Rebecca SchamberSPD - 16. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Jahr werden 274 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen sein. Vergangenes Jahr waren 84 Millionen Menschen auf der Flucht. 45 Millionen Menschen droht eine Hungersnot. Die Lage ist dramatisch. Wir dürfen uns an diesen Zustand nicht gewöhnen, nicht abstumpfen, sondern wir müssen immer wieder genau hinsehen; denn über viele Krisen wird kaum mehr berichtet. Sie werden schlicht vergessen.
Was also tun angesichts dieses globalen Ausnahmezustands? Der 16. Entwicklungspolitische Bericht der Bundesregierung stellt richtigerweise fest: Entwicklungspolitik ist Zukunfts- und Friedenspolitik. Damit Frieden aber nachhaltig Bestand hat, braucht es in Zukunft eine bessere ressortübergreifende Zusammenarbeit und einen systematischen Ansatz der Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedensförderung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir werden uns jetzt gemeinsam mit unseren Koalitionspartnerinnen und ‑partnern genau auf diesen Weg begeben. Mehr noch, es wird einen grundlegenden Wandel in der Entwicklungspolitik geben: im Stil und in der Sache. Wir werden Schluss machen mit ressortspezifischen Eitelkeiten. Daher möchte ich mich an dieser Stelle bei den drei Ministerinnen Svenja Schulze, Annalena Baerbock und Christine Lambrecht bedanken, die bereits sehr deutlich gemacht haben, dass Entwicklungs-, Außen- und Verteidigungsministerium künftig mit gemeinsamer Stimme sprechen werden.
Uns geht es um kohärentes internationales Handeln und darum, Deutschlands Rolle bei der Entschärfung internationaler Krisen weiter auszubauen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Die Leitlinien zur Krisenprävention sind hierfür eine hervorragende Grundlage. Wir werden den vernetzten Ansatz weiter stärken und mit Leben füllen.
Und – die Ministerin hat es gesagt – unsere Entwicklungspolitik wird feministisch sein. Mir ist bewusst, dass sich der eine oder andere hier im Raum noch mit diesem Begriff anfreunden muss. Ich will Ihnen aber gerne erläutern, warum eine feministische Entwicklungspolitik genau der richtige Schritt ist, um auch Frieden zu fördern. Die Zahlen sind eindeutig: Wenn Frauen an Friedensverhandlungen – und zwar von Beginn an – beteiligt sind, steigt die Chance, dass es erstens überhaupt zu einem Friedensvertrag kommt, und zweitens, dass der Frieden länger hält. Um es noch mal deutlich zu machen: Handeln Frauen Friedensabkommen mit aus, steigt die Chance, dass der Frieden länger als zwei Jahre hält, um 20 Prozent.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Katja Mast [SPD]: Tatsachen muss man aussprechen!)
Mit der Resolution 1325 aus dem Jahre 2000 wurde das auch von den Vereinten Nationen anerkannt. Ziel dieser Resolution ist es, dass Frauen an Friedensverhandlungen beteiligt sind und so geschlechterspezifische Perspektiven einbezogen werden. Über 20 Jahre später müssen wir feststellen, dass Friedensverhandlungen immer noch überwiegend von Männern geführt werden. Leider hat auch Deutschland in der Vergangenheit nicht viel daran mitgewirkt, dass sich dieser Zustand ändert.
Genau deshalb braucht es jetzt eine feministische Entwicklungspolitik, weil es schlicht und ergreifend Sinn macht.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Als neugewählte Abgeordnete freue ich mich daher, dass wir sie im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Besonders freut mich, dass dieser Wandel auch auf der Regierungsbank sichtbar ist: Entwicklungs-, Außen- und Verteidigungsministerium in der Hand von drei kompetenten Frauen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es geht aber nicht nur um mehr Frauen in Verantwortung, sondern darum, das Thema Gleichstellung ins Zentrum zu stellen, ungleiche Machtstrukturen in den Blick zu nehmen und gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern zu verändern.
Meine Damen und Herren, die globalen Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind immens. Die Zahlen sind schlicht nicht hinnehmbar. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass wir einen entscheidenden Beitrag dazu leisten können, ja sogar leisten müssen, diesen weltweiten Krisen zu begegnen.
Jetzt ist die Zeit für gemeinsames Handeln – hier in Deutschland, in Europa, aber vor allem auf Augenhöhe mit unseren Partnerinnen und Partnern im Globalen Süden. Jetzt ist die Zeit für eine Entwicklungszusammenarbeit, die sich eben nicht als karitative Hilfe versteht, sondern tatsächliche Transformation – also einen grundlegenden Wandel – im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele anstrebt.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank. – Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, ein kurzer Hinweis. Wir verlängern auf Wunsch verschiedener Fraktionen den Wahlgang von heute Morgen auf circa 11 Uhr, sodass Sie das Ihren Kolleginnen und Kollegen in Ihren Fraktionen mitteilen können. Um 11 Uhr schließen wir dann den Wahlgang für die geheimen Wahlen.
Jetzt hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Wolfgang Stefinger.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533664 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | 16. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung |