Johannes SteinigerCDU/CSU - Kalte Progression
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesen bewegten Zeiten ist es ja auch schön, wenn Dinge gleich bleiben; das gibt Halt. Deswegen ist es schön, dass auch die Arbeitsmoral der AfD gleich bleibt. Sie bleiben also Ihrem Motto treu: „Zu viel arbeiten im Bundestag ist nicht so unser Ding.“ Sehen wir uns mal den vorliegenden Antrag an: Er ist abgeschrieben von einem Antrag aus 2019, der wiederum abgeschrieben war vom Bund der Steuerzahler.
(Kay Gottschalk [AfD]: Das haben wir aber gesagt!)
Wir haben den Antrag 2019 abgelehnt, und wir werden ihn auch im Zuge dieser Beratungen ablehnen.
Neu ist, dass die FDP mittlerweile eine etwas andere Auffassung hat. Noch vor wenigen Wochen und Monaten wurde immer wieder über den Tarif auf Rädern diskutiert. Gestern in der Regierungsbefragung haben wir auf einmal gesehen, dass der Bundesfinanzminister mittlerweile ausweicht und die Argumentation, die wir über viele Jahre hatten – dass nämlich der Deutsche Bundestag die kalte Progression regelmäßig ausgleichen muss –, auch noch bestätigt hat. Daran sieht man: Auch da gibt es einen Lerneffekt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das ist auch kein Wunder. Wenn man sich diesen Koalitionsvertrag anschaut, dann stellt man fest, dass der Begriff „kalte Progression“ gar nicht vorkommt. Darüber habe ich mich, ehrlich gesagt, gewundert; denn in den Koalitionsverträgen, die wir ausgehandelt hatten, kam das Thema immer vor, und zwar aus guten Gründen. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung der letzten vier Jahre Große Koalition berichten: Viel Spaß bei den Verhandlungen mit der SPD. Die SPD wird sich gegen jede Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, die nicht im Koalitionsvertrag steht, wahnsinnig wehren.
(Michael Schrodi [SPD]: Ich habe es Ihnen gerade vorgelesen! Überkompensiert!)
Heute haben die Kollegen Schrodi und Müller ja schon mal angeschnitten, wie schwierig das sein wird. Viel Spaß in den Berichterstattergesprächen!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Schrodi [SPD]: Überkompensiert haben wir! Mehr Entlastungen als notwendig! )
Im Übrigen steht das auch in dem „WirtschaftsWoche“-Bericht, auf den Michael Schrodi sich vorhin bezogen hat.
(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Phantomschmerzen!)
Darin steht – Zitat –, es „droht Zoff“; denn Sie machen eines nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie gleichen die kalte Progression des aktuellen Jahres nicht aus, weil vor zwei Jahren nicht klar war, dass die Inflation so ansteigt.
(Michael Schrodi [SPD]: Falsch! Überkompensiert!)
Sie machen im laufenden Jahr nichts, sondern Sie werden nur für die Jahre 2023 und 2024 etwas machen. Das hat der Bundesfinanzminister gestern sogar in der Regierungsbefragung gesagt. Von daher gehe ich davon aus: Sie sind an dieser Stelle wortbrüchig!
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen des Abg. Michael Schrodi [SPD] – Marianne Schieder [SPD]: Oijoijoi!)
Man muss auch sagen: Das Thema wurde so ein bisschen weggewischt – auch von Frau Wissler – nach dem Motto: Kalte Progression ist gar nicht so wichtig. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Ausgleichen der kalten Progression ist doch eine Frage der Gerechtigkeit. Hier geht es um die Leute, die jeden Morgen aufstehen, die arbeiten gehen, die ihre Steuern zahlen. Bei denen tritt jetzt folgender Effekt ein: Sie kriegen eine Lohnerhöhung, die durch die Inflation ausgeglichen wird. Trotzdem kommt man in einen höheren Einkommensteuertarif und muss mehr Steuern zahlen. Deswegen ist es eine Frage der Gerechtigkeit. Das müsste eigentlich auch im Sinne der SPD sein.
(Marianne Schieder [SPD]: Ja, haben wir doch gemacht! – Gegenruf des Abg. Kay Gottschalk [AfD]: Das machen Sie nicht!)
Ich rufe Ihnen zu: Gleichen Sie es auch in diesem Jahr aus!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Schrodi [SPD]: Überkompensiert!)
Ganz am Schluss müssen wir natürlich auch darüber sprechen: Wie können wir eigentlich gegen die Inflation vorgehen?
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus den Reihen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?
Ja, bitte.
Ich würde Ihnen gerne eine Frage stellen vor dem Hintergrund, dass Sie von Entlastungen sprechen. Wir alle haben ja einen Wahlkampf geführt, in dem auch die Auswirkungen der Vorschläge, die die einzelnen Parteien machen, berechnet wurden. Die SPD ist dabei genauso wie wir ganz dezidiert für Entlastungen eingetreten, die im unteren und mittleren Bereich greifen und für die wir entsprechenden Ausgleich vorgesehen haben. Bei Ihnen ist es ausschließlich um das Umverteilen von unten nach oben gegangen.
(Kay Gottschalk [AfD]: Nein!)
Das kann natürlich kein Ausgleich für untere und mittlere Einkommen sein, sondern das ist schlicht und ergreifend das Gegenteil dessen, was Sie hier erzählen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Kay Gottschalk [AfD]: Einfach mal verstehen und lesen!)
Herzlichen Dank, Herr Kollege, für die Frage, die mir noch mal Gelegenheit gibt, auf einen Punkt hinzuweisen.
(Abg. Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] will wieder Platz nehmen)
Herr Kollege, bleiben Sie freundlicherweise stehen.
Sehr geehrter Herr Kollege, herzlichen Dank, dass Sie stehen bleiben; das sind die Gepflogenheiten hier bei uns im Parlament. – Ich glaube, selten hat der Satz besser gepasst:
(Michael Schrodi [SPD]: Sie reden so und machen es anders!)
Die Ampel ist als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet.
(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ältere Sprüche gab es gerade nicht? Ältere waren nicht dabei?)
Das passt genau zu den Vorschlägen, die Sie gemacht haben. Ich kann Sie ja mal daran erinnern: Sie sind jetzt an der Regierung.
(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht mal auf die Frage antworten! Sie haben kein Konzept! Gar keins!)
Sie können jetzt die Entlastungen beschließen.
Aber unser Problem ist doch Folgendes: Wir haben jetzt die Inflation. Deswegen müssen wir jetzt gegen die Inflation vorgehen. Wir müssen jetzt zu Entlastungen kommen. Und Sie werden morgen Gelegenheit haben, die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten. Denn morgen wird die CDU/CSU-Fraktion hier einen Antrag einbringen, wo es um die hohen Energiepreise in Deutschland geht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird ja spannend!)
Ich lade Sie herzlich ein, morgen zuzustimmen, wenn es um die Frage geht, die EEG-Umlage schneller abzuschaffen, die Stromsteuer abzusenken, die Umsatzsteuer auf Strom, Gas und Fernwärme zu reduzieren. Das trifft alle: Das trifft die kleinen und mittleren Einkommen, das trifft die Sportvereine, die gerade große Sorgen wegen der Beheizung ihrer Hallen haben, das trifft aber auch die vielen Firmen in Deutschland, die die Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, die wir brauchen.
(Zuruf des Abg. Michael Schrodi [SPD])
In diesem Sinne ist es, glaube ich, wichtig, dass wir die Folgen der Inflation nicht bagatellisieren. Viele Menschen in Deutschland spüren sie jeden Tag: beim Einkaufen, beim Tanken, bei der Frage, wie man Investitionen tätigt. Deswegen: Hören Sie auf, das zu bagatellisieren! Legen Sie uns vielmehr – Sie sind jetzt an der Regierung – konkrete Vorschläge vor, wie wir zu einer Entlastung kommen können. Dann haben Sie uns auch an Ihrer Seite, Ihnen dabei mitzuhelfen, diese Entlastung umzusetzen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Steiniger. – Bevor wir zur Abstimmung kommen, noch ein Hinweis: Es ist nicht nur eine Frage der Höflichkeit, dass der Fragende stehen bleibt, sondern es hat damit zu tun, dass auch die Millionen Menschen, die uns zuschauen, dann besser identifizieren können, wem die Antwort gilt.
Damit ist die Aussprache beendet.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533744 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Kalte Progression |