27.02.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 19 / Tagesordnungspunkt 1

Johann WadephulCDU/CSU - Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler zur aktuellen Lage

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen Kollegen! Ich glaube, Herr Ministerpräsident, genau in dieser Tonalität sollten wir auch die Debatte miteinander führen. Sie hat gezeigt, dass es richtig ist, in dieser Situation zusammenzustehen. Der Bundeskanzler hat dazu heute eine bemerkenswerte Rede gehalten. Es ist ein geopolitischer Amoklauf, den Präsident Putin veranstaltet, und dem müssen wir uns in der Mitte des Hauses gemeinsam entgegenstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die Debatte hat erneut gezeigt, dass links und rechts in diesem Haus Parlamentarierinnen und Parlamentarier sitzen, die ihrer Aufgabe nicht gerecht werden. Ich muss sagen: Was wir hier insbesondere an Stimmen aus der AfD-Fraktion heute wieder gehört haben, schlägt dem Fass den Boden aus. Es ist widerlich, sich anhören zu müssen, dass Sie angesichts dieses Angriffskrieges sogar der Bundesregierung eine Mitverantwortung geben wollen, angesichts der Begründung, die der russische Präsident für seinen Angriffskrieg gegeben hat, es müsse eine Entnazifizierung in der Ukraine stattfinden, die von einem Präsidenten mit jüdischer Abstammung geführt wird. Das ist an Perfidie nicht zu überbieten. Wir müssen als Demokratinnen und Demokraten zusammenstehen, damit solche Leute nie wieder Verantwortung übernehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Und: Wir müssen gemeinsam handeln. Genau deswegen glaube ich auch, wir alle hier in der Mitte des Hauses sind aufgefordert, zusammenzustehen. Es hat ja nachhaltige Aufforderungen dazu in unsere Richtung gegeben. Die CDU/CSU-Fraktion ist im Geiste der bisherigen Beratung dazu bereit, und ich schlage vor, Frau Kollegin Haßelmann, dass wir uns an der Stelle auch nicht voneinander trennen. Das ist genau das, was Friedrich Merz heute angeboten hat und was wir – natürlich ohne Aufgabe unserer parlamentarischen Oppositionsrechte – machen. Wir kennen uns seit vielen Jahren, in denen Sie hier als wirklich strikte Verfechterin der Wahrnehmung von oppositionellen Rechten aufgetreten sind. Die CDU Deutschlands hat gestern eine Mahnwache abgehalten, und dort hat Friedrich Merz gesprochen. Das hat er hier heute für gut befunden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schöne Sache!)

Deswegen – das will ich ganz ehrlich sagen – war es absolut daneben, uns so etwas vorzuwerfen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Saskia Esken [SPD])

Wenn man einer Partei so etwas nicht vorwerfen kann, dann der CDU unter Führung von Friedrich Merz.

(Dorothee Bär [CDU/CSU], an die Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] gewandt: Peinlich!)

Der Punkt ist nur: Wir müssen gemeinsam handeln. Einen großen Handlungsbedarf, nämlich im Bereich der Verteidigungspolitik, hat der Herr Bundeskanzler angesprochen. Er hat hier – das Wort „Bazooka“ passt jetzt an der Stelle nicht; das haben Sie an anderer Stelle benutzt, und ich will es ausdrücklich nicht verwenden – eine bessere finanzielle Ausstattung der Bundeswehr zugesagt. Danach sollen 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung niemals mehr unterschritten werden und 100 Milliarden Euro in einem Sondervermögen bereitgestellt werden. Das ist eine große Ansage, und darüber können wir miteinander reden. Nur: Mir fällt auf, dass außer dem Fraktionsvorsitzenden der Freien Demokraten bisher keine Parteivorsitzende und kein Parteivorsitzender aus den Koalitionsfraktionen, auch nicht der Fraktionsvorsitzende der SPD, diese Ankündigung begrüßt und unterstützt hat. Das fällt mir auf, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Saskia Esken [SPD])

Die Zurückhaltung in der Grünenfraktion, als der Herr Bundeskanzler genau das gesagt hat, ist schon sehr auffällig gewesen.

(Beifall des Abg. Patrick Schnieder [CDU/CSU])

Sie haben uns bei sich, wenn es darum geht, jetzt geschlossen zu reagieren. Sie haben uns bei sich, wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht. Aber wir müssen auch zusammenstehen, wenn es konkret wird – nicht dass es wieder mit Gruppenanträgen losgeht, wenn es um die Förderung der Bundeswehr und die Erhöhung des Verteidigungsetats geht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Da brauchen Sie Ihre eigene Mehrheit, und da verlangen wir von Ihnen, dass Sie stehen.

(Zuruf der Abg. Saskia Esken [SPD])

– Ich kann es nicht anders sagen, Frau Esken. Es gab zahlreiche Reden, Herr Kollege Mützenich, in denen Sie hätten sagen können, dass Sie all das hundertprozentig unterstützen.

(Saskia Esken [SPD]: Ja, haben wir!)

Wir warten darauf. Bitte schön, machen Sie es!

Ich will etwas zum Thema Abschreckung sagen, Herr Kollege Mützenich, weil Sie sich – das haben Sie heute nicht wiederholt – in vergangener Zeit schon dazu eingelassen haben. Es ist nicht schön, aber Abschreckung ist leider notwendig, damit man nicht erst in diese moralischen Abwägungen hineinkommt, die Robert Habeck hinsichtlich der Waffenlieferungen heute sehr treffend umschrieben hat. Das Verrückte, das Perfide ist doch, dass die Ukraine jetzt dafür bestraft wird, dass sie 1994 Nuklearwaffen abgegeben hat.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: So ist das! Genau so ist das!)

Diese Rechnung darf doch nicht aufgehen!

Herr Kollege Mützenich, ich möchte bei aller Freundschaft zwischen uns, die wir den politischen Diskurs miteinander führen, sagen: Deswegen kann man sich doch nicht hinstellen und sagen: Nukleare Abschreckung funktioniert nicht. – Leider funktioniert sie doch, und deswegen brauchen wir Deutschen sie. Deswegen braucht auch die NATO die nukleare Abschreckung: damit wir den Russen nicht ausgeliefert sind.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Da wird es jetzt sehr konkret werden, und wir messen Sie daran, wie Sie sich dazu verhalten.

Wir sind der Meinung – das hat der Fraktionsvorsitzende für meine Fraktion angekündigt –: Über alles kann man reden, auch über Sonderfonds; natürlich. Aber dann muss es ein Gesamtkonzept geben, insbesondere was die Bundeswehr betrifft, in das wir auch eingebunden werden. Einen Blankoscheck der CDU/CSU-Fraktion, den Sie dann irgendwie verwenden, wird es nicht geben. Wir verlangen, in die Diskussion einbezogen zu werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn wir gemeinsam so handeln, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann können wir dafür sorgen, dass ein möglicher militärischer Sieg, der Putin vielleicht gelingen könnte – wir hoffen es alle nicht –, in jedem Fall ein Pyrrhussieg sein wird. Dieser Mann muss sich verantworten, nicht nur vor dem russischen Volk, Kolleginnen und Kollegen der AfD, sondern vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Da gehört er hin.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Wadephul. – Nächster Redner ist der Kollege Rüdiger Lucassen, AfD-Fraktion, von der Tribüne.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7534050
Wahlperiode 20
Sitzung 19
Tagesordnungspunkt Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler zur aktuellen Lage
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