16.03.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 20 / Tagesordnungspunkt 4

Dunja KreiserSPD - Einsetzung eines Parlamentarischen Beirats für gleichwertige Lebensverhältnisse

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Ampelkoalition möchte für gleichwertige Lebensbedingungen in Stadt und Land sorgen. Wir haben in unserem Koalitionsvertrag ambitioniert wichtige, nein entscheidende Punkte aufgelistet, um die soziale und wirtschaftliche Einheit zu vollenden. Die Digitalisierung, Energiewende und neue Formen der Mobilität eröffnen neue Chancen auf noch mehr regionale Wertschöpfung und eine neue Dynamik. So haben wir es in unserem Koalitionsvertrag festgeschrieben. Das werden wir umsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West, Stadt und Land, zwischen strukturschwachen und strukturstarken Regionen ist mir ein Anliegen. Ein Blick auf meinen Wahlkreis Salzgitter-Wolfenbüttel und den Nordharz allein zeigt schon die unterschiedlichsten Herausforderungen. Mein Wahlkreis und der vieler Kolleginnen und Kollegen ist ländlich strukturiert, mit Anteilen mittelständischer Unternehmen und einer für Deutschland typischen Industrie, die voll in der Transformation steckt.

Die Bürgerinnen und Bürger arbeiten zum Beispiel für die Wasserstofftechnik, erleben aber in ihrem Alltag noch Hürden. Sie pendeln zu ihrem Arbeitsort mit dem Auto; sie sind nach wie vor auf den Verbrenner angewiesen.

Die Mobilitätswende muss insbesondere auf dem Land einen besonderen Schub erfahren. Das Arbeiten und Leben in ländlichen Strukturen, wo die Naherholung direkt vor der Tür liegt, wird immer interessanter. Die Erreichbarkeit ist aber immer noch verbesserungswürdig. Gleichwertige Lebensverhältnisse, das heißt für uns als SPD-Fraktion, die Mobilitätswende schnellstmöglich umzusetzen, barrierefrei und nachhaltig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ein Beispiel von nicht allzu schneller Umsetzung der Mobilitätswende ist die Weddeler Schleife in meinem Wahlkreis: geplant seit 1995, eine Bahntrasse, die nun ihre Zweigleisigkeit erfährt. Diese Form der Verzögerung wird es durch die im Koalitionsvertrag erklärten Ziele mit uns nicht geben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die gleichwertigen Lebensverhältnisse können, wie in diesem Beispiel genannt, insbesondere von beschleunigten Verfahren profitieren, aber auch von der Zusammenarbeit in den Regionen. Wir brauchen auf jeden Fall Tempo im Infrastrukturausbau, Tempo in der Energiewende und beschleunigte Verfahren. Diese Zusammenarbeit der Regionen und der Kommunen wollen wir unterstützen, für schnellere Ergebnisse, die die Wirtschaftskraft der Regionen verbessern, für eine verlässliche Daseinsvorsorge und für mehr regionale Wertschöpfung. Kommunen, sehr geehrte Damen und Herren, brauchen ein hohes Maß an Entscheidungsfreiheit. Sie müssen leistungsfähig bleiben. Dabei müssen wir sie unterstützen. Die Entschuldungshilfe ist dabei nur eine Stütze.

Zu den Beschleunigungsprozessen, zu einem modernen Staat gehören eine flächendeckende Versorgung mit Glasfaser und neuestem Mobilfunkstandard. Digitalisierung der Verwaltung explizit in strukturschwachen Regionen wird das Leben für Bürgerinnen und Bürger leichter machen. Ich möchte in vier Jahren – oder eigentlich schon im nächsten Jahr – nicht mehr von Kolleginnen und Kollegen in ihrer Rede hören, dass sie auf Apfelbäume klettern müssen, um zu telefonieren, wie zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern. Ich frage mich: Was ist eigentlich in den letzten Jahren passiert? Was ist in der Heimatpolitik passiert?

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Daher finde ich es sehr vorbildlich, dass gerade die Union die Einsetzung eines Parlamentarischen Beirats für gleichwertige Lebensverhältnisse fordert. Wir hätten uns jedoch Ergebnisse gewünscht. Ein Ergebnis zeichnet sich sehr deutlich auf der Landkarte Deutschlands ab: Die soziale Lage der Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland, auch die Siedlungs- und Infrastruktur, die demografische Entwicklung und kommunale Leistungsfähigkeit sind im Süden Deutschlands besser als im Osten oder nördlich der Mainlinie. Hier zeigt sich eine deutliche Dreiteilung Deutschlands. Das hätte vor Jahren verhindert werden müssen.

Im ländlichen Raum, sehr geehrte Damen und Herren, wird Demokratie gelebt, unter anderem in unseren Vereinen. Freiwillige Arbeit baut Brücken zwischen jüngeren und älteren Menschen, zwischen Menschen unterschiedlicher Weltanschauung, unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Erfahrung. Besonders der Mannschaftssport erfüllt neben der Freude, die er macht, ganz wichtige Aufgaben und ist Mittler für demokratische Werte. Dafür brauchen wir Turnhallen, wir brauchen Schwimmbäder. Darum brauchen wir eine Offensive für Investitionen in Sportstätten und Vereinen unter Beachtung von Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit und Inklusion.

Bei den gleichwertigen Lebensverhältnissen dürfen wir Menschen mit Behinderung auf keinen Fall vergessen. Die Lebensbedingungen von Menschen mit Beeinträchtigungen zu verbessern, bestehende Barrieren abzubauen und eine gleichberechtigte Teilhabe im beruflichen und im sozialen Bereich zu sichern, ist eine unserer höchsten gesellschaftlichen Aufgaben und liegt mir ganz besonders am Herzen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es muss gelten: Menschen jeglicher Herkunft erhalten gleiche Chancen. Das ist leider bisher nicht ganz der Fall. Dieses bittere Fazit müssen wir ziehen. Hier muss ganz viel passieren. Ich bin unserer Bundesministerin Nancy Faeser und unserem Bundeskanzler Olaf Scholz deshalb dankbar, dass endlich ein Neuanfang in der Integrations- und Migrationspolitik gestartet wird. Danke auch, dass der Aktionsplan gegen Rechtsextremismus und das Demokratiefördergesetz auf den Weg gebracht werden.

Sie sehen: Wir liefern. Und Sie, liebe Union? Die großen Meilensteine in Sachen gleichwertige Lebensverhältnisse wollten Sie nicht. Welche sind das? Das ist zum einen der Mindestlohn von 12 Euro, und das ist zum anderen die Grundrente. Die Grundrente und der Mindestlohn sind immer eine Frage des Respekts. Ich danke hier insbesondere Hubertus Heil für seinen unermüdlichen Einsatz für die Grundrente, die nur gegen Sie, liebe Union, erreicht wurde. Eben nur gegen Sie!

Wir werden ein gesamtdeutsches Fördersystem weiterentwickeln, orientiert an der Stärkung strukturschwacher Regionen. Der vorliegende Antrag, liebe Union, zeigt diese Ambitionen nicht. Denn wenn Sie von der parlamentarischen Begleitung der bundesgesetzlichen Rechtsetzung sprechen, dann frage ich Sie: Was ist mit den staatlichen Förderprogrammen?

Nun, es ist gängige Praxis, wie beispielsweise beim Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung, dass wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier interfraktionell die Einsetzung eines solchen Beirats bestimmen. Sie, liebe Union, gehen da Ihren eigenen Weg: keine Abstimmung mit anderen Fraktionen, kein gemeinsames Voranbringen anstehender Modernisierung. Sie wissen selbst, dass die Einsetzung so scheitern muss. Da frage ich mich, ehrlich gesagt: Wie wichtig ist Ihnen die Sache? Mir geht es um ganz konkrete Verbesserungen, uns geht es um ganz konkrete Verbesserungen: um gute Lebensbedingungen in Stadt und Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Christian Wirth für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7534172
Wahlperiode 20
Sitzung 20
Tagesordnungspunkt Einsetzung eines Parlamentarischen Beirats für gleichwertige Lebensverhältnisse
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