Christine Aschenberg-DugnusFDP - Änderung des Infektionsschutzgesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich ist Corona noch nicht vorbei, und leider wird uns das Virus noch weiter erhalten bleiben. Aber gerade deswegen müssen wir doch lernen, im Alltag mit diesem Virus zu leben.
Jetzt das Positive: Wir sind nicht in derselben Position wie vor zwei Jahren. Wir haben wirksame Impfstoffe, meine Damen und Herren, auch gegen Omikron. Deswegen fordere ich immer: Lassen Sie sich impfen, und lassen Sie sich boostern!
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben antivirale Medikamente, die schwere Verläufe verhindern; auch das ist anders als vor zwei Jahren. Und wir wissen mehr über das Virus als noch vor zwei Jahren. Die jetzige Omikron-Subvariante BA.2 scheint sich gerade als vorherrschende Virusvariante durchzusetzen. Sie hat eine noch höhere Übertragbarkeit als die Variante BA.1; deswegen auch die hohen Infektionszahlen. Aber – das ist uns ganz wichtig – beide Virusvarianten verursachen häufig milde Verläufe. Wir alle kennen doch aus unserem Bekanntenkreis die Fälle: Doppelt Geimpfte haben das Virus, sie wussten es gar nicht, sie haben es durch Zufall erfahren und haben milde Verläufe.
Die Infektionszahlen sind zwar hoch, aber die Zahl der Fälle, die einen Krankenhausaufenthalt oder eine intensivmedizinische Behandlung erfordern, hat sich von diesen hohen Infektionszahlen weitgehend entkoppelt. Zum Beweis dafür einmal ein Vergleich: Genau heute vor einem Jahr hatten wir eine Inzidenz von 84 – man vergisst das immer – und eine Hospitalisierungsrate von 6,1. Die Zahlen von heute: Wir haben eine Inzidenz von 1 607 bei einer Hospitalisierungsrate von 7,4. Daran sehen Sie doch, dass wir dieses Virus anders beurteilen müssen.
(Beifall bei der FDP)
Das zeigt, dass sich das Virus während der Pandemie verändert hat. Deswegen müssen wir bei Omikron auch andere Schlüsse und andere Maßnahmen zulassen, meine Damen und Herren.
Um noch einmal auf die Todeszahlen zu sprechen zu kommen – ich habe mir den letzten RKI-Lagebericht vom 10. März vorgenommen –: Aktuell steigt die Zahl der Covid-Todesfälle leicht an; sie liegt aber weiterhin deutlich unter dem Niveau aller vorhergegangenen Wellen. Auch das müssen wir bei der Beurteilung berücksichtigen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Führen wir uns bitte noch einmal vor Augen, was das Ziel aller Maßnahmen in Vergangenheit und Zukunft war und ist. Ziel war und ist, die Überlastung unseres Gesundheitssystems zu verhindern und vor allem – das ist ganz wichtig – die vulnerablen Gruppen zu schützen. Genau das machen wir jetzt mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Einschränkungen sind nur dort vorgesehen, wo sie auch wirklich notwendig sind, nämlich in Alten- und Pflegeeinrichtungen, in Krankenhäusern und – ganz wichtig – in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und im öffentlichen Personennahverkehr. Die allgemeine Maskenpflicht und weitere Einschränkungen fallen außerhalb dieser vulnerablen Gruppen weitgehend weg. Da setzen wir nach zwei Jahren Pandemie endlich wieder auf die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger, meine Damen und Herren.
Frau Aschenberg-Dugnus, es gäbe eine Zwischenfrage aus der Fraktion Die Linke. Möchten Sie die zulassen?
Woher?
Aus der Fraktion Die Linke.
Ja, bitte.
Bitte schön.
Vielen Dank für Ihren Vortrag. – Eine einfache Frage: Können vulnerable Gruppen in Zukunft einkaufen gehen oder nicht? Haben Sie bei der Entscheidung über die Maskenpflicht auch die Gegenden im Blick gehabt, in die auch vulnerable Gruppen kommen dürfen, können und sollen?
(Christian Dürr [FDP]: Natürlich dürfen die Masken tragen!)
Ich frage, ob Sie das berücksichtigt haben oder ob sie nicht mehr einkaufen gehen dürfen.
Herr Kollege – –
Stopp! Es gibt noch eine Zwischenfrage aus der Unionsfraktion. Die würde ich noch mitnehmen, dann können Sie beide zusammen beantworten.
Eigentlich würde ich gerne direkt antworten; aber wenn Sie das so entscheiden, dann machen wir das so.
Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Auch vielen Dank, liebe Frau Aschenberg-Dugnus, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich bin Ihrer Rede gefolgt. Ich fand das, was Sie gesagt haben, teilweise auch sehr gut. Mich würde nur interessieren, ob das die Meinung der Bundesregierung ist.
(Christian Dürr [FDP]: Das Kabinett hat das beschlossen!)
Bei der Frage des Infektionsschutzgesetzes haben wir ja einen Dissens: Der Bundesgesundheitsminister kennt offensichtlich sein eigenes Gesetz nicht; denn er hat sich bei der Frage nach der Hotspotregelung so eingelassen, dass Hotspots auch ganze Bundesländer umfassen könnten, wenn die Zahlen steigen, wobei nicht genau geklärt ist, wie da die Inzidenzwerte zu verstehen sind. Der Bundesjustizminister und sein Ministerium aber sagen: Nein, das sind nur explizit ganz kleine, lokale Bereiche. – Deshalb würde mich interessieren: Ist die Auffassung, die Sie jetzt geäußert haben, die Auffassung der Bundesregierung, oder ist das eher die Meinung des Bundesjustizministers oder der FDP?
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich antworte zunächst dem Kollegen von den Linken: Selbstverständlich sind Masken wichtig zum Schutz. Wir wollen die Masken auch nicht verbieten. Das behaupten zwar einige,
(Beifall bei der FDP)
aber wir sind für die Maskenpflicht. Und wir sind für die Eigenverantwortung. Jeder, der vulnerabel ist, kann eine Maske aufsetzen. Ich zum Beispiel bin 62 Jahre alt. Ich werde auch ohne Maskenpflicht in bestimmten Bereichen und in bestimmten Situationen meine Maske aufsetzen,
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und zwar eine FFP2-Maske, weil die nämlich besonders schützt. Insofern schützen wir mit diesem Gesetzentwurf, mit dieser Änderung des Infektionsschutzgesetzes besonders die vulnerablen Gruppen. Aber alle anderen Bereiche stellen wir in die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. Das ist das, was uns weiterbringt. Wir müssen doch die nächsten Jahre mit diesem verdammten Virus leben. Da müssen wir auch den Umgang damit lernen, und da ist Eigenverantwortung ganz besonders wichtig.
Also bitte, tun Sie nicht so, als wenn wir da irgendetwas verbieten wollten, sondern werben Sie dafür, in bestimmten Situationen die Maske zu tragen. Das wäre der richtige Ansatz. Das wäre besser, als hier so etwas zu erzählen.
(Beifall bei der FDP)
So, jetzt komme ich zu meinem Kollegen Tino Sorge: Ich war noch gar nicht bei den Hotspots. Deswegen weiß ich gar nicht, wie Sie darauf kommen. Wahrscheinlich hatten Sie sich die Frage aufgeschrieben,
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
und das passte jetzt gerade so.
Ich werde zu den Hotspots noch kommen, lieber Tino Sorge. Ich muss sagen: Lesen Sie sich den Gesetzestext – wir hatten ihn heute im Ausschuss, und jetzt beraten wir ihn auch hier – in Ruhe durch. Es ist klar, unter welchen Voraussetzungen die entsprechenden Maßnahmen getroffen werden müssen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Welche Maßnahmen?)
Insofern sehe ich überhaupt kein Problem. Wir sind uns da in der Koalition sehr einig. Insofern ist für uns klar, wie das auszulegen ist. – Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Worüber Sind Sie denn einig? Wer ist denn „uns“?)
Frau Aschenberg-Dugnus, eine Zwischenfrage?
Nein, Entschuldigung, jetzt möchte ich gerne mit meiner Rede weitermachen.
Besonders wichtig ist uns auch, dass die Maskenpflicht in Schulen und Kitas wegfällt, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP und der AfD)
Die Kinderpsychiatrien sind überfüllt, und alle Kinderärzte schlagen Alarm, was wir hier mit unseren Kindern machen. Sie begrüßen die Abschaffung der Maskenpflicht in Schulen und Kitas, und das ist auch richtig so. Gestik und Mimik sind für einen jungen Menschen ganz wichtig.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Deswegen sagen wir: Die soziale Kompetenz hängt auch daran, ob man in der Schule oder in der Kita eine Maske tragen muss oder nicht.
Ich wundere mich doch sehr über die CDU, die das jetzt gerade kritisiert hat. Ich kann mich daran erinnern, dass Angela Merkel einmal gesagt hat, Kinder sollten die Ersten sein, die von der Abschaffung der Maßnahmen profitieren.
(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)
Davon höre und sehe ich jetzt überhaupt nichts mehr bei Ihnen – komisch eigentlich.
(Beifall bei der FDP)
So, und jetzt zu den Hotspots.
Ich frage jetzt noch ein letztes Mal: Wollen Sie noch eine Zwischenfrage aus der Unionsfraktion zulassen?
Nein, ich würde jetzt gerne weitermachen.
Dann brauchen sie sich in dieser Rede nicht mehr zu melden?
Nein. – So, wir haben die Hotspotregelung. Dieser Mechanismus ist sachgerecht und sinnvoll. Was nicht sinnvoll und nicht zu rechtfertigen ist, ist, dass aufgrund möglicher Zukunftsvarianten, dass aufgrund einer Hätte‑/Könnte-Argumentation Einschränkungen aufrechterhalten werden. Das machen auch unsere europäischen Nachbarländer nicht. Finnland, Schweden, Dänemark, Norwegen, alle haben sie keine Maskenpflicht mehr. Sie vertrauen der Eigenverantwortung der Bevölkerung.
Frau Kollegin?
Österreich, Großbritannien: keine Maskenpflicht. Schweiz: keine Maskenpflicht. Niederlande: Inzidenz 2 650, keine Maskenpflicht.
Frau Kollegin, die Redezeit ist jetzt zu Ende.
Oh, ich bin gerade so dabei.
Ich finde, wir haben hier einen guten Gesetzentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes vorgelegt. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen, hätte noch viel zu sagen gehabt;
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Zum Beispiel zu den Hotspots! Sie haben gar nichts zu den Hotspots gesagt!
das mache ich beim nächsten Mal.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der nächste Redebeitrag kommt von Ates Gürpinar aus der Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7534109 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 20 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Infektionsschutzgesetzes |