Dirk WieseSPD - Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler zur aktuellen Lage
Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Eure Exzellenz Botschafter Melnyk! Dieser Krieg ist Putins Krieg. Dieser Angriffskrieg gegen die Ukraine ist völkerrechtswidrig, eine Schande und in keiner Weise zu rechtfertigen, vor allem nicht historisch. Er ist real und findet in unserer Nachbarschaft statt.
Die Zeichen waren da, die Truppen standen bereit. Warum haben wir Putin dennoch unterschätzt? Weil wir vielleicht unsere Analyse zu sehr auf die vermeintliche Rationalität der Akteure gestützt haben, weil wir die Kaltblütigkeit und die imperialistischen und revisionistischen Großmachtgedanken Putins unterschätzt haben, weil wir es vielleicht auch nicht wahrhaben wollten. Dabei ist Putins Krieg die Fortsetzung der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim. Er ist die Fortsetzung der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine; nicht zu vergessen: die Verletzung der territorialen Integrität von Georgien. Er ist auf das Schärfste zu verurteilen und eine Sackgasse jedweder Auseinandersetzung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Putin bringt fürchterliches Leid über die Menschen in der Ukraine. Ihnen gilt unsere uneingeschränkte Solidarität – ihnen und den mutigen Russinnen und Russen, die in diesen Stunden gegen ein autoritäres und despotisches Regime aufbegehren, ihnen, die in Kenntnis von Polizeigewalt und Repressalien in Russland trotzdem für den Frieden auf die Straßen gehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser russische Angriffskrieg wird auch massive Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland und auf Fluchtbewegungen in Europa haben. Hierauf bereiten wir uns vor, und wir werden denjenigen, die Schutz bei uns suchen, helfen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Unsere Sicherheitsbehörden haben sich bereits intensiv auf alle denkbaren Szenarien vorbereitet und Schutzmaßnahmen hochgefahren. Ich bin Bundesinnenministerin Nancy Faeser dankbar, dass sie bereits mit den Landesinnenministern in einem sehr engen Austausch steht und sich auf europäischer Ebene engmaschig mit unseren Verbündeten koordiniert, auch jetzt, in diesen Stunden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin auch unseren Städten und Gemeinden dankbar – ich nenne stellvertretend für viele den Arnsberger Bürgermeister Ralf Paul Bittner –, die bereits klar zum Ausdruck gebracht haben, dass sie Ukrainerinnen und Ukrainer aufnehmen wollen, die vor dem russischen Angriffskrieg aus ihrem Heimatland fliehen müssen:
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Kinder, die sich unter Tränen von ihren Vätern verabschiedet haben, Frauen, die ihren Mann vielleicht zum letzten Mal in die Arme genommen haben. Dieses Leid kennt nur eine Adresse: Die Verantwortung dafür liegt im Kreml, ebenso – das sage ich auch sehr deutlich – wie die Verantwortung für die Trauer der russischen Mütter, die ihre jungen Söhne im Zinksarg nach Hause bekommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen zwar zuerst von Flucht- und Vertreibungsbewegungen innerhalb der Ukraine ausgehen, sie haben sich aber bereits in den vergangenen 72 Stunden auf die unmittelbaren Nachbarländer wie Polen oder die Republik Moldau ausgeweitet. Diese Menschen haben unsere Solidarität und erhalten unsere humanitäre Unterstützung; wir werden sie massiv unterstützen. Die Koordinations- und Unterstützungsmechanismen der Europäischen Union, insbesondere für humanitäre Hilfe, sind bereits angelaufen, damit ganz konkrete Unterstützung sehr schnell erfolgt. Dazu wird Deutschland einen erheblichen Beitrag leisten.
Wir wissen auch, dass Cyberangriffe mittlerweile ein häufig gewähltes Mittel in Konfliktsituationen sind. Wir gehen daher auch für deutsche Stellen von einer erhöhten Gefahr durch Cyberangriffe in der nächsten Zeit aus. Wir beobachten auch sehr genau, dass die russische Propaganda und Desinformation im Zuge des Ukrainekonflikts deutlich zunimmt: bei Russia Today, bei Telegram, bei Demonstrationen, aber auch auf sogenannten Spaziergängen. Wir müssen uns auf ein weiter zunehmendes Ausmaß an fortwährender russischer Desinformation einstellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Antwort ist und bleibt: Freiheit, internationale Solidarität und Demokratie. Der Platz für Kriegsverbrecher ist und bleibt hingegen in Den Haag und nirgendwo sonst.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Wiese. – Nächster Redner ist der fraktionslose Kollege Johannes Huber. Er spricht von der Tribüne.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7534053 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 19 |
Tagesordnungspunkt | Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler zur aktuellen Lage |