Jan-Marco LuczakCDU/CSU - Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich gestehe, ich bin jetzt ein bisschen verwirrt angesichts des Schauspiels, was uns die Ampel hier gerade geliefert hat. Die Ampel blinkt: mal rot, mal gelb, mal grün.
(Zuruf von der FDP: Es werde Licht!)
Man weiß gar nicht so richtig, in welche Richtung es geht. Einerseits wird im Koalitionsvertrag gesagt: „Wir prüfen das Vorkaufsrecht“, die anderen sagen: „Nein, das wird zügig kommen“; auch die Ministerin hat das zu einem ihrer prioritären Projekte erkoren. Die einen klatschen, die anderen klatschen nicht. Sie sind noch nicht mal 100 Tage im Amt, und man hat schon das Gefühl: Sie sind in der Schlussphase Ihrer Koalition.
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen des Abg. Dr. Johannes Fechner [SPD])
In der Sache muss man schon sagen: Natürlich sind auch wir als Union gegen Verdrängung. Natürlich wollen wir gemischte, wir wollen bunte, wir wollen lebendige Kieze. Aber wir müssen doch mal ehrlich sein in der Debatte. Was sind denn die geeigneten Instrumente dafür? Und da muss man beim Vorkaufsrecht schon mal ein Fragezeichen dahinter setzen; denn das ist ein, finde ich, symbolhaft überhöhtes Instrument, das weit überschätzt wird im Kampf gegen die Wohnungsknappheit. Es ist am Ende ein teures Instrument. Es ist ein Instrument, das wenigen hilft. Es ist ein Instrument, das die Symptome, aber nicht die Ursachen bekämpft. Und es ist an vielen Stellen auch noch kontraproduktiv.
Die Zahlen, was Berlin anbelangt, sind hier ja auch schon genannt worden: Seit 2015 hat man 2 674 Wohnungen über das Vorkaufsrecht in gemeindliches Eigentum überführt, 530 Millionen Euro hat man dafür ausgegeben. Und jetzt kann man ja mal rechnen: Was heißt denn das eigentlich? Das sind pro Wohnung fast 200 000 Euro.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Dann machen Sie was gegen die Spekulation!)
Wenn man jetzt mal großzügig von einer Haushaltsgröße von zwei Personen ausgeht, dann bedeutet das: Wir haben 100 000 Euro pro Person ausgegeben; das sind Steuergelder, die wir ausgegeben haben.
Jetzt frage ich: Was hätte man mit diesem Geld eigentlich sonst noch alles machen können? Wie viele Belegungsrechte hätte man kaufen können? Wie viel Subjektförderung, höheres Wohngeld hätte man finanzieren können? Nur mal als Beispiel: 250 Euro pro Monat über 30 Jahre hätte man jemandem zahlen können. Ich kann Ihnen sagen: Damit hätte man wirklich Menschen geholfen; aber doch nicht mit diesem Vorkaufsrecht auf Steuerzahlerkosten, das wirklich nur wenigen Menschen geholfen hat,
(Beifall bei der CDU/CSU)
und viele andere haben nichts davon gehabt.
Man könnte auch einen ganz verwegenen Gedanken haben: Was wäre, wenn wir diese halbe Milliarde in den Wohnungsneubau gesteckt hätten, in neue Wohnungen, was wirklich etwas auf den Wohnungsmärkten gebracht hätte? Nichts davon ist passiert.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deswegen ist diese Debatte um das Vorkaufsrecht genau wie die Enteignungsdebatte: Sie ist ideologisch, sie ist populistisch, und am Ende ist sie wirkungslos.
Noch ein Punkt: Am Ende ist es sogar oft noch kontraproduktiv. Denn was passiert unter Bezugnahme auf das Vorkaufsrecht? Die Käufer werden unter fragwürdigen und manchmal rechtsstaatlich durchaus bedenklichen Annahmen und Unterstellungen zum Abschluss von Abwendungsvereinbarungen genötigt. Und was steht in diesen Abwendungsvereinbarungen? Ich weiß nicht, wer sich das schon mal angeschaut hat. Ich habe mir das angeschaut: Da steht eine ganze Menge drin, und zwar vor allen Dingen Verbote, was man alles nicht machen darf. Wir haben schon vom Kollegen Ferlemann von den Fahrstühlen gehört.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Bernhard Daldrup aus der SPD-Fraktion?
Selbstverständlich, immer gerne; ich habe heute auch keinen Plenardienst mehr, Daniel Föst.
Vielen Dank, Herr Luczak, dass Sie die Zwischenfrage gestatten. – Ich wollte eine kleine Relativierung vornehmen, weil wir jetzt im Ausschuss für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung zusammenarbeiten. Herr Ferlemann ist, glaube ich, auch dabei. Er hat ja gerade erklärt, wie die Einheit der Union so aussieht, dass es sozusagen politisch selbstständig denkende Menschen in der Union gibt.
Mehr Einheit als in der Ampel, würde ich sagen.
So viele Unterschiede merke ich da bei Ihnen nicht.
Jetzt geht es hier um die Frage des Vorkaufsrechtes, um eine Regelung im Baugesetzbuch, um die Ausübung der kommunalen Planungshoheit, um kommunale Selbstverwaltung. Es geht um ein Vorkaufsrecht und nicht um eine Vorkaufspflicht.
Warum sind Sie eigentlich so sehr dagegen? Oder besser gesagt: Warum sind Sie so sehr dafür, die Freiheit der kommunalen Selbstverwaltung einzuschränken?
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Warum glauben Sie eigentlich, es wäre ein Akt von politischer Verantwortung, dass Sie den Kommunen vorschreiben können, was sie dürfen und was sie nicht dürfen? Es mag so sein, dass es Fehlentscheidungen beim kommunalen Vorkaufsrecht gibt. Es mag aber auch sein, dass soziales Milieu sozusagen für die Zukunft gesichert worden ist. Aber lassen Sie doch die demokratisch legitimierten Menschen auf kommunaler Ebene darüber entscheiden. Lassen Sie sie doch einfach dieses Recht wahrnehmen. Sonst sagen Sie doch auch immer: Die Kommunen sind nicht das Kellergeschoss der Demokratie, sondern ihr Kern. – Warum sind Sie da so halsstarrig?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Daldrup. – Drei Punkte möchte ich ganz gerne erwidern.
Zum einen, was die Einheit der Union anbelangt, brauchen Sie sich bestimmt keine Gedanken zu machen. Wir sind deutlich einheitlicher als die Ampel, so wie sie sich heute hier präsentiert hat.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Na ja!)
Zum anderen sind Sie ganz offensichtlich einem Missverständnis aufgesessen. Keiner von uns hat hier irgendwie gefordert, das Vorkaufsrecht abzuschaffen.
(Beifall der Abg. Emmi Zeulner [CDU/CSU])
Ich habe das nicht gefordert, der Kollege Ferlemann hat das nicht gefordert, niemand hat das gefordert. Es geht vielmehr darum, dass das Vorkaufsrecht, so wie es jetzt im Baugesetzbuch steht, gilt – in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Es ist zu Recht vom Kollegen Föst von der FDP darauf hingewiesen worden: Es ist in den letzten Jahren rechtswidrig angewendet worden. Jetzt kann man ja darüber diskutieren – das wird in der Ampel ja auch offensichtlich gemacht –; aber ich möchte doch bitte klarstellen: Niemand von uns fordert, das Vorkaufsrecht abzuschaffen.
Zum Dritten. Sie haben mich gefragt, was ich gegen starke Kommunen habe, was ich gegen freie Entscheidungen von Kommunen habe. Ich habe überhaupt nichts dagegen. Ich will aber gerne zugestehen, dass ich ein wenig geprägt bin durch meine Heimatstadt Berlin. Da gibt es insbesondere einen Baustadtrat – Frau Kollegin Bayram, aus Ihrem Wahlkreis, aus Friedrichshain-Kreuzberg;
(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Florian Schmidt!)
Florian Schmidt heißt er; das weiß ich, vielen Dank –, der dieses Vorkaufsrecht und viele andere Instrumente mit der DIESE eG als Aktivist genutzt hat, und zwar nicht nach rechtsstaatlichen Kriterien.
(Zuruf der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Caren Lay [DIE LINKE]: Nein!)
Und das hatte Einfluss auf mein Vertrauen in die Kommunen.
Man sieht an den Diskussionsbeiträgen eigentlich aller Redner der Ampel hier – bis auf Herrn Föst, den ich an der Stelle lobend ausnehmen will –: Alle haben dieses Vorkaufsrecht in Zusammenhang mit Mieterschutz gebracht. Alle haben gesagt, dass es allein um Mieterschutz geht, dass wir das brauchen, um die Bezahlbarkeit des Wohnens herzustellen. Und es wurden viele andere Dinge genannt, die das Vorkaufsrecht in dieser Form aber nicht beinhaltet.
Deswegen sage ich es noch mal: Wir haben nichts gegen das Vorkaufsrecht, wir haben nichts gegen starke Kommunen, wir wollen auch Menschen vor Verdrängung schützen, wir wollen aber die richtigen Instrumente dafür einsetzen, und an der Stelle ist das Vorkaufsrecht eben nicht das richtige Instrument.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Jetzt lassen Sie mich zum Schluss noch zwei Punkte sagen. Ich hatte ja gesagt, das Vorkaufsrecht hat mit Blick auf die Abwendungsvereinbarungen, die Käuferinnen und Käufern aufgenötigt werden, auch kontraproduktive Elemente. Denn was steht da drin? Wir haben von dem Fahrstuhl gehört. Enak Ferlemann hat darauf hingewiesen, dass die alte Dame, die vielleicht im vierten Stock ihre Wohnung hat, nach einer Hüftoperation eben nicht mehr raufkommt, wenn man keinen Fahrstuhl einbauen darf. Was ist mit den Familien, die händeringend nach größeren Wohnungen suchen, wenn sie noch ein Kind bekommen? Sie finden keine, weil man Wohnungen nicht mehr zusammenlegen kann.
(Zuruf von der LINKEN)
Was ist mit der energetischen Modernisierung für den Klimaschutz? In Abwendungsvereinbarungen steht explizit drin: Es darf nicht energetisch modernisiert werden.
Dann frage ich Sie von der Ampel mal nach der Konsistenz: Sie haben in den letzten Tagen ein Papier vorgestellt, nach dem Sie Eigentümer zur Sanierung von Wohnungen zwingen wollen; ansonsten werden Sie sie mit CO2-Mehrkosten belasten. Und jetzt sagen Sie gleichzeitig, Sie wollen das Vorkaufsrecht und damit verbunden Abwendungsvereinbarungen. Aber dadurch verhindern Sie genau das. Das ist doch eine widersprüchliche Politik. Das kostet Akzeptanz, das kostet Glaubwürdigkeit, und das kostet am Ende die Legitimation von Politik. Deswegen ist die Ampel an dieser Stelle nicht glaubwürdig. Und deswegen werden wir diesem Gesetzentwurf, den Die Linke hier eingebracht hat, auch nicht zustimmen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächste Rednerin folgt für Bündnis 90/Die Grünen Hanna Steinmüller.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533829 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten |