17.03.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 21 / Zusatzpunkt 8

Andrea LindholzCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Lage der ukrainischen Flüchtlinge

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Ukraine, mitten in Europa, herrscht Krieg. Putins Bomben haben die größte Flüchtlingskrise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Über 3 Millionen Menschen befinden sich bereits auf der Flucht aus der Ukraine. Heute Morgen hat uns der ukrainische Präsident, zugeschaltet aus dem Kriegsgebiet, noch mal eindringlich gebeten, auf allen Ebenen zu helfen.

Am Sonntag konnte ich mir mit Kollegen an der polnisch-ukrainischen Grenze selbst ein Bild von der Not machen, und das hat mich zutiefst erschüttert. Es waren so viele, vor allem Frauen, Kinder, Jugendliche, alte Frauen, die Schutz suchen in Polen, in Deutschland, in Europa. Ihre Männer und ihre Söhne bleiben zurück in der Heimat, um mit ihrem Leben die Heimat zu verteidigen. Die Erschöpfung, die Verzweiflung, den Mut der Frauen zu sehen, die vielen Kinder: Das kann ich auch heute noch kaum in Worte fassen; es hat mich sehr berührt. Für uns, für die Union, und für mich selbst ist vollkommen klar: Wir müssen mit aller Kraft helfen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Leon Eckert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In der Dunkelheit gibt es immer auch helle Hoffnungsschimmer. Was wir auch erlebt haben, ist die große Hilfsbereitschaft und die professionelle Organisation unserer polnischen Nachbarn. Sie haben bereits über 1,5 Millionen Menschen aufgenommen. Polen hat ein großes Herz und einen kühlen Kopf. Auch bei uns hier in Deutschland haben die Menschen ein großes Herz. Zur Wahrheit gehört aber auch: Ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer und engagierten Kommunalpolitiker wäre unser Staat aufgeschmissen. Wir sollten ihnen allen heute ausdrücklich danken und ihnen versichern, dass das Engagement des Bundes sie nachhaltig unterstützen muss und dass wir auch dafür Sorge tragen müssen, dass unser Ehrenamt nicht überfordert wird.

Um Hilfe zu ermöglichen, braucht es auch staatliche Ordnung und Kontrolle, und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der kühle Kopf. Die Bundesregierung hat eine Schutzpflicht gegenüber den vielen Frauen, Kindern und Jugendlichen, die vor dem Krieg fliehen, die Schutz suchen. Diese Schutzpflicht hat sie bis jetzt nicht ausreichend erfüllt. Bei der Registrierung, bei der Ankunft an den Bahnhöfen, bei der Erstaufnahme und der Unterbringung herrscht teilweise Chaos. Und damit nicht genug: Seit Wochen warnen die Polizeigewerkschaften vor skrupellosen Kriminellen, die versuchen, Frauen und Mädchen aus der Ukraine in ihre Gewalt zu bekommen. Nur wenige Hundert Meter von hier entfernt, am Berliner Hauptbahnhof, gibt es diese Übergriffe. Die Bundespolizei warnt dort auf Schildern junge Frauen und unbegleitete Minderjährige vor auffälligen Übernachtungsangeboten.

Die Warnungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die sind richtig. Aber das darf nicht alles sein. Frauen, Kinder, Jugendliche, die vor Krieg fliehen, sie brauchen kein Laisser-faire; sie brauchen Schutz und ordnende staatliche Strukturen. Und wenn auch nur eine ukrainische Frau, die jetzt bei uns Schutz sucht, in der Zwangsprostitution landet oder auch nur ein unbegleiteter Minderjähriger in Not gerät, weil unser Staat schlecht organisiert ist oder weil er zu langsam agiert, dann lässt sich das mit nichts wiedergutmachen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb fordern wir eine sofortige Schutzstrategie für Frauen und für Kinder, die zu uns kommen. Das bedeutet: eine systematische Registrierung direkt nach der Einreise, damit wir wissen, wer zu uns kommt, wer bleiben wird und um wen wir uns kümmern müssen. Darauf zu hoffen, dass die Frauen selbst den Weg zu einer Aufnahmeeinrichtung oder zur Ausländerbehörde finden, das ist kein Konzept. Es braucht Schutzzonen an Bahnhöfen, in denen professionelle Hilfsorganisationen die Frauen und Kinder in Empfang nehmen, sie versorgen und in zentral geschützte Erstaufnahmeeinrichtungen weiterleiten. Es ist kein Zustand, dass sich irgendwer am Berliner Hauptbahnhof und an anderen Bahnhöfen aufhält und die Frauen mitnehmen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Das ist ein bisschen despektierlich den Helfern gegenüber!)

Und: Es braucht einen Krisenstab, in dem sich Bund, Länder und Kommunen dauerhaft über Verteilung, Versorgung und alle weiteren Fragen austauschen. Frau Ministerin Faeser hat diesen Krisenstab – die Grünen haben einen Flüchtlingsgipfel gefordert – diese Woche in der Regierungsbefragung vom Tisch gefegt und gesagt, das bräuchte es nicht. Aber ich glaube, auch die Grünen haben Zweifel am Krisenmanagement; sonst hätten sie diesen Flüchtlingsgipfel nicht gefordert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, Sie sind in der Regierung. Handeln Sie auch danach!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Frau Faeser, liebe Bundesregierung, realisieren Sie endlich den Ernst der Lage, übernehmen Sie Verantwortung, und schützen Sie die Frauen und Kinder; denn es werden noch viele vor Putins Bomben fliehen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Als Putins Bomben in Syrien gefallen sind, hatten Sie nicht so viel Herz! – Gegenruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Traurig, aber wahr!)

Das Wort hat die Staatsministerin Reem Alabali-Radovan.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7534321
Wahlperiode 20
Sitzung 21
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Lage der ukrainischen Flüchtlinge
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