Reem Alabali-Radovan - Aktuelle Stunde - Lage der ukrainischen Flüchtlinge
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe größten Respekt vor der Ukraine, vor ihrem Präsidenten und den Ukrainerinnen und Ukrainern. Sie kämpfen in diesen Wochen für ihr Land und ihre Demokratie. Sie kämpfen für Werte, die auch unsere sind. Es sind universelle Werte. Es geht um Freiheit, Frieden und das Leben. Putins Krieg ist damit ein Angriff auf uns alle, auf unsere Werte. Wir unterstützen die Ukraine mit aller Kraft.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
In diesen Wochen fehlen uns oft die Worte: weil Putins Krieg millionenfaches unsägliches Leid verursacht, weil Geburtskliniken und Wohnungen zerbombt werden, weil Frauen, Männer und Kinder sterben. Mir stockt der Atem, wenn ich Präsident Selenskyj im Bundestag höre, wenn ich den Mut der Ukrainerinnen und Ukrainern sehe, wenn mir bei mir zu Hause in Schwerin in einer Notunterkunft eine Frau aus Charkiw ihr Schicksal, ihre Fluchtgeschichte erzählt.
Auch wenn die Worte fehlen: Wir sind nicht sprachlos. Wir packen an, gemeinsam im Schulterschluss von Bund, Ländern und Kommunen, gemeinsam im Haupt- und Ehrenamt. Was in diesen Tagen geleistet wird, ist herausragend. Deutschland hilft Menschen in größter Not. Dafür danke ich allen: den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der kommunalen Verwaltungen, dem THW, der Bundeswehr, den Polizeien von Bund und Ländern. Ich danke ganz besonders den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Deutschland steht zusammen. Die Menschen legen einfach los, tagein, tagaus. Dafür gebührt ihnen größter Respekt und Anerkennung.
Stand heute sind rund 200 000 Menschen aus der Ukraine zu uns geflohen; das ist die Größenordnung der Hansestadt Rostock. Und das sind nur die Registrierten. Tatsächlich sind es weitaus mehr – privat eingereist und untergekommen bei Verwandten und Freunden, weil Ukrainerinnen und Ukrainer ohne Visum einreisen können, weil wir niemanden an den Grenzen aufhalten, der vor Bomben und Granatsplittern flieht – und das ist auch gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
Es ist in dieser schlimmen Zeit ermutigend, dass Europa zusammensteht. Putins Krieg ist ein Wendepunkt in der Geschichte Europas, auch für ein Europa, entstanden nach dem Horror des Zweiten Weltkrieges, das jetzt wieder stärker zusammenwächst. Die Idee des gemeinsamen Europas hat sich nicht erledigt. Ganz im Gegenteil: Sie ist aktueller denn je.
Ja, die Herausforderung der Aufnahme und Unterbringung ist jetzt riesengroß, in Europa, aber auch bei uns in Deutschland. Darum ist es gut, dass wir auf allen Ebenen – Bund, Länder und Kommunen – im engen, regelmäßigen Austausch sind. Die Koordinierung – da können Sie sich sicher sein – läuft auf Hochtouren. In diesen Stunden, gerade jetzt, spricht der Bundeskanzler, aber auch die Bundesinnenministerin mit allen 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten. Der Bund koordiniert die Ankünfte von Zügen und Bussen im Bundesgebiet. Die Länder melden ihre Kapazitäten zur Unterbringung. Alleine heute starten zum Beispiel 147 Busse mit 9 500 Plätzen, die ins gesamte Bundesgebiet fahren, genauer: in acht Bundesländer, um Berlin, Cottbus und Hannover zu entlasten.
Das BAMF ist in allen Bundesländern mit Amtshilfe aktiv, vor allem bei der Registrierung. Ebenso helfen Bundeswehr und THW. Wir unterstützen zudem bei der Verteilung in Deutschland und in der EU. Das zeigt: Die Länder und Kommunen können sich auf den Bund verlassen. Wir unterstützen; denn natürlich wissen wir alle: Weder Berlin noch Brandenburg oder Bayern können das alleine stemmen. Ganz Deutschland zieht mit. Die Solidarität ist in diesen Tagen überwältigend.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Weil ich das jetzt immer gefragt werde: Ja, ich bin zuversichtlich, und ich weiß aus meiner Erfahrung von meiner Arbeit in der Erstaufnahme, dass wir 2022 besser vorbereitet sind als 2015. Wir haben in der EU mit einem historischen Schulterschluss für schnelle und unbürokratische Aufnahme gesorgt. Wir ermöglichen sicheren, langfristigen Aufenthalt für alle, die aus der Ukraine fliehen. Dafür hat die Bundesregierung mit § 24 Aufenthaltsgesetz gesorgt. Damit steht auch der Zugang zum Arbeitsmarkt und der Zugang zu Integrationskursen offen. Das ist ein Kraftakt; das ist Integration von Anfang an.
Zum Schluss: Wir müssen jetzt auch klare Haltung zeigen. Es gibt keine Geflüchteten erster oder zweiter Klasse. Es darf niemals um Herkunft oder Hautfarbe gehen. Wir lassen nicht zu, wenn Drittstaatsangehörige aus der Ukraine an den Grenzen diskriminiert werden.
(Enrico Komning [AfD]: Wieso? Die können doch nach Hause gehen!)
Polen, Rumänien und die Slowakei haben klargestellt, dass sie das auch nicht dulden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich nehme solche Meldungen von den EU-Außengrenzen sehr ernst. Seien wir also gemeinsam weiterhin sehr wachsam. Wir vergessen die Geflüchteten natürlich nicht, die bereits bei uns sind und Schutz suchen, egal ob sie vorher schon aus der Ukraine stammten oder aus Syrien, Afghanistan, Eritrea oder dem Irak. Wir unterteilen nicht in Gruppen; wir geben allen Menschen Sicherheit, die Schutz brauchen, weil sie Menschen sind.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nein, wir sind in diesen Tagen nicht sprachlos. Wir geben klare Antworten auf Putins Angriffskrieg – in Europa, in Bund, Ländern und Kommunen, gemeinsam stark, fest an der Seite der Ukraine.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Gottfried Curio hat das Wort für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7534322 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 21 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Lage der ukrainischen Flüchtlinge |