27.02.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 19 / Tagesordnungspunkt 1

Olaf Scholz - Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler zur aktuellen Lage

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Der 24. Februar 2022 markiert eine Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinents. Mit dem Überfall auf die Ukraine hat der russische Präsident Putin kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen – aus einem einzigen Grund: Die Freiheit der Ukrainerinnen und Ukrainer stellt sein eigenes Unterdrückungsregime infrage. Das ist menschenverachtend. Das ist völkerrechtswidrig. Das ist durch nichts und niemanden zu rechtfertigen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Die schrecklichen Bilder aus Kiew, Charkiw, Odessa und Mariupol zeigen die ganze Skrupellosigkeit Putins. Die himmelschreiende Ungerechtigkeit, der Schmerz der Ukrainerinnen und Ukrainer, sie gehen uns allen sehr nahe.

Ich weiß genau, welche Fragen sich die Bürgerinnen und Bürger in diesen Tagen abends am Küchentisch stellen, welche Sorgen sie umtreiben angesichts der furchtbaren Nachrichten aus dem Krieg. Viele von uns haben noch die Erzählungen unserer Eltern oder Großeltern im Ohr vom Krieg, und für die Jüngeren ist es kaum fassbar: Krieg in Europa. Viele von ihnen verleihen ihrem Entsetzen Ausdruck – überall im Land, auch hier in Berlin.

Wir erleben eine Zeitenwende. Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor. Im Kern geht es um die Frage, ob Macht das Recht brechen darf, ob wir es Putin gestatten, die Uhren zurückzudrehen in die Zeit der Großmächte des 19. Jahrhunderts, oder ob wir die Kraft aufbringen, Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Das setzt eigene Stärke voraus.

(Zurufe von der AfD: Eben!)

Ja, wir wollen und wir werden unsere Freiheit, unsere Demokratie und unseren Wohlstand sichern. Ich bin Ihnen, Frau Präsidentin, sehr dankbar, dass ich die Vorstellungen der Bundesregierung dazu heute in dieser Sondersitzung mit Ihnen teilen kann. Auch den Vorsitzenden aller demokratischen Fraktionen dieses Hauses danke ich dafür, dass sie diese Sitzung unterstützt haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, mit dem Überfall auf die Ukraine will Putin nicht nur ein unabhängiges Land von der Weltkarte tilgen. Er zertrümmert die europäische Sicherheitsordnung, wie sie seit der Schlussakte von Helsinki fast ein halbes Jahrhundert Bestand hatte. Er stellt sich auch ins Abseits der gesamten internationalen Staatengemeinschaft.

Weltweit haben unsere Botschaften in den vergangenen Tagen gemeinsam mit Frankreich dafür geworben, die russische Aggression im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als das zu benennen, was sie ist: ein infamer Völkerrechtsbruch. Wenn man sich das Ergebnis der Sicherheitsratssitzung in New York anschaut, durchaus mit Erfolg. Die Beratungen haben gezeigt: Wir stehen keineswegs allein in unserem Einsatz für den Frieden. Wir werden ihn fortsetzen mit aller Kraft. Für das, was sie dort zustande gebracht hat, bin ich Außenministerin Baerbock sehr dankbar.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nur mit der Notbremse seines Vetos konnte Moskau – immerhin ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates – die eigene Verurteilung verhindern. Was für eine Schande!

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Präsident Putin redet dabei stets von unteilbarer Sicherheit. Tatsächlich aber will er gerade den Kontinent mit Waffengewalt in altbekannte Einflusssphären teilen. Das hat Folgen für die Sicherheit in Europa. Ja, dauerhaft ist Sicherheit in Europa nicht gegen Russland möglich. Auf absehbare Zeit aber gefährdet Putin diese Sicherheit. Das muss klar ausgesprochen werden.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der LINKEN)

Wir nehmen die Herausforderung an, vor die die Zeit uns gestellt hat – nüchtern und entschlossen.

Fünf Handlungsaufträge liegen nun vor uns.

Erstens. Wir müssen die Ukraine in dieser verzweifelten Lage unterstützen. Das haben wir auch in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren in großem Umfang getan. Aber mit dem Überfall auf die Ukraine sind wir in einer neuen Zeit. In Kiew, Charkiw, Odessa und Mariupol verteidigen die Menschen nicht nur ihre Heimat. Sie kämpfen für Freiheit und ihre Demokratie, für Werte, die wir mit ihnen teilen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Als Demokratinnen und Demokraten, als Europäerinnen und Europäer stehen wir an ihrer Seite, auf der richtigen Seite der Geschichte.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Am Donnerstag hat Präsident Putin mit seinem Überfall auf die Ukraine eine neue Realität geschaffen. Diese neue Realität erfordert eine klare Antwort. Wir haben sie gegeben: Wie Sie wissen, haben wir gestern entschieden, dass Deutschland der Ukraine Waffen zur Verteidigung des Landes liefern wird.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Auf Putins Aggression konnte es keine andere Antwort geben.

Meine Damen und Herren, unser zweiter Handlungsauftrag ist, Putin von seinem Kriegskurs abzubringen. Der Krieg ist eine Katastrophe für die Ukraine. Aber der Krieg wird sich auch als Katastrophe für Russland erweisen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Gemeinsam mit den EU-Staats- und -Regierungschefs haben wir ein Sanktionspaket von bisher unbekanntem Ausmaß verabschiedet. Wir schneiden russische Banken und Staatsunternehmen von der Finanzierung ab. Wir verhindern den Export von Zukunftstechnologien nach Russland. Wir nehmen die Oligarchen und ihre Geldanlagen in der EU ins Visier. Hinzu kommen die Strafmaßnahmen gegen Putin und Personen in seinem direkten Umfeld sowie Einschränkungen bei der Visavergabe für russische Offizielle.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und wir schließen wichtige russische Banken vom Bankenkommunikationsnetz SWIFT aus. Darauf haben wir uns gestern mit den Staats- und Regierungschefs der wirtschaftlich stärksten Demokratien und der EU verständigt.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Machen wir uns nichts vor: Putin wird seinen Kurs nicht über Nacht ändern. Doch schon sehr bald wird die russische Führung spüren, welch hohen Preis sie bezahlt. Allein in der letzten Woche haben russische Börsenwerte um über 30 Prozent nachgegeben. Das zeigt: Unsere Sanktionen wirken. Und wir behalten uns weitere Sanktionen vor, ohne irgendwelche Denkverbote.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Unsere Richtschnur bleibt die Frage: Was trifft die Verantwortlichen am härtesten? Die, um die es geht, und nicht das russische Volk!

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Denn Putin, nicht das russische Volk, hat sich für den Krieg entschieden. Deshalb gehört es deutlich ausgesprochen: Dieser Krieg ist Putins Krieg.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Die Differenzierung ist mir wichtig; denn die Aussöhnung zwischen Deutschen und Russen nach dem Zweiten Weltkrieg ist und bleibt ein wichtiges Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Und ich weiß, wie schwierig die derzeitige Situation gerade für die vielen Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu ertragen ist, die in der Ukraine oder in Russland geboren sind. Darum werden wir nicht zulassen, dass dieser Konflikt zwischen Putin und der freien Welt zum Aufreißen alter Wunden und zu neuen Verwerfungen führt.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Noch etwas sollten wir nicht vergessen: In vielen russischen Städten haben Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Tagen gegen Putins Krieg protestiert, haben Verhaftung und Bestrafung in Kauf genommen.

(Zuruf von der AfD: Wie hier!)

Das erfordert großen Mut und große Tapferkeit.

(Langanhaltender Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD – Die Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN sowie Abgeordnete der AfD erheben sich)

Deutschland steht heute an der Seite der Ukrainerinnen und der Ukrainer. Unsere Gedanken und unser Mitgefühl gelten heute den Opfern des russischen Angriffskriegs. Genauso stehen wir an der Seite all jener in Russland, die Putins Machtapparat mutig die Stirn bieten und seinen Krieg gegen die Ukraine ablehnen. Wir wissen: Sie sind viele.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ihnen allen sage ich: Geben Sie nicht auf! Ich bin ganz sicher: Freiheit, Toleranz und Menschenrechte werden sich auch in Russland durchsetzen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Meine Damen und Herren, die dritte große Herausforderung liegt darin, zu verhindern, dass Putins Krieg auf andere Länder in Europa übergreift. Das bedeutet: Ohne Wenn und Aber stehen wir zu unserer Beistandspflicht in der NATO.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das habe ich auch unseren Alliierten in Mittel- und Osteuropa gesagt, die sich um ihre Sicherheit sorgen. Präsident Putin sollte unsere Entschlossenheit nicht unterschätzen, gemeinsam mit unseren Alliierten jeden Quadratmeter des Bündnisgebietes zu verteidigen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir meinen das sehr ernst. Mit der Aufnahme eines Landes in die NATO ist unser Wille als Bündnispartner verbunden, dieses Land zu verteidigen, und zwar so wie uns selbst.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Bundeswehr hat ihre Unterstützung für die östlichen Bündnispartner bereits ausgeweitet und wird das weiter tun. Für dieses wichtige Signal danke ich der Bundesverteidigungsministerin. In Litauen, wo wir den Einsatzverband der NATO führen, haben wir unsere Truppe aufgestockt. Unseren Einsatz beim Air Policing in Rumänien haben wir verlängert und ausgeweitet. Wir wollen uns am Aufbau einer neuen NATO-Einheit in der Slowakei beteiligen. Unsere Marine hilft mit zusätzlichen Schiffen bei der Sicherung von Nord- und Ostsee und im Mittelmeer. Und wir sind bereit, uns mit Luftabwehrraketen auch an der Verteidigung des Luftraumes unserer Alliierten in Osteuropa zu beteiligen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Unsere Soldatinnen und Soldaten haben in den vergangenen Tagen oft nur wenig Zeit gehabt, sich auf diese Einsätze vorzubereiten. Ich sage ihnen, sicher auch in Ihrem Namen: Danke!

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Danke für ihren wichtigen Dienst gerade in diesen Tagen.

Meine Damen und Herren, angesichts der Zeitenwende, die Putins Aggression bedeutet, lautet unser Maßstab: Was für die Sicherung des Friedens in Europa gebraucht wird, das wird getan. Deutschland wird dazu seinen solidarischen Beitrag leisten. Das heute klar und unmissverständlich festzuhalten, reicht aber nicht aus; denn dafür braucht die Bundeswehr neue, starke Fähigkeiten.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN -Zurufe von der AfD: Aha! – Oha!)

Und das ist mein viertes Anliegen, meine Damen und Herren. Wer Putins historisierende Abhandlungen liest,

(Zuruf von der AfD)

wer seine öffentliche Kriegserklärung an die Ukraine im Fernsehen gesehen hat oder wer wie ich kürzlich persönlich mit ihm stundenlang gesprochen hat, der kann keinen Zweifel mehr haben: Putin will ein russisches Imperium errichten. Er will die Verhältnisse in Europa nach seinen Vorstellungen grundlegend neu ordnen, und dabei schreckt er nicht zurück vor militärischer Gewalt. Das sehen wir heute in der Ukraine.

Wir müssen uns daher fragen: Welche Fähigkeiten besitzt Putins Russland, und welche Fähigkeiten brauchen wir, um dieser Bedrohung zu begegnen, heute und in der Zukunft?

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Klar ist: Wir müssen deutlich mehr in die Sicherheit unseres Landes investieren, um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Kleinwächter [AfD]: Guten Morgen, Herr Bundeskanzler!)

Das ist eine große nationale Kraftanstrengung. Das Ziel ist eine leistungsfähige, hochmoderne, fortschrittliche Bundeswehr, die uns zuverlässig schützt.

(Lachen bei der AfD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Das dauert Jahre! – Gegenruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD]: Die wir leider nicht haben!)

Ich habe bei der Münchner Sicherheitskonferenz vor einer Woche gesagt: Wir brauchen Flugzeuge, die fliegen, Schiffe, die in See stechen,

(Beifall bei der AfD)

und Soldatinnen und Soldaten, die für ihre Einsätze optimal ausgerüstet sind.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])

Darum geht es, und das ist ja wohl erreichbar für ein Land unserer Größe und unserer Bedeutung in Europa.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber machen wir uns nichts vor: Bessere Ausrüstung, modernes Einsatzgerät, mehr Personal – das kostet viel Geld.

(Zuruf von der AfD: Dann sollten Sie den Tag nutzen!)

Wir werden dafür ein Sondervermögen Bundeswehr einrichten, und ich bin Bundesfinanzminister Lindner sehr dankbar für seine Unterstützung dabei.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Bundeshaushalt 2022 wird dieses Sondervermögen einmalig mit 100 Milliarden Euro ausstatten.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Mittel werden wir für notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben nutzen.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der AfD – Abgeordnete der SPD, der CDU/CSU und der FDP erheben sich)

Meine Damen und Herren, ich richte mich hier an alle Fraktionen des Deutschen Bundestages: Lassen Sie uns das Sondervermögen im Grundgesetz absichern.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Das sind ständige Aufgaben!)

Eines will ich hinzufügen: Wir streben dieses Ziel nicht nur an, weil wir bei unseren Freunden und Alliierten im Wort stehen, unsere Verteidigungsausgaben bis 2024 auf 2 Prozent unserer Wirtschaftsleistung zu steigern. Wir tun dies auch für uns, für unsere eigene Sicherheit,

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

wohl wissend, dass sich nicht alle Bedrohungen der Zukunft mit den Mitteln der Bundeswehr einhegen lassen. Deshalb brauchen wir eine starke Entwicklungszusammenarbeit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb werden wir unsere Resilienz stärken, technisch und gesellschaftlich, zum Beispiel gegen Cyberangriffe und Desinformationskampagnen, gegen Angriffe auf unsere kritische Infrastruktur und Kommunikationswege. Und wir werden technologisch auf der Höhe der Zeit bleiben.

(Zuruf von der AfD: Bleiben?)

Darum ist es mir zum Beispiel so wichtig, dass wir die nächste Generation von Kampfflugzeugen und Panzern gemeinsam mit europäischen Partnern und insbesondere Frankreich hier in Europa bauen. Diese Projekte haben oberste Priorität für uns.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Bis die neuen Flugzeuge einsatzbereit sind, werden wir den Eurofighter gemeinsam weiterentwickeln.

Gut ist auch, dass die Verträge zur Eurodrohne in dieser Woche endlich unterzeichnet werden konnten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der AfD)

Auch die Anschaffung der bewaffneten Heron-Drohne aus Israel treiben wir voran.

(Beifall bei der SPD und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Man glaubt’s ja nimmer!)

Für die nukleare Teilhabe werden wir rechtzeitig einen modernen Ersatz für die veralteten Tornado-Jets beschaffen. Der Eurofighter soll zu Electronic Warfare befähigt werden. Das Kampfflugzeug F‑35 kommt als Trägerflugzeug in Betracht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und schließlich, meine Damen und Herren, werden wir mehr tun, um eine sichere Energieversorgung unseres Landes zu gewährleisten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Dr. Götz Frömming [AfD]: Aha! Wie denn?)

Eine wichtige Maßnahme dazu hat die Bundesregierung bereits auf den Weg gebracht. Und wir werden umsteuern – umsteuern, um unsere Importabhängigkeit von einzelnen Energielieferanten zu überwinden.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen haben uns doch gezeigt: Eine verantwortungsvolle, vorausschauende Energiepolitik ist nicht nur entscheidend für unsere Wirtschaft und unser Klima,

(Zuruf von der AfD: Hört! Hört!)

sondern entscheidend auch für unsere Sicherheit. Deshalb gilt: Je schneller wir den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben, desto besser.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und wir sind auf dem richtigen Weg. Wir wollen als Industrieland bis 2045 CO2-neutral werden.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mit diesem Ziel vor Augen werden wir wichtige Entscheidungen treffen müssen, etwa eine Kohle- und Gasreserve aufzubauen. Wir haben beschlossen, die Speichermenge an Erdgas über sogenannte Long Term Options um 2 Milliarden Kubikmeter zu erhöhen. Zudem werden wir rückgekoppelt mit der EU zusätzliches Erdgas auf den Weltmärkten erwerben.

(Zuruf von der AfD: Woher?)

Schließlich haben wir die Entscheidung getroffen, zwei Flüssiggasterminals, LNG-Terminals, in Brunsbüttel und Wilhelmshaven schnell zu bauen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Bundeswirtschaftsminister Habeck möchte ich für seinen Einsatz dabei ganz ausdrücklich danken.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das, was nun kurzfristig notwendig ist, lässt sich mit dem verbinden, was langfristig ohnehin gebraucht wird für den Erfolg der Transformation. Ein LNG-Terminal, in dem wir heute Gas ankommen lassen, kann morgen auch Grünen Wasserstoff aufnehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und natürlich behalten wir bei all dem die hohen Energiepreise im Blick. Putins Krieg hat sie zuletzt noch weiter steigen lassen. Deshalb haben wir in dieser Woche ein Entlastungspaket vereinbart: mit der Abschaffung der EEG-Umlage noch in diesem Jahr, einer Erhöhung der Pendlerpauschale, einem Heizkostenzuschuss für Geringverdiener, Zuschüssen für Familien und steuerlichen Entlastungen.

(Petr Bystron [AfD]: Wo nehmen Sie das Geld eigentlich her?)

Die Bundesregierung wird das schnell auf den Weg bringen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Unsere Botschaft ist klar: Wir lassen die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen in dieser Lage nicht allein.

Meine Damen und Herren, die Zeitenwende trifft nicht nur unser Land; sie trifft ganz Europa. Und auch darin stecken Herausforderung und Chance zugleich. Die Herausforderung besteht darin, die Souveränität der Europäischen Union nachhaltig und dauerhaft zu stärken. Die Chance liegt darin, dass wir die Geschlossenheit wahren, die wir in den letzten Tagen unter Beweis gestellt haben, Stichwort „Sanktionspaket“. Für Deutschland und für alle anderen Mitgliedsländer der EU heißt das, nicht bloß zu fragen, was man für das eigene Land in Brüssel herausholen kann, sondern zu fragen: Was ist die beste Entscheidung für die Union?

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Europa ist unser Handlungsrahmen. Nur wenn wir das begreifen, werden wir vor den Herausforderungen unserer Zeit bestehen.

Damit bin ich beim fünften und letzten Punkt. Putins Krieg bedeutet eine Zäsur, auch für unsere Außenpolitik. So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv zu sein, dieser Anspruch bleibt. Nicht naiv zu sein, das bedeutet aber auch, kein Reden um des Redens willen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für echten Dialog braucht es die Bereitschaft dazu auf beiden Seiten. Daran mangelt es aufseiten Putins ganz offensichtlich, und das nicht erst in den letzten Tagen und Wochen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Was heißt das für die Zukunft? Wir werden uns Gesprächen mit Russland nicht verweigern. Auch in dieser extremen Lage ist es die Aufgabe der Diplomatie, Gesprächskanäle offenzuhalten. Alles andere halte ich für unverantwortlich.

Meine Damen und Herren, wir wissen, wofür wir einstehen, auch angesichts unserer eigenen Geschichte. Wir stehen ein für den Frieden in Europa. Wir werden uns nie abfinden mit Gewalt als Mittel der Politik. Wir werden uns immer starkmachen für die friedliche Lösung von Konflikten. Und wir werden nicht ruhen, bis der Frieden in Europa gesichert ist.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dabei stehen wir nicht allein, sondern zusammen mit unseren Freunden und Partnern in Europa und weltweit. Unsere größte Stärke sind unsere Bündnisse und Allianzen. Ihnen verdanken wir das große Glück, das unser Land seit über 30 Jahren genießt: in einem vereinten Land zu leben, in Wohlstand und Frieden mit unseren Nachbarn.

Wenn wir wollen, dass diese letzten 30 Jahre keine historische Ausnahme bleiben, dann müssen wir alles tun für den Zusammenhalt der Europäischen Union, für die Stärke der NATO, für noch engere Beziehungen zu unseren Freunden, Partnern und Gleichgesinnten weltweit. Ich bin voller Zuversicht, dass uns das gelingt. Denn selten waren wir und unsere Partner so entschlossen und so geschlossen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Uns eint in diesen Tagen: Wir wissen um die Stärke freier Demokratien. Wir wissen: Was von einem breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens getragen wird, das hat Bestand, auch in dieser Zeitenwende und darüber hinaus. Deshalb danke ich Ihnen und allen Fraktionen dieses Hauses, die den russischen Überfall auf die Ukraine entschieden als das verurteilt haben, was er ist: ein durch nichts zu rechtfertigender Angriff auf ein unabhängiges Land, auf die Friedensordnung in Europa und in der Welt. Der heutige Entschließungsantrag bringt das klar zum Ausdruck.

Ich danke allen, die in diesen Tagen Zeichen setzen gegen Putins Krieg und die sich hier in Berlin und anderswo zu friedlichen Kundgebungen versammeln. Und ich danke allen, die in diesen Zeiten mit uns einstehen für ein freies und offenes, gerechtes und friedliches Europa. Wir werden es verteidigen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Die Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP erheben sich)

Vielen Dank, Herr Bundeskanzler. – Sie müssten Ihre Maske wieder aufsetzen; vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7534034
Wahlperiode 20
Sitzung 19
Tagesordnungspunkt Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler zur aktuellen Lage
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