Albert StegemannCDU/CSU - Folgen der Ukraine-Krise für die Ernährungssicherheit
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Heute Morgen haben wir gemeinsam die Videobotschaft des ukrainischen Präsidenten Selenskyj verfolgt. Ich bin immer noch zutiefst beeindruckt, wie er auf uns eingeredet, wie er um mehr Unterstützung gebeten, ja sogar gefleht hat. Es war ein sehr trauriger, ein sehr demütig machender Moment. Das wollte ich hier zu Beginn der Debatte noch einmal kundtun.
Genau dadurch leben wir seit drei Wochen in einer anderen Welt, und wir leben in einem anderen Europa. Aber Krisenzeiten lassen uns auch zusammenrücken. Und bei aller Lust auf parlamentarische Auseinandersetzung gilt es jetzt, auf das Verbindende zu setzen. Deswegen setzen wir auf Rechtsstaatlichkeit, wir setzen auf Demokratie, und wir setzen auf eine Allianz gegen Unterdrückung, Mord und Aggression in unvorstellbarem Ausmaß.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dennoch: Der Krieg in der Ukraine trifft uns auch im Alltag. Das erleben wir täglich an der Zapfsäule, an der Entwicklung der Strom- und Heizkostenrechnungen, aber auch sehr bald werden wir es in wesentlich stärkerem Maße bei den Lebensmittelpreisen erleben; hier zeigen alle Indikatoren, die uns dort zur Verfügung stehen, steil nach oben.
Es ist auch kein Wunder; denn wenn die Ukraine und Russland mit einem fast 30‑prozentigen Anteil an der Weizenexportmenge als Marktteilnehmer ausfallen, hat das globale Auswirkungen – selbstverständlich auch für uns! Und wenn die Mitarbeiter und die Landwirte in der Ukraine eingezogen werden, der Kraftstoff für militärische Zwecke zur Landesverteidigung gebraucht wird, dann kann kein Weizen und auch kein Mais ausgesät werden. Und ohne Aussaat keine Ernte, und ohne Ernte kein Export.
Was will ich damit sagen? Es geht nicht nur um Preise bei uns, sondern es geht ganz konkret auch um physische Verfügbarkeiten. Aber das darf unter keinen Umständen zu nationalen Egoismen führen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deshalb unterstützen wir jetzt als Union auch den Weg der Bundesregierung und den Weg der G‑7-Agrarminister, die offenen Märkte beizubehalten. Dass zum Beispiel Ungarn vor einigen Tagen einen Exportstopp für Getreide beschlossen hat, ist unfassbar.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn jetzt alle Nationalstaaten anfangen würden, Getreide zu bunkern, würde das die Situation nur verschärfen und damit auch zu deutlich mehr Hunger in der Welt beitragen.
Aber genauso wenig, wie es nationale Alleingänge geben darf, darf es auch keine Denkverbote geben. Unser Landwirtschaftsminister hat zum Beispiel uns als Union vorgehalten, dass wir alte Sprechzettel herauskramen würden. Warum? Weil wir uns Sorgen um die nachhaltige Versorgungslage in Europa machen? Selbstverständlich dürfen wir Nachhaltigkeitsziele nicht aus den Augen verlieren. Aber neben dem berechtigten Interesse der Nachhaltigkeit stehen auch die gleichberechtigten Interessen der Bezahlbarkeit und der Versorgungssicherheit. So können wir doch angesichts dieser Versorgungslage nicht ernsthaft bei der neuen GAP 2023 ab dem nächsten Jahr bei der Maßgabe von 4 Prozent Stilllegung verharren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir müssen endlich wieder anfangen, die Produktivität unserer landwirtschaftlichen Infrastruktur als Chance zu begreifen.
Frau Staatssekretärin, Sie sind ja da; grüßen Sie Herrn Özdemir! Ich mache ihm von hier aus ein konkretes Angebot: Gerne lege ich meinen alten Sprechzettel aus der Hand; aber dann legen Sie bitte auch Ihren pawlowschen Reflex ab, uns immer wieder den Griff in die Mottenkiste vorzuwerfen. Wir sind schließlich in einer neuen Situation, und die neue Situation verlangt eine neue Bewertung und ein neues Ausrichten des agrarpolitischen Kompasses.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und nun noch kurz zu den Anträgen der AfD; das kann ich relativ kurz halten. Die Anträge – zum Beispiel Ihr Antrag zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung – gehen komplett am Ziel vorbei. Die anderen Anträge sind entweder zu europakritisch oder schlicht oberflächlich. Deshalb lehnen wir als Union Ihre Anträge ab.
Herzlichen Dank fürs Zuhören.
(Beifall bei der CDU/CSU – Bernd Schattner [AfD]: Das ist begründet!)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Renate Künast das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7534395 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 21 |
Tagesordnungspunkt | Folgen der Ukraine-Krise für die Ernährungssicherheit |