: Unmoralische Angebote!)
Das Wort hat die Kollegin Hanna Steinmüller zu ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Ab-geordneten der CDU/CSU und der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533573 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 15 |
Tagesordnungspunkt | Kommunales Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten |