Stephan ThomaeFDP - Europäische Asyl- und Migrationspolitik
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich war, ehrlich gesagt, ein bisschen überrascht, dass die Union heute einen Antrag eingebracht hat, in dem sie sich mit dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beschäftigt. Denn mein Eindruck in der letzten Wahlperiode war viel zu häufig, dass man sich in der Union genau mit diesem Thema, dem GEAS, viel zu wenig auseinandergesetzt hat.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Auch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat die Union nicht genutzt, um hier voranzukommen. Das wird die Koalition aus SPD, Grünen und FDP besser machen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Alexander Throm [CDU/CSU])
Auch in diesem Antrag bleibt die Union einer rückwärtsgewandten Negativbilanz verhaftet: Deutschland habe in der Flüchtlingskrise 2015/2016 die Hauptlasten, die alleinigen Lasten getragen; Deutschland habe mehr geleistet als alle anderen;
(Detlef Seif [CDU/CSU]: Bis jetzt!)
das sei ungerecht, und jetzt seien mal die anderen dran. Ja, Deutschland hat in den Jahren 2015 und 2016 viel geleistet, Herausragendes. Aber einer konzeptionellen Antwort auf die Frage, wie wir als europäische Rechts- und Wertegemeinschaft das Thema „Migration, Flucht, Asyl“ gemeinsam dauerhaft in den Griff bekommen wollen, sind wir in Wahrheit keinen Schritt näher gekommen, und zwar gerade wegen dieser larmoyanten Mischung aus Unzufriedenheit und Selbstzufriedenheit, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die alten Wege in der Migration haben nicht funktioniert. Wir müssen deswegen neue Wege wagen. Und diese neuen Wege wagen wir als Ampelkoalition, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist dringend geboten. Das Dublin-System überfordert Erstankunftsländer, die Grenzstaaten wie Italien, Griechenland, Malta, Zypern, die für einen ganz überwiegenden Teil der Schutzsuchenden zuständig sind. Die Notlage dieser Länder führt zu einer Politik des Durchwinkens und in der Folge zu einer unkontrollierten Sekundärmigration in Europa, die wir alle nicht wollen können, meine Damen und Herren.
Andere Staaten wie etwa Dänemark oder Schweden nehmen zeitweise oder auch dauerhaft Zurückweisungen an ihren Grenzen vor, wieder andere entziehen sich der Lastenteilung komplett. Dazu kommt, dass wir höchst unterschiedliche Asylsysteme und Anerkennungspraktiken in Europa haben. All das führt zu einer ungesteuerten Sekundärmigration innerhalb Europas. Dazu kommt noch, dass die Rückführungsmechanismen, die im Dublin-System eigentlich angelegt sind, so nicht funktionieren. All diese Themen müssen wir anpacken, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Als einen Teil davon haben wir mit SPD und Grünen vereinbart, dass wir eine Koalition aufnahmebereiter Mitgliedstaaten schmieden wollen. Da sagen Sie jetzt – das ist Ihr Mantra –, dass ein solches Bündnis im Widerspruch zu einer gesamteuropäischen Lösung in der Asylpolitik stehe, ein nationaler Alleingang sei. Aber genau das ist nicht der Fall. Genau das ist doch das Ziel: den Migrationsdruck von Deutschland zu nehmen und diese Pull-Effekte nicht auszulösen. Da war Ihr eigener Innenminister Horst Seehofer im März 2020 schon mal weiter, der damals aktiv für eine Koalition der Willigen geworben hat.
(Detlef Seif [CDU/CSU]: Das war nur im Notfall!)
Deswegen ziehe ich das Fazit, meine Damen und Herren von der Union: Sie entwickeln in Sachen Gemeinsames Europäisches Asylsystem Ihre Programmatik fort; das ist anzuerkennen. Aber in Sachen Koalition aufnahmebereiter Staaten war Ihr Innenminister in der letzten Wahlperiode schon einmal weiter, als Sie es heute sind. Insofern ist Ihr Antrag ein kleiner Schritt nach vorn, aber zugleich ein großer Schritt zurück.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Frau Kollegin Bünger, der Kollege der AfD-Fraktion hat mich darauf hingewiesen, dass Sie die AfD als „Menschenfeinde“ bezeichnet haben. Ich würde mir das Protokoll geben lassen, um das noch mal nachzulesen, und erlaube mir, mir ordnungsrechtliche Maßnahmen vorzubehalten.
(Deborah Düring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch eine Tatsachenbeschreibung! Haben sie doch heute wieder bewiesen! – Zuruf der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE] – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Das war sachlich!)
Ich erteile das Wort dem nächsten Redner: Josef Oster, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533779 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Europäische Asyl- und Migrationspolitik |