Jürgen HardtCDU/CSU - Haltung des Westens zur Politik Russlands
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Redezeit nutzen, den einen oder anderen Aspekt anzusprechen, der in dieser Debatte vielleicht noch nicht so benannt worden ist. Ich fand es sehr bemerkenswert, zu sehen, wie der Kollege Uli Lechte für die FDP windig einen tiefen Tunnel gebuddelt hat, um zu sagen, warum die FDP unserem Antrag nicht zustimmen kann. Ich glaube, Sie würden sich nicht vertun, wenn Sie dem Antrag zustimmen würden; denn er ist eine gute Bestandsaufnahme unserer aktuellen Situation in Bezug auf Russland und ein wirklich konstruktiver Beitrag zur Auseinandersetzung. Deswegen glaube ich, dass das ein ausgezeichneter Antrag ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
In dieser Debatte fehlt der Bundeskanzler. Er hat sich mit wichtigen außenpolitischen Terminen entschuldigt. Ich möchte an dieser Stelle dennoch darauf hinweisen, dass wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion unsere Bundeskanzlerin immer dazu gebracht haben, dass sie vor wichtigen EU-Gipfeln, vor wichtigen außenpolitischen Entscheidungen hier vor dem Deutschen Bundestag oder zumindest vor dem Europaausschuss einen entsprechenden Bericht abgibt. Wir haben uns damit keine Freunde im Kanzleramt gemacht, weil das natürlich immer schwierig ist für diejenigen, die die Termine organisieren müssen; aber wir haben es immer hinbekommen. Ich kann Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, nur ermutigen, das auch bei Ihrem Kanzler einzuklagen. Wir hätten in dieser Woche mit Sicherheit einen Zeitpunkt gefunden, wo der deutsche Bundeskanzler im Bundestag über seine Russlandpolitik Rechenschaft ablegt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich hätte zum Beispiel auch eine Frage zu Nord Stream 2. Das ist ja nun wirklich in den Augen vieler unserer mittel- und osteuropäischen Partner total wichtig. Der amerikanische Präsident hat in der Pressekonferenz mit Olaf Scholz in Washington gesagt: Wenn Russland in der Ukraine einmarschiert, werden wir das beenden.
Ich hätte den deutschen Bundeskanzler gerne gefragt: War das „wir“ ein Ergebnis des Gesprächs? „ Wir“: Olaf Scholz und ich; die beiden standen ja da. Dann hätte Olaf Scholz auch sagen können: „I agree with Joe“, und wir hätten gewusst, wo wir stehen. Oder war das „wir“ bezogen auf Amerika: „Wir, Amerika, werden das beenden“? Dann würde das auf einen Dissens zwischen dem deutschen Bundeskanzler und dem amerikanischen Präsidenten hinweisen. Das hätte ich zum Beispiel gerne gewusst. Allein die Frage bleibt jetzt unbeantwortet; jeder mag sich einen Reim darauf machen.
Dann finde ich in dieser Debatte die 2 G sehr bemerkenswert: Gysi und Gauland, vereint an der Seite Russlands gegen den Rest des Hauses.
(Beatrix von Storch [AfD]: Sonst sind Sie bei 2 G immer so euphorisch!)
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir hier im Deutschen Bundestag in der Opposition diametral unterschiedliche Auffassungen über die richtige Russlandpolitik haben und dass wir deshalb, so wie es mein Kollege Wadephul ja auch dargelegt hat, der deutschen Bundesregierung nur viel Erfolg und viel Kraft wünschen können, in dieser schwierigen Zeit für uns alle diese Kuh vom Eis zu holen und einen Beitrag zur Befriedung der Situation zu leisten.
Dann möchte ich die Gelegenheit nutzen, noch mal auf die Wanderlegende einzugehen, die vielfach, gerade eben wieder von Herrn Gysi, vorgetragen wird, es hätte eine Zusage gegenüber Russland gegeben, die NATO würde sich nicht nach Osten erweitern. Ich bitte Sie jetzt mal, mit mir ein kleines Gedankenexperiment zu machen. Halten Sie es wirklich für plausibel, dass der Generalsekretär der KPdSU und Chef der Sowjetunion mit seinem Außenminister im September 1990 die Vertreter des Westens zur Seite nimmt und sagt: „Aber eins ist ja wohl klar: Wenn die Sowjetunion auseinanderbricht und einzelne ehemalige Sowjetrepubliken unabhängig werden, dann werdet ihr doch verhindern, dass die in die NATO kommen“? Ich halte das für so absurd, dass ein Generalsekretär der KPdSU zu diesem Zeitpunkt überhaupt an die Möglichkeit gedacht hätte, dass das eintreten könnte. Deswegen glaube ich schlicht nicht, dass das überhaupt Thema war.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Es ging um Ostdeutschland; aber es ging eben nicht um den Rest Mittel- und Osteuropas.
Herr Kollege Hardt, würden Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion zulassen?
Nein. – Ich möchte diesen Punkt weiterführen und fragen: Warum soll denn der KPdSU-Generalsekretär im November 1990 die Charta von Paris unterschreiben, wo explizit die freie Bündniswahl drinsteht? Warum soll ein Präsident beziehungsweise Ministerpräsident Putin bei jeweiligen Jahrestagen der feierlichen Unterzeichnung der Charta von Paris genau dieses Ergebnis gemeinsamer europäischer Friedenspolitik feiern, anstatt dort an dieser Stelle zu reklamieren, dass man eine andere Sicht hat? Das ist eine komplette Umdeutung der Realität, die einfach nur Sand in die Augen der Menschen streuen soll, die einen realistischen, kritischen Blick auf die Russlandpolitik haben, und den werden wir uns als Opposition bewahren. Ich kann uns nur alle auffordern, jeden Politiker in Deutschland, jeden Abgeordneten in Deutschland, dass wir uns diesen kritischen Blick bewahren, damit wir in Europa den Frieden bewahren und nicht ins Unglück reisen.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielen Dank. – Dem Kollegen Bystron gebe ich jetzt das Wort zu einer Kurzintervention.
(Dr. Marcus Faber [FDP]: Der soll sich Redezeit geben lassen!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533686 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Haltung des Westens zur Politik Russlands |