Markus TönsSPD - Vereinbarte Debatte - Arbeitsprogramm 2022 der Europäischen Kommission
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute das Arbeitsprogramm der Kommission. Vorweg würde ich gerne eine Bemerkung dazu machen, die mir ein bisschen auf der Seele brennt. Wir diskutieren hier im Parlament jedes Jahr über das Arbeitsprogramm, weil es jedes Jahr eines von der Kommission gibt. Ich finde, das ist richtig. Wir diskutieren in den Ausschüssen über das Programm. Wir schauen uns an, was da passiert. Wir machen das auch in den Landtagen. Aber wir bräuchten dazu auch eine öffentliche Debatte. Denn wenn wir eine größere Vertiefung der Europäischen Union wollen, eine politische Europäische Union, und die Bürgerinnen und Bürger mit der Europäischen Union, mit der Kommission debattieren wollen, dann müssen wir das auch öffentlich debattieren. Ich würde mir sehr stark wünschen, dass solch eine Debatte stattfindet, weil ich glaube, dass sie dazu beitragen würde, mehr Verständnis für die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in der Kommission, aber auch im Parlament in Brüssel und Straßburg zu bekommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Norbert Kleinwächter [AfD]: Wenn die Bürger erfahren, was da läuft, wenden sie sich ab!)
Die EU ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, das beste und wichtigste politische Projekt des vergangenen Jahrhunderts. Sie ist für uns wichtig. Sie ist für uns Europäer, für uns Deutsche wichtig. Sie hat eine zentrale Bedeutung. Deshalb ist auch das Arbeitsprogramm für uns wichtig. Dieses Arbeitsprogramm fällt jetzt in besonders schwierige Zeiten. Ich glaube, dass wir sowieso vor sehr unruhigen Zeiten stehen. Die Pandemie ist noch nicht bewältigt; wir sind dabei, das zu tun. Die Folgen der Pandemie werden uns noch länger belasten. Das Arbeitsprogramm gibt darauf Antworten. Ich glaube, dass wir diese diskutieren und darüber auch durchaus mit der Kommission streiten müssen.
Aber in diese schwierigen Zeiten fällt auch – das will ich sehr deutlich sagen – die Russlandkrise, die Krise im Osten Europas mit der Gefahr, dass ein Land wie die Ukraine in einen Krieg gezogen wird. Dass wir alle davon betroffen sind, steht außer Frage. Somit haben wir, die Europäische Kommission wie die Europäische Union, auch eine Verantwortung hierfür. Wenn wir mit den osteuropäischen Staaten reden und über Verantwortung sprechen, dann hat das auch viel mit unserer eigenen Verantwortung vor dem Rechtsstaat zu tun. Deshalb sind der vorhin von der Ministerin zitierte Rechtsstaatsmechanismus und das entsprechende EuGH-Urteil, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, von zentraler Bedeutung; denn hier wurde klargemacht, dass Sanktionen möglich sind. Wir haben hier Verantwortung. Rechtsstaat, Pressefreiheit, die Rechte von Minderheiten und Menschenrechte sind schlichtweg nicht verhandelbar und schon gar nicht in einer demokratischen Europäischen Union.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wenn wir von einer Wertegemeinschaft und von gemeinsamen Werten reden, dann lassen Sie mich eines dazu sagen: Wer in Europa davon träumt, eine illiberale Demokratie zu schaffen, dem muss gesagt sein, dass das mit uns nicht zu machen ist; denn das ist keine Demokratie, das hat mit Demokratie überhaupt nichts zu tun.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Norbert Kleinwächter [AfD]: Brüssel hat mit Demokratie überhaupt nichts zu tun!)
An dieser Stelle möchte ich für einige, die hier auch gerne mal dazwischenrufen, ein Zitat nennen. Sie haben dem Bundespräsidenten nach seiner Wiederwahl vielleicht zugehört. Herr Steinmeier – ich will ihn gerne zitieren – hat von Verantwortung gesprochen:
Meine Verantwortung gilt allen Menschen, die in unserem Lande leben. – Überparteilich werde ich sein, ja, aber ich bin nicht neutral, wenn es um die Sache der Demokratie geht. Wer für die Demokratie streitet, der hat mich auf seiner Seite. Wer sie angreift, wird mich als Gegner haben.
Das gilt für uns alle in diesem Land: dass wir uns um die Demokratie nicht nur in Europa, in der Europäischen Union, sondern auch darüber hinaus kümmern. Das ist eine zentrale Aufgabe der Europäischen Union und gerade von uns Deutschen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Lassen Sie mich noch einige Anmerkungen zu dem Arbeitsprogramm machen. Es geht hier vor allem darum, dass wir ein stabiles Europa auch mit geregelten Handelsbeziehungen haben. Die EU hat 46 Abkommen mit 78 Partnern. Schon das zeigt, dass wir da eine herausragende Rolle spielen. Es ist europäische Kompetenz, die Handelsverträge zu machen. Das heißt, wir begleiten sie. Wir sollten sehr genau drauf achten. Denn worum geht es zukünftig? Es geht darum, dass wir es auf europäischer Ebene mit unseren Partnern schaffen, eine Reform der WTO hinzubekommen. Der jetzige Zustand der WTO ist nicht so, wie wir ihn uns wünschen.
Wir brauchen eine Vertiefung der Partnerschaften der EU mit Nachbarstaaten – auch das ist wichtig –, unter anderem mit den Erweiterungsländern, aber auch mit den Ländern Afrikas. Ich bin froh, dass die französische Ratspräsidentschaft Afrika wieder in den Fokus nimmt. Das ist zentral für uns.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dies alles sind wichtige Aspekte. Es ist eine ambitionierte Strategie, damit umzugehen. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass wir auch schon abgeschlossene oder im Abschluss befindliche Handelsverträge haben, zum Beispiel einen mit den Mercosur-Staaten und auch CETA, zu dem es wahrscheinlich demnächst ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts geben wird.
Zum Schluss will ich Ihnen nur noch eines sagen. Die Neuausrichtung der Handelsstrategie ist ein wichtiger Schritt. Hierbei haben wir effektive Nachhaltigkeitsstandards und Streitbeilegungsmechanismen zu berücksichtigen. Aus meiner Sicht ist ganz wichtig: Wir brauchen gut funktionierende internationale Handelsnetzwerke, nicht nur um unseren Wohlstand und unseren Frieden zu sichern, sondern auch die Werte der Europäischen Union. Dafür streiten wir alle, zumindest die Demokraten in diesem Haus.
Vielen Dank und Glück auf!
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Dr. Harald Weyel. Der Kollege spricht von oben.
(Beifall bei der AfD)
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Electoral Period | 20 |
Session | 18 |
Agenda Item | Vereinbarte Debatte - Arbeitsprogramm 2022 der Europäischen Kommission |