Konstantin KuhleFDP - Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch in Krisenzeiten müssen staatliche Strukturen den Ehrgeiz haben, sich selbst zu modernisieren. Das hat etwas damit zu tun, dass die Kosten für diese Strukturen steigen. Das hat etwas damit zu tun, dass die Arbeitsfähigkeit mit einem größeren Parlament abnimmt. Es hat aber auch etwas damit zu tun, dass das Ansehen demokratischer Institutionen beschädigt wird, wenn sie es nicht einmal schaffen, sich selber zu reformieren, aber Reformen von den Bürgerinnen und Bürgern verlangen. Deswegen ist es gut, dass wir heute endlich die Kommission zur Reform des Wahlrechts einsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nun ist es ja so, dass verschiedene Vorschläge zur Reform des Wahlrechts auf dem Tisch liegen. In der Tat gibt es Vorschläge aus den Reihen der Grünen, der FDP, der Linksfraktion aus der letzten Wahlperiode. Wir haben Vorschläge der Großen Koalition, die hier vom Kollegen Heveling referiert worden sind.
Wir müssen allerdings festhalten: Dass die Vorschläge der Großen Koalition bzw. das Ergebnis der Wahlrechtsreform in der letzten Wahlperiode nicht zu einem Bundestag von 800 oder 900 Abgeordneten geführt hat, ist reiner Zufall. Das hätte wirklich ins Auge gehen können. Deswegen brauchen wir endlich eine nachhaltige Wahlrechtsreform, bei der man sich über mehrere Legislaturperioden darauf verlassen kann, dass der Bundestag nahe an der Regelgröße von 598 Abgeordneten ist. Das sind wir den vielen Bürgerinnen und Bürgern schuldig, die von uns erwarten, dass wir zu Beginn dieser Legislaturperiode das Wahlrecht reformieren, Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Natürlich geschieht eine Reform des Wahlrechts unter Einbindung aller Fraktionen des Deutschen Bundestages; das ist doch völlig klar. Genau aus diesem Grund setzen wir ja eine Kommission ein, die sich dann parlamentsübergreifend mit allen Akteurinnen und Akteuren zusammensetzt und über eine Reform des Wahlrechts spricht.
Nur, Einbindung der Unionsfraktion in eine Reform des Bundestagswahlrechts heißt dann auch Einbindung der CSU.
(Manuel Höferlin [FDP]: Stimmt!)
Denn eine wirksame Wahlrechtsreform muss allen wehtun. Eine Wahlrechtsreform kann nicht so gestaltet sein, dass man sagt: Die Wahlrechtsreform und die daraus folgende Verkleinerung des Bundestages tut allen weh außer der CSU. – Das wird nicht gehen,
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
sondern wir alle werden unseren Beitrag zu einer Verkleinerung des Bundestages leisten müssen. Alle, auch die neuen Kolleginnen und Kollegen, müssen sich über diese verantwortungsvolle Aufgabe im Klaren sein. Ich glaube, dass da noch viele Diskussionen auf uns zukommen werden. Ich bin gespannt auf die Beiträge aus den Reihen der Union. Heute ist deswegen ein guter Tag, weil wir uns so früh und mit großer Priorität diesem Thema widmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das Wahlalter 16 wird bei den Beratungen der Kommission eine Rolle spielen. Wir haben aber in der Ampel den klaren politischen Willen, das zügig zu beschließen, und zwar für die Wahl des Deutschen Bundestages – dafür muss das Grundgesetz geändert werden –, aber auch für die Europawahl, wozu es keine Änderung des Grundgesetzes braucht; das kann man mit einfacher Mehrheit im Europawahlgesetz beschließen. Und das wollen wir zügig auf den Weg bringen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich will auch einmal beschreiben, warum ich das wichtig finde. Ich finde das wichtig, weil die Frage der Einbindung von Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern in den politischen Prozess gekoppelt sein muss mit Verantwortung, aber auch gekoppelt sein muss mit Bildung. Wenn wir bei der Bundestagswahl ein Wahlalter von 18 Jahren haben, dann führt das doch in Wahrheit dazu, dass ein großer Teil der Leute erst mit 19, erst mit 20, erst mit 21 zum ersten Mal an einer Bundestagswahl teilnimmt, und damit zu einem Zeitpunkt, wo das Bachelorstudium abgeschlossen ist, wo die Ausbildung längst abgeschlossen ist, wo seit Jahren Steuern gezahlt werden. Die Staatsbürgerinnen und Staatsbürger mit 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22 müssen in den politischen Prozess eingebunden werden. Das entspricht auch dem Geist des Grundgesetzes. Entschuldigen und rechtfertigen müssen sich diejenigen, die diese jungen Leute ausschließen wollen, nicht aber diejenigen, die mehr Teile des Staatsvolkes in den politischen Prozess einbinden wollen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will auch etwas zum Thema Parität sagen: In der Tat ist der Frauenanteil hier im Deutschen Bundestag zu gering, und es ist schlichtweg professionell, dass heute politische Parteien eine gemeinsame Verantwortung dafür haben müssen – gerade die Männer –, dass mehr Frauen im Parlament vertreten sind; das ist so.
(Beatrix von Storch [AfD]: Dann wählen Sie doch einmal mehr Frauen! Steht Ihnen doch frei!)
Aber wir haben im Deutschen Bundestag – –
Herr Kuhle, sorry. Ich muss das leider durchziehen. – Frau von Storch, ich hatte deutlich gemacht: Bei Zwischenrufen wird die Maske aufbehalten. Das steht so in der Allgemeinverfügung. Das ist jetzt ein Ordnungsruf für Sie.
(Beatrix von Storch [AfD]: Himmelherrgott! Ja, machen Sie!)
Wir als Freie Demokraten haben aber zu der Frage einer verpflichtenden Parität eine andere Haltung, als das hier von unseren Koalitionspartnern vorgetragen worden ist. Und das hängt schlichtweg damit zusammen, dass aus unserer Sicht der Gesetzgeber das Staatsvolk nicht in Gruppen aufteilen darf, für die dann eine bestimmte Abgeordnete oder ein bestimmter Abgeordneter die einzige Vertreterin bzw. der einzige Vertreter ist.
Für mich als Staatsbürger ist die Kollegin Jensen, die hier bei der FDP in der ersten Reihe sitzt, eine bessere Abgeordnete als der Kollege Heveling, der bei der Union in der ersten Reihe sitzt. Und das hängt nicht mit dem Geschlecht zusammen, sondern damit, dass sie meine politische Haltung teilt. Deswegen kommt es auf die Individualität, deswegen kommt es auf die Personen an, die aufgestellt werden, und deswegen lehnen wir eine verpflichtende Paritätsregelung ab.
Ich weise auch darauf hin, dass im Grundgesetz der Satz „Sie sind Vertreter des ganzen Volkes“ als Auftrag an alle gemeint ist – an Frauen und Männer –,
(Enrico Komning [AfD]: Und Diverse!)
für alle Menschen in der Gesellschaft zu sprechen und sich nicht nur auf ein Geschlecht zu beschränken.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Herr Kollege.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das bringt mich zum letzten Thema, und das ist die Modernisierung der Parlamentsarbeit.
Sie müssen aber zum Ende kommen, bitte.
Wir müssen da mehr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, für Digitalisierung und für Bürgerbeteiligung tun. Ich würde mich freuen, wenn wir auch noch was fürs Wahlrecht der Auslandsdeutschen tun.
Herr Kollege.
Dann sind wir auf einem guten Weg.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Und auf eine gute Zusammenarbeit in der Kommission!
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Amira Mohamed Ali spricht jetzt für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7534188 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 20 |
Tagesordnungspunkt | Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit |