Ingo SchäferSPD - Einsetzung eines Parlamentarischen Beirats für gleichwertige Lebensverhältnisse
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Was unterscheidet Städte und Gemeinden im CDU-geführten Land NRW von Kommunen in Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und im Saarland? Das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen hat die meisten überschuldeten Kommunen Deutschlands und trotzdem keinen Altschuldenfonds. Hessen hat die Hessenkasse. Niedersachsen hat den Zukunftsvertrag. Die SPD-geführte Regierung von Rheinland-Pfalz arbeitet an einem kommunalen Entschuldungsfonds. Auch das Saarland hat bereits einen Entlastungsfonds für die Bestandsschulden, genannt „Saarlandpakt“. Das von der CDU geführte Land NRW hat hierzu nichts Adäquates vorzuweisen.
(Bernhard Daldrup [SPD]: Ein Trauerspiel!)
Die CDU-Landesregierung von Hendrik Wüst hatte fünf Jahre Zeit, den Stärkungspakt Stadtfinanzen von Hannelore Kraft zu verlängern.
(Zuruf des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU])
Dieser Stärkungspakt trug wesentlich dazu bei, dass die überschuldeten Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen wieder den notwendigen Handlungsspielraum für die mittelfristige und nachhaltige Konsolidierung erhielten – bis 2020. Die CDU-Landesregierung von NRW hätte schon längst einen Altschuldenfonds für Nordrhein-Westfalens Kommunen beschließen müssen;
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
denn sie weiß um die sich zuspitzende Problematik.
Hochverschuldeten Kommunen, weder in Nordrhein-Westfalen noch in anderen Bundesländern, bringt es etwas, wenn wir hier in diesem Hause ein weiteres Gremium, einen parlamentarischen Beirat für gleichwertige Lebensverhältnisse mit Empfehlungscharakter, einsetzen. Das, was Städte wie Solingen, Remscheid, Wuppertal, Pirmasens, Kaiserslautern oder auch der Kreis Kusel brauchen, ist eine Zukunftsperspektive.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Um ein Beispiel aus meinem Wahlkreis zu nennen: In Wuppertal-Ronsdorf wird das örtliche Hallenbad seit zehn Jahren in privater Trägerschaft mithilfe von Spenden betrieben. Dies wurde notwendig, weil der Stadt das Geld zur weiteren Unterhaltung fehlte. Das war und das ist kein Einzelfall. In vielen Städten Deutschlands werden die Hallenbäder geschlossen, weil den Kommunen das Geld fehlt. Andererseits warnt die DLRG seit Jahren, dass immer weniger Kinder schwimmen lernen und ihnen zunehmend die Schwimmkompetenz fehlt.
Als die CDU/CSU als Regierungsfraktion in der vergangenen Legislaturperiode die Möglichkeit hatten, den Altschuldenfonds zu installieren, hat sie sich mit aller Kraft dagegengestemmt. Den Kommunen könnte es heute um ein Vielfaches besser gehen, hätte die Union vor ein paar Jahren mehr Weitsicht bewiesen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Die SPD hat im Bund dafür gesorgt, dass der Altschuldenfonds im Koalitionsvertrag steht. Es ist das feste Ziel unserer Ampelkoalition, die überschuldeten Kommunen von ihrer Altschuldenlast zu befreien. Dadurch werden wir erheblich dazu beitragen, gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland zu schaffen. „ Gleichwertig“ bedeutet, Unterschiede anzuerkennen und zu versuchen, diese zu minimieren. „ Gleichwertig“ heißt auf jeden Fall nicht: Wer hat, dem wird gegeben.
Das Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse zu erreichen, ist nur realisierbar, wenn alle Ebenen zusammenarbeiten. So wie es einen Finanzausgleich zum Beispiel bei den Bundesländern gibt, so braucht es auch einen Ausgleich zwischen armen und reichen Kommunen, und das so schnell wie möglich. Nur dann können wir die zunehmend auseinanderklaffende Schere schließen.
Und diese Schere hat sich bereits sehr weit geöffnet: bei der Arbeitslosigkeit von 2 bis 15 Prozent, bei der Langzeitarbeitslosigkeit von 12 bis mehr als 50 Prozent, bei den Beschäftigungsquoten von Menschen über 55 Jahre von 35 bis 55 Prozent, und bei den Gewerbesteuereinnahmen reicht die Spanne von 165 Euro pro Kopf und Jahr im Donnersbergkreis bis fast 2 300 Euro in Frankfurt am Main, und zwischen den beiden letztgenannten liegen gerade mal 80 Kilometer.
Ohne einen finanziellen Ausgleich zwischen Frankfurt und dem Donnersbergkreis kann es keine gleichwertigen Lebensverhältnisse geben. Das gilt auch für Solingen und Monheim, Dahme-Spreewald und Barnim, Lüchow-Dannenberg und Wolfsburg sowie für den Landkreis Regensburg und die Stadt München. Wenn Sie diese desolate Lage nicht kennen, dann lade ich Sie gerne ein, in meinen Wahlkreis zu kommen. Dann zeige ich Ihnen gerne die alten Standorte der Schwimmhallen, der Freibäder, der Sportstätten und die maroden Feuerwachen.
Die Koalition in diesem Hause wird die Voraussetzungen dafür schaffen, dass alle Kommunen wieder in Schulen und Schwimmbäder investieren können. Wir werden dafür sorgen, dass Kunst und Kultur vor Ort weiterhin für alle finanzierbar bleiben, dass Feuerwachen zeitgemäß ausgestattet werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werbe heute dafür, dass Sie die Anstrengungen der Bundesregierung zur Schaffung eines tragfähigen kommunalen Altschuldenfonds unterstützen, anstatt die aufgezeigte Problematik in ein Beratungsgremium zu verlagern und deren Lösung dadurch zeitlich zu verzögern. Die Menschen in vielen unserer Wahlkreise brauchen keine Ergebnisse aus Arbeitskreisen; sie brauchen einen Altschuldenfonds.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7534180 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 20 |
Tagesordnungspunkt | Einsetzung eines Parlamentarischen Beirats für gleichwertige Lebensverhältnisse |