Nina ScheerSPD - Sichere Energieversorgung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist aufs Schärfste zu verurteilen. Das möchte ich hier noch mal ganz klar betonen. Ich danke auch Präsident Selenskyj für seine heute an uns gerichteten Worte.
Es gibt keine Mauer. Es gibt Solidarität und Hilfe. Es gibt das gemeinsame Ziel des Friedens, auch wenn der Weg dahin noch gefunden werden muss und nicht in allen Fragen der Umsetzbarkeit für ebendiesen Frieden Übereinstimmung gegeben ist. Ich begrüße ausdrücklich, dass die Bundesregierung trotz dieser völkerrechtlich eindeutigen Lage alles versucht, um auch auf dem diplomatischen Weg weiterhin darauf hinzuwirken, dass der Krieg schnellstmöglich beendet wird.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Der Krieg hat auch eine energiepolitische Dimension. Wenn unser Land zu 55 Prozent abhängig von Gasimporten aus Russland ist und wenn von Russland nun in Europa Krieg ausgeht, verdeutlicht dies in drastischster Weise, welche Gefahr Importabhängigkeiten darstellen.
(Stephan Brandner [AfD]: Das merken Sie heute? – Gegenruf der Abg. Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wusste die Nina schon die ganze Zeit!)
Dies gilt erst recht, wenn es um Energierohstoffe und damit letztlich um Fragen der Daseinsvorsorge geht.
(Stephan Brandner [AfD]: 15 Jahre!)
Ein Embargo kommt gleichwohl angesichts der hiermit verbundenen Folgewirkungen nicht in Betracht. Umso mehr muss die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen – übrigens auch ohne einen Krieg – durch den beschleunigten Umstieg auf erneuerbare Energien beendet werden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Wir machen uns dafür abhängig von Wind und Sonne!)
Bis dies erreicht ist, müssen die Bezugsquellen für Importe aufgeteilt bzw. diversifiziert werden. An beidem wird unter Hochdruck gearbeitet.
Wichtig ist, dass die nun zu ergreifenden Maßnahmen zugleich dem beschleunigten Umstieg auf erneuerbare Energien dienen; denn auch LNG-Terminals können nur dann diesem Weg dienen, wenn sie zugleich Wasserstoffanlandung ermöglichen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Alles andere wäre sowohl im Kampf gegen den Klimawandel als auch zur Loslösung von endlichen, fossilen Ressourcen nicht verantwortbar.
In diesem Sinne, wie auch aus weiteren Gründen, sind die mit dem vorliegenden Antrag von CDU/CSU offenkundig verfolgten Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke klar abzulehnen. Atomenergie ist schwer regelbar, risikobehaftet, die teuerste Form der Energiegewinnung, und sie erschwert mit ihrer Unflexibilität einen weiteren Aufwuchs erneuerbarer Energien.
(Zuruf von der AfD: Ja, darum geht es!)
Herr Spahn, Sie haben es ja angesprochen, was Sie hier programmatisch verfolgen. Sie arbeiten sich an unserem Koalitionsvertrag ab – so wird ein Schuh daraus, und nicht umgekehrt!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die von Ihnen vorgeschlagene Absenkung der EEG-Umlage – Sie haben gerade gesagt, dass Sie das Mitte Februar erwähnt hätten – haben wir schon längst im Januar auf den Weg gebracht. Also, so wird ein Schuh daraus, und nicht andersrum.
(Beifall bei der SPD)
Die Aussagen Ihres Antrags zur beschleunigten Energiewende sind zudem höchst widersprüchlich, wenn Sie offenkundig ein Problem mit Windenergie an Land haben. Herr Spahn, Sie haben übrigens in Ihrer Rede kein einziges Mal den Begriff „erneuerbare Energien“ in den Mund genommen. Das finde ich sehr bezeichnend.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau! – Stephan Brandner [AfD]: Warum auch? – Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])
Was ist denn Ihre Aussage zu dem Turbo wert, den Sie bei den erneuerbaren Energien zünden wollen, wenn Sie vorher noch die – Zitat – „notwendige“ Akzeptanzfrage geklärt haben wollen, zumal unter der – Zitat – „Einbeziehung der Belange der Anwohner“. Das ist auch wieder so ein Schlagwort. Was heißt denn das bitte schön? Hunderttausende Anwohnerinnen und Anwohner leiden unter Atemwegserkrankungen, unter Stickoxiden und anderen Schadstoffen, die im Zusammenhang mit der Verbrennung fossiler Ressourcen stehen. Sie machen hier wieder ein Kampffeld auf.
Windenergie ist keine Bedrohung, sondern die tragende Säule der Energiewende. Erneuerbare Energien bringen Freiheit, führen weg von Abhängigkeit. Lassen Sie endlich die 10‑H-Abstandsregelung in Bayern fallen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir brauchen die Perspektive auf die heimische Wertschöpfung. Wir brauchen Importunabhängigkeit und Möglichkeiten der Begrenzung des Klimawandels. Wir brauchen keine Verhinderungsgesetze! Machen Sie bitte Ihre Hausaufgaben. Wenn es „Souveränität“ in Bezug auf Energie in Ihren Antrag schafft, dann lösen Sie doch bitte endlich diese eklatanten Widersprüche auf.
Es geht bei allem aber auch um Energiesicherheit. Wenn etwa Nordex seine Rotorblattproduktion in Rostock schließt, um sie ins Ausland zu verlegen, ist dies längst keine reine Unternehmensentscheidung mehr. Nein, es geht hier um den Verlust von zukunftsweisenden Arbeitsplätzen und um Energiesicherheit. Im Zweifel hat in solchen Fragen meines Erachtens der Staat auch eine Garantenstellung. Gleiches gilt etwa zur Sicherung von Gasspeichern und auch von deren Füllständen. Heute Abend wird das im Bundestag noch debattiert, übrigens unter Einbeziehung unseres Bundesministers,
(Beifall der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
falls diese Anwürfe noch mal kommen sollten. Mit einer Reihe bereits auf den Weg gebrachter Maßnahmen werden mit der Ampelkoalition umfassend Energiewendehemmnisse beseitigt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die seit dem letzten Jahr stark marktgetriebene Verteuerung der fossilen Energien – es ist übrigens eine reine fossile Energiekrise –
(Zuruf von der AfD: Quatsch!)
hat bereits vor dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine zu sozialen Härten geführt. Daher wurden richtigerweise schnell Entlastungen beschlossen, so mit dem inzwischen auf nunmehr 270 Euro sogar verdoppelten Heizkostenzuschuss, aber auch mit der zur Jahresmitte bevorstehenden Absenkung der EEG-Umlage auf null, die heute in den Bundestag eingebracht wird. Über weitere Entlastungen wird verhandelt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Hierbei ist festzuhalten: Die Preissteigerungen basieren heute nicht auf tatsächlicher Verknappung, sondern auf Erwartungen. Es ist somit auch unsere Aufgabe, Spekulationen einen wirksamen Riegel vorzuschieben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Notwendigkeit des beschleunigten Umstiegs auf erneuerbare Energien sollte als Erkenntnis wie Chance begriffen werden, völkerverständigend die weltweite Abhängigkeit einer wachsenden Bevölkerung von immer weniger werdenden fossilen Ressourcen zu überwinden, im Sinne von Freiheit und Frieden. Ihr Antrag hängt in allen sinnvollen Punkten dem Handeln der Regierungskoalition hinterher
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
und wird von uns auch aus diesem Grund im Wege der Sofortabstimmung abgelehnt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Karsten Hilse für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7534254 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 21 |
Tagesordnungspunkt | Sichere Energieversorgung |