Christos PantazisSPD - Genesenen-Status, Vorbereitung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der Union, Planungssicherheit geben, gemeinsam europäisch handeln, Dauer des Genesenenstatus auf 180 Tage anheben sind zentrale Forderungen eines Ihrer hier kurzfristig eingereichten Anträge. Darin beschreiben Sie Folgendes zu Recht: Ja, die Politik hat eine große Verantwortung in der Coronapandemie, und, ja, unsere Entscheidungen haben enorme Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger. Es erstaunt mich aber, dass gerade Sie in Ihrem Antrag Planungssicherheit, Stabilität und gemeinsames Handeln ohne Alleingänge einfordern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Genau das hätten Sie Ihrem Parteifreund und bayerischen Ministerpräsidenten – einem Paradebeispiel für Alleingänge – beizeiten auch mal mitteilen können.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Erstaunt hat mich aber vielmehr Ihre Forderung, den Genesenenstatus nun wieder auf 180 Tage anheben zu wollen. Wissen Sie, was in diesem Zusammenhang sehr erhellend war? Die gestrige Sitzung des Gesundheitsausschusses! Sie waren ja alle dabei. In dieser hat der Präsident des Robert-Koch-Institutes, Professor Wieler, die wissenschaftlichen Hintergründe der Reduzierung des Genesenenstatus auf 90 Tage eindrucksvoll erläutert.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Laut Wieler setzt die Omikron-Variante neue Rahmenbedingungen. Ein neuer Serotyp, eine Immune-Escape-Variante, die die Antikörperbindung sowie die Schutzwirkung massiv reduziert. Daher war, ist und bleibt die Herabsetzung der Dauer des Genesenenstatus aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht auch weiterhin absolut geboten.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Herr Kollege, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Sorge?
Nein, ich bin richtig schön im Fluss, Frau Präsidentin; herzlichen Dank. – Zur Erinnerung: Nicht nur, dass die Staatssekretärin Dittmar die Verkürzung des Genesenenstatus in der Plenardebatte am 13. Januar von dieser Stelle aus klar kommuniziert hat, Sie haben dieser auch zugestimmt und die wissenschaftliche Faktenlage sogar ausdrücklich gelobt, etwas, was Sie nun in Ihrem hier vorliegenden Antrag als – ich zitiere – „schweren politischen Fehler“ bezeichnen. Wenn das keine Politik der inszenierten Empörung ist, was dann?
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Verehrte Union, hinter uns liegen vier gemeinsame Regierungsjahre, zwei davon in einer beispiellosen Krise. Trotz schwieriger Entscheidungen war der politische Grundkonsens unter uns demokratischen Fraktionen immer gegeben. Diesen Konsens haben Sie allerdings zugunsten einer parteipolitischen Instrumentalisierung der Pandemie vor Kurzem aufgekündigt. Das ist nicht nur bedauerlich; das ist in dieser Situation auch in höchstem Maße verantwortungslos. Ihre hier kurzfristig eingebrachten Anträge folgen genau dieser Strategie und gleichen – mit Verlaub – immer mehr einem schlechten Schauspiel, wie es meine Kollegin eben gerade erläutert hat.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Machen Sie mal Ihre Arbeit!)
Beispiel gefällig? Sie kritisieren die Reduzierung des Genesenenstatus im europäischen Kontext als inkonsistent. Dabei ist Ihre Argumentation inkonsistent.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ginge es Ihnen wirklich um einheitliche europäische Regelungen, so müssten Sie auch Aspekte wie die Vereinheitlichung des Impfzertifikats oder der PCR-Testungen ansprechen. Lediglich den Genesenenstatus zu thematisieren, ist nicht nur inkonsistent, sondern auch ein politisch durchschaubares Manöver.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Nicht eine selektive Vereinheitlichung von Regelungen, der Schutz des menschlichen Lebens und die Sicherung unserer kritischen Infrastruktur unter Omikron sollten unsere höchste Priorität darstellen. Deshalb begrüße ich es außerordentlich, dass der Bundesminister sich auf europäischer Ebene auch weiterhin für die Reduzierung des Genesenenstatus einsetzen will. Es wird Sie daher nicht verwundern, dass wir Ihren hier vorliegenden Anträgen selbstverständlich nicht entsprechen.
Den politischen Zickzackkurs, den Sie hier fahren, werden wir nicht unterstützen, sei es in der Frage der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, des Genesenenstatus oder wenn man just erklärt, dass die allgemeine Impfpflicht gescheitert sei. Ihre politische Inszenierung sorgt für Verunsicherung und untergräbt das Vertrauen in unseren Rechtsstaat.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Deshalb – ich komme zum Schluss – sei Ihnen eins ins Stammbuch geschrieben. In der Politik verhält es sich oft wie im Theater: Schlechte Inszenierungen – ich liebe diesen Satz – leeren ein Theater manchmal schneller als so mancher Feueralarm.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Tino Sorge das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533844 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Genesenen-Status, Vorbereitung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht |