16.02.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 16 / Zusatzpunkt 1

Lennard OehlSPD - Aktuelle Stunde - Zwei Jahre nach den rechtsterroristischen Morden von Hanau

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben recht; es ist meine erste Rede im Deutschen Bundestag. Ich spreche heute aber nicht nur als neuer Abgeordneter zu Ihnen, sondern auch als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Hanau. Deshalb ist es mir ein besonderes Anliegen, in dieser Aktuellen Stunde zu sprechen. Ich sehe es als Verpflichtung, als Verpflichtung gegenüber den Angehörigen der Opfer, die ihre Liebsten durch einen rassistisch motivierten Anschlag verloren haben, aber auch als Verpflichtung gegenüber allen Hanauerinnen und Hanauern, die ich im Bundestag vertrete und für die der 19. Februar nie mehr ein normaler Tag sein wird.

Ich bin in Hanau zur Schule gegangen und sicherlich Hunderte Male über den Hanauer Heumarkt gelaufen. Heute schnürt es mir jedes Mal die Kehle zu, wenn ich über den Hanauer Heumarkt laufe, einen der beiden Anschlagsorte. So geht es wahrscheinlich Tausenden Hanauerinnen und Hanauern. Und gleichwohl unzählige Menschen mit dem rassistischen Anschlag eigene Emotionen verbinden, so ist dies jedoch nicht zu vergleichen mit dem unvorstellbaren Leid, das die Angehörigen durchleiden müssen. Es berührt mich persönlich sehr, wie die Angehörigen ihre Trauer auf unterschiedliche Art und Weise verarbeiten und mit eigenen Initiativen ein würdiges Erinnern ermöglichen. Ich finde es bewundernswert, nach so einem harten Schicksalsschlag nach wie vor Hoffnung in unsere Zivilgesellschaft zu haben.

Ich begrüße, dass der Anschlag aufgrund seines zweiten Jahrestages Thema der Aktuellen Stunde ist; denn das gibt mir die Möglichkeit, hier im Bundestag deutlich zu machen, was wir vor Ort in Hanau konkret zur Trauerbewältigung geleistet haben. Natürlich steht die Betreuung der betroffenen Familien durch die Stadt Hanau im Vordergrund; es geht aber auch, ganz aktuell, um das Schaffen eines würdigen Gedenkens in der Stadt und die Entwicklung neuer Angebote. Wir wollen in Hanau mit dem Zentrum für Demokratie und Vielfalt einen lebendigen Salon für Debatten einer bunten Gesellschaft einrichten. Damit soll der Zusammenhalt der Hanauer Zivilgesellschaft unterstützt werden.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Der Anschlag war ein Anschlag auf die Werte, die diese Stadt und ihre Bürgerschaft leben. Bei der Beerdigung von Said Nesar Hashemi und Hamza Kurtović fand Oberbürgermeister Claus Kaminsky die passenden Worte: Diese beiden Opfer waren keine Fremden, sie waren Hanauer Buben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich habe mich sehr gefreut, dass Ajla Kurtović, die Schwester des ermordeten Hamza Kurtović, am vergangenen Sonntag Teil der Bundesversammlung war. Wir stehen in regelmäßigem Kontakt, und sie gab mir für die heutige Rede folgenden Appell mit:

Sorgen Sie, sehr geehrte Politiker, dafür, dass die Umstände dieses schrecklichen Verbrechens restlos aufgeklärt und die entsprechenden Lehren daraus gezogen werden, damit sich so eine schreckliche Tat nicht wiederholen kann.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dieser Appell, den Ajla Kurtović in ihrer Rede bei der zentralen Trauerfeier am 4. März 2020 das erste Mal an die Öffentlichkeit richtete, hat an seiner Aktualität leider nichts verloren.

Wenn wir über die Verarbeitung des Anschlages sprechen, dann dürfen wir die politische Aufarbeitung nicht vergessen. Ich bin Nancy Faeser sehr dankbar, dass sie die Aufarbeitung im Hessischen Landtag in den letzten zwei Jahren stets vorangetrieben hat und seit ihrem ersten Amtstag als Bundesinnenministerin dem Rechtsextremismus in ganz Deutschland den Kampf angesagt hat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE])

Doch auch im Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtages werden aktuell die Landespolitikerinnen und Landespolitiker mit den Fragen der Angehörigen konfrontiert: Hätte der Anschlag verhindert werden können? Der Täter ist bereits im Vorfeld durch rassistische Äußerungen auffällig gewesen; trotzdem konnte er in Hessen nach wie vor einen Waffenschein besitzen. Welche Pannen unterliefen den Sicherheitsbehörden im Einsatz? Warum war der Notruf technisch so veraltet, dass Anrufe der Opfer nicht durchkamen? Warum waren allgemein Notausgänge am Tatort in Kesselstadt blockiert? – Diesen Fragen der Angehörigen müssen wir nachgehen. Wer diesen Fragen nicht ernsthaft nachgeht, kann nicht behaupten, genug gegen Rassismus und rechten Terror zu unternehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE])

Deshalb ist es unsere moralische Pflicht, auf diese Fragen Antworten zu liefern – in Hanau, in Wiesbaden, aber auch hier in Berlin.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE] – Sören Bartol [SPD]: Die Antworten wird Herr Heck jetzt liefern!)

Ich erteile das Wort Dr. Stefan Heck, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7533643
Wahlperiode 20
Sitzung 16
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Zwei Jahre nach den rechtsterroristischen Morden von Hanau
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