Konrad StockmeierFDP - Abschaltung von Kernkraftwerken
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Fangen wir doch einfach noch mal vorne an: beim Uran. Auf die Herkunftsländer wurde schon hingewiesen. In Kasachstan – darauf möchte ich noch hinweisen – gibt es eine Abbaumethode, die besonders schmutzig ist, sie heißt „in situ leaching“ und ist eine Art Fracking; das wird anderswo vermieden. Und wissen Sie, wo wir uns noch mit den Folgen beschäftigen? In der Sächsischen Schweiz! Dort werden wir noch bis 2050 damit beschäftigt sein, die Schäden zu beseitigen. Kostenpunkt: 7 Milliarden Euro. Unter „zukunftsträchtig“ verstehe ich etwas anderes.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das Nächste, was Sie uns immer anpreisen, sind dann die tollen neuen Reaktortypen, die angeblich so wahnsinnig effizient sind. Also, fangen wir mal an mit den so genannten Dual-Fluid-Reaktoren. Da ist das Verkaufsargument, dass die Strahlenabfälle eine kürzere Halbwertszeit haben, nur noch 300 Jahre. Ich finde, das ist, ehrlich gesagt, immer noch zu lang; aber so zukunftsorientiert sind Sie. Übrigens, die ersten Prototypen sollen erst 2029 fertig sein.
(Lachen des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dann preisen Sie uns immer die Small Modular Reactors an; da sind die Franzosen, die Briten und die Belgier ziemlich engagiert. Hierzu noch der Hinweis: Auch da sollen die ersten Prototypen Anfang der 2030er-Jahre fertig sein. Wissen Sie was? Deren Finanzierung ist immer noch nicht geklärt. Privates Kapital scheint sich nicht darauf zu stürzen. Und noch ein Hinweis: Um einen Industrieraum wie Stuttgart damit zu versorgen, bräuchten Sie ungefähr sechs Stück. Sagen Sie Ihren Leuten in Baden-Württemberg, sie sollen das in den Kommunalparlamenten beantragen. Dann fliegen sie da nämlich raus – soll mir auch recht sein.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie des Abg. Thomas Heilmann [CDU/CSU])
Gucken wir mal rüber nach Frankreich. Die finanzielle Situation der Électricité de France ist einfach nur bedauerlich. Dieser Staatskonzern versinkt in horrenden Schulden. Experten sagen, dass in Frankreich die Wartungszeiten der dortigen Reaktoren – Achtung! – nicht mehr planbar sind. Ich kann nur sagen: Ja, „la sécurité de la provision de l’électricité en France c’est passé“. So sieht es aus.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Hinzu kommt die kürzliche Anweisung von Präsident Macron, mehr Atomstrom zu produzieren und ihn bitte auch unter Marktwert zu verkaufen. Damit habe ich als Liberaler so meine Schwierigkeiten. Flamanville 2 ist auch erwähnt worden. Die Baukosten explodieren, übrigens auch bei dem Partnerprojekt in China, wo die Électricité de France auch engagiert ist. Das musste im letzten Sommer vom Netz genommen werden, es ging nicht weiter, weil nämlich technisch sensible Bauteile nicht in den Griff zu kriegen waren.
Vereinigtes Königreich: Sie preisen Hinkley Point C an. Die Bauentscheidung fiel 2014; dem Betreiber wurde eine staatliche Vergütung von 11 Cent pro Kilowattstunde plus einem Inflationsausgleich über 35 Jahre zugesagt. Das Ding kommt trotzdem nicht in die Pötte. Bezüglich UK: Lassen Sie sich sagen, dass Großbritannien die Regenerativen wesentlich stärker vorantreibt als dieses Milliardengrab.
Die USA-Studie überspringe ich aus Zeitgründen. MIT, tolle Ingenieure, ziehen Sie es sich mal rein. Die Aussichten sind auch da einigermaßen verheerend.
Kommen wir noch kurz zur Endlagerfrage. Da werden Sie sicherlich mit finnischen und schwedischen Beispielen um die Ecke kommen. Diese Länder sind ein bisschen anders besiedelt. Sie bewegen sich da zugegebenermaßen in einem einstelligen Milliardenbereich. Für Deutschland aber sind für die Endlagerung Kosten in Höhe von circa 170 Milliarden Euro veranschlagt. Da wollen Sie noch was obendrauf legen? Dazu sage ich: Nein, danke. Abgesehen davon überzeugt mich als Marktwirtschaftler dann doch immer das Argument, dass Atomkraft am freien Markt wirklich nicht versicherbar ist.
(Beifall bei der FDP, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie des Abg. Thomas Heilmann [CDU/CSU])
Sie sind keine Alternative für Deutschland, Sie sind keine für die Gegenwart, und Sie sind auch keine für die Zukunft, und in der Vergangenheit kennen Sie sich auch nicht richtig aus.
(Heiterkeit des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Hoffentlich bleibt es so, dass Sie für die Energieversorgung in diesem Land nie zuständig werden, da würden die Lichter nämlich ausgehen.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)
Wir werden dafür sorgen, dass die Lichter weiter strahlen: regenerativ und bezahlbar.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Helmut Kleebank das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7534200 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 20 |
Tagesordnungspunkt | Abschaltung von Kernkraftwerken |