Emmi ZeulnerCDU/CSU - Einrichtungsbezogene Impfpflicht, Fachkräftemangel
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Pandemie gilt wie im Allgemeinen politisch gesehen: Jede getroffene Maßnahme muss ein bestehendes Problem auch tatsächlich lösen. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht, wie sie von dieser Bundesregierung vorgelegt wurde, wirft aber in der Umsetzung mehr Fragen auf, als dass sie Probleme löst.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der AfD: Vollkommen richtig!)
Deshalb bin ich auch unserem bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder dankbar, dass er diese Debatte noch mal aufgemacht hat.
(Heike Baehrens [SPD]: Ist das peinlich! – Zuruf der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Weitere Zurufe von der SPD)
– Das Thema ist leider zu ernst, und das wissen Sie genau.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Heike Baehrens [SPD]: Darum hätte er das nicht machen sollen, wenn die Debatte ernst ist!)
Er hat die Debatte aufgemacht und das angesprochen, was viele hinter vorgehaltener Hand gesagt haben. Landräte, Gesundheitsminister aller Parteien, Einrichtungsvertreter, pflegende Angehörige – alle haben sich gefragt: Wie sieht es in der rechtlichen Umsetzung aus? Welche Konsequenzen hat es? Verliere ich meinen Beruf? Kann ich Pflege noch gewährleisten? Wie sieht es aus mit der Rechtssicherheit und der Handlungsklarheit?
Deshalb ist es wirklich wichtig, dass wir heute darüber reden. Ich bin ihm auch deshalb dankbar, weil wir uns ja als Gesellschaft fest vorgenommen haben, dass wir auf die Pflege zukünftig hören werden, dass wir genau hinhören werden, was Pflege sagt. Da war es schon im letzten Dezember so, dass die Präsidentin des Deutschen Pflegerates gesagt hat, dass sie für eine einrichtungsbezogene Impfpflicht ist. Aber eine allgemeine Impfpflicht muss auf dem Fuße folgen.
(Heike Baehrens [SPD]: Ja, eben!)
Denn die Bewältigung der Pandemie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und keine Einbahnstraße.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Das hat auch viele neue Kollegen dazu bewogen, dieser einrichtungsbezogenen Impfpflicht zuzustimmen – die Protokollerklärungen liegen vor –, weil eben Kanzler Olaf Scholz gesagt hat: Die allgemeine Impfpflicht wird sofort folgen. – Und Fakt ist: Sie tut es nicht.
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Bündnis 90/Die Grünen?
Selbstverständlich.
Frau Zeulner, ich habe Ihre Worte gehört. Sie sagen, ja, Sie stünden zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht; ihr müsse aber eine allgemeine Impfpflicht folgen.
Kann ich aus dieser durchaus nachvollziehbaren Kette schließen, dass Sie erstens als Fraktion der Union dann einem Antrag oder den Gruppenanträgen zur allgemeinen Impfpflicht zustimmen werden?
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zweitens haben Sie gerade auch zu Recht betont, dass mit Ihren Stimmen sowohl im Bundesrat als auch hier im Bundestag die einrichtungsbezogene Impfpflicht ja für alle Fachkräfte, alle Beschäftigten in diesen Einrichtungen beschlossen worden ist. Und schon damals war klar, dass es natürlich Auswirkungen hat, beispielsweise auf ein Arbeitsverhältnis, wenn man das Arbeitsverhältnis gar nicht mehr einlösen kann, wenn man nicht die Sicherheit gewährleisten kann, als Beschäftigter auch tatsächlich eingesetzt zu werden.
Also, diese Fragen waren ja bekannt, von Anfang an. Haben Sie diese Implikationen nicht gesehen, als Sie zugestimmt haben? Haben Sie das alles nicht gewusst, als Sie als CSU sogar sehr, sehr prominent die einrichtungsbezogene Impfpflicht gefordert haben?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Sehr geehrte Frau Kollegin, ich persönlich bin gegen eine allgemeine Impfpflicht, und ich bin auch gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht.
(Beifall bei der AfD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Was sich hier dargestellt hat, ist, dass das Gesetz, das Sie vorgelegt haben, einfach handwerklich schlecht gemacht ist.
(Beifall bei der CDU/CSU – Heike Baehrens [SPD]: Sie haben dem aber zugestimmt! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dem haben Sie aber zugestimmt!)
– Nein, ich habe dem Gesetz nicht zugestimmt. Es ist nämlich nicht nur in Ihrer Partei so, dass wir natürlich Unterschiede in den Nuancen haben, sondern es ist eine gesamtgesellschaftliche Debatte, und die nimmt auf keine Fraktion, auf keine Partei Rücksicht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)
Aber unabhängig davon ist es so – und das ist das, was ich auch formuliert habe –, dass die Bitte besteht, besser auf die Pflege zu hören. Und ich habe nur wiedergegeben, was die Pflegevertreter gesagt haben. Die Präsidentin des Deutschen Pflegerates hat eben ganz klar formuliert: Wir stehen für eine einrichtungsbezogene Impfpflicht; aber eine allgemeine Impfpflicht muss folgen.
(Heike Baehrens [SPD]: So ist es! Wir liefern es!)
Und das liefern Sie nicht; sonst hätten wir sie ja schon.
(Heike Baehrens [SPD]: Das ist ungeheuerlich!)
– Nein, es ist nicht ungeheuerlich, liebe Kollegin Baehrens, sondern ungeheuerlich ist, dass Sie wissen, dass Sie keine Mehrheit für eine allgemeine Impfpflicht haben;
(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)
aber anstatt diese vorzulegen und die Anträge wieder einzukassieren, halten Sie hier das Land in Geiselhaft und suggerieren, dass Sie in der Lage wären, eine allgemeine Impfpflicht durchzusetzen.
(Heike Baehrens [SPD]: Nein!)
Das ist Teil der Wahrheit. 200 Stimmen für die Anträge oder für einen Antrag reichen am Ende des Tages nicht aus; Sie brauchen eine Mehrheit.
Das ist das, was wir von den Regierungsfraktionen erwarten: Legen Sie etwas vor, und dann können wir uns damit kritisch auseinandersetzen. Das wäre Ihre Aufgabe gewesen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)
Ich hätte mir bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht einen vorwärtsgewandten Vorschlag gewünscht. Die Helden der Pandemie – so wird die Pflege bezeichnet –, das sind eben nicht nur die Pflegekräfte, die sich impfen lassen, sondern es sind auch die, die ihren Dienst geleistet haben, als es noch keine Impfung gab.
Erlauben Sie noch eine weitere Zwischenfrage, jetzt aus der FDP-Fraktion?
Eine Zwischenfrage reicht.
(Zurufe von der FDP: Oh!)
– Ja, die FDP braucht jetzt gar nicht so rumzustöhnen. Sie haben im Wahlkampf Werbung gegen die Impfpflicht gemacht,
(Lebhafter Beifall bei der AfD – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
und jetzt haben Sie komplett alles weggewischt. Das haben wir uns als Union nicht getraut; das haben Sie gemacht. Deswegen also ein bisschen Zurückhaltung, weniger Arroganz.
(Lachen bei der SPD)
Die vorwärtsgewandte Lösung ist der § 23 im Infektionsschutzgesetz, und der besagt, dass in Bezug auf Infektionen, egal ob Corona, MRSA oder weitere Infektionen, natürlich alles getan werden muss, um zu verhindern, dass es zu einem Eintrag in die Einrichtungen kommt. Deshalb gibt der § 23 schon heute eine vorwärtsgewandte Lösung her, nämlich dass Pflegepersonal oder auch weitere Kräfte, die neu eingestellt werden, einen gewissen Impfschutz ja auch jetzt – das wurde angesprochen –
Kommen Sie bitte zum Schluss.
– vorweisen müssen, und da kann natürlich auch die Coronaimpfung mit dazukommen.
Fakt ist aber auch: Das, was wir jetzt in der Diskussion haben, ist eine rückwärtsgewandte Debatte; denn wir laufen bei einem Beruf, der ein Mangelberuf ist, Gefahr, dass weitere Betten gesperrt werden müssen. Deshalb bitte ich Sie: Sammeln Sie Ihre Anträge ein, gehen Sie in Klausur, und kommen Sie nach einer Woche wieder, als staatstragende Fraktionen mit einem Vorschlag, –
Danke schön, Frau Kollegin.
– den wir auch besprechen können!
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU – Heike Baehrens [SPD]: Die hat sich echt verabschiedet aus der Verantwortung! – Weitere Zurufe von der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533818 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Einrichtungsbezogene Impfpflicht, Fachkräftemangel |