Macit KaraahmetoğluSPD - Meinungsfreiheit in Sozialen Medien
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich vor, in einer Fernsehsendung würde jemand erklären, wie man Gesundheitsminister Lauterbach im Vorbeifahren auf der Autobahn per Kopfschuss töten könnte. Was würde bei einem derartigen öffentlichen Mordaufruf passieren? Selbstverständlich gäbe es große Empörung, Strafanzeigen und strafrechtliche Konsequenzen gegen die Verantwortlichen. Niemand würde auf die Idee kommen, sich auf die freie Meinungsäußerung zu berufen. Aber genau in dieser Form wurde der Mordaufruf gegen den Gesundheitsminister als Sprachnachricht in einer Telegram-Gruppe geäußert.
Es gibt offensichtlich Menschen in unserem Land und auch in diesem Hause, die das Internet als rechtsfreien Raum sehen möchten – ein Raum, in dem unser Recht und Gesetz nicht gelten soll. Meine Damen und Herren – und da spreche ich vor allem die Urheber dieses unsinnigen Antrags an –, die Meinungsfreiheit ist ein fester Bestandteil unserer Demokratie; aber Hass und Aufruf zu Straftaten sind keine Meinung, werte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Es geht darum, strafrechtlich relevantes Verhalten zu ahnden, und es geht vor allem darum, Menschen zu schützen und Straftaten, zu denen aufgerufen wird, zu verhindern. Kaum jemand würde im öffentlichen Raum außerhalb des Internets diese Tötungsfantasien aussprechen. Die Täter verschanzen sich hinter der Anonymität, hetzen aber auch immer häufiger unter Klarnamen in leider viel zu schlecht überwachten digitalen Räumen.
Wir sehen in den letzten Jahren zwei Entwicklungen: erstens eine unfassbare Enthemmung bei Gewaltfantasien und kriminellen Gewaltaufrufen und zweitens – eine traurige Erkenntnis –, dass diese Hetze im Netz reale Folgen in der realen, nicht digitalen Welt hat – bis hin zu Mordanschlägen auf Repräsentanten unserer Demokratie. Da sind wir auch schon beim entscheidenden Punkt: Was strafbar ist und was nicht, das bestimmt die deutsche Rechtsordnung, und da gibt es ganz klare Regeln und Gesetze, zum Beispiel das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Ja, dieses ist auch für Telegram relevant. Denn wenn bis zu 200 000 Menschen einem Kommunikationskanal hinzugefügt werden können, dann ist das kein privater Messengerdienst mehr, sondern ein soziales Netzwerk, werte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Maik Außendorf [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Immerhin gab es zuletzt deutliche Verbesserungen im Austausch mit dem in Dubai sitzenden Telegram. Vorhin wurde das schon gesagt: 64 von Hass durchsetzte Kanäle wurden inzwischen gelöscht. Das ist ein Anfang, aber eben nicht mehr als ein Anfang. Netzsperren können rechtlich und technisch nicht die Lösung sein; da sind wir uns mehrheitlich einig.
Aber was bleibt uns dann? Wir müssen den Druck erhöhen, einerseits auf die Anbieter, und zwar mit Bußgeldverfahren; aber gerade auch der europäische Weg, den wir mit dem Digital Services Act der EU derzeit gehen, ist sehr vielversprechend. Das ist eine ganz andere Hausnummer, als wenn nur Deutschland mahnend vor der Tür steht. Andererseits müssen wir den Druck auf die Täter erhöhen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen in diesen Sumpf rein und Straftaten verfolgen. Wir leben in einer zunehmend digitalisierten Welt. Die klassische Polizeiarbeit muss sich dieser Welt anpassen. Das erfordert vor allem mehr personelle und technische Ressourcen, und diese müssen und werden wir zur Verfügung stellen, um dieses Problems Herr zu werden.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich schließe die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7534311 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 21 |
Tagesordnungspunkt | Meinungsfreiheit in Sozialen Medien |