Sebastian BrehmCDU/CSU - Fristenballung bei steuerberatenden Berufen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu später Stunde sprechen wir heute über ein wirklich drängendes und wichtiges Thema, auch wenn der Titel nicht sexy klingt: „Fristenballung bei steuerberatenden Berufen auflösen“. Aber deswegen spricht man ja auch von der stillen Erotik des deutschen Steuerrechts.
(Heiterkeit bei der CDU/CSU)
Aber Spaß beiseite.
Es gibt viele Berufsgruppen in Deutschland, die in der Pandemie unter extremer Arbeitsbelastung gelitten haben und auch immer noch leiden. Eine dieser Gruppen sind die Steuerberaterinnen und Steuerberater: ungefähr 60 000 Kanzleien – überwiegend kleinere und mittlere Kanzleien – mit über 300 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Steuerberaterinnen und Steuerberater waren von Anfang an ein wesentlicher Bestandteil der Hilfsprogramme für Unternehmen, für Mittelständler und für Soloselbstständige in der Coronapandemie.
(Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht bei den Soforthilfen!)
Durch ihren Einsatz konnten die Hilfen zielgerichtet beantragt und gleichzeitig die Ordnungsmäßigkeit der Auszahlung ermöglicht werden. Deshalb möchte ich heute ein Dankeschön sagen an die Steuerberaterinnen und Steuerberater und an die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Kanzleien, die einer extremen Stressbelastung ausgesetzt waren und viele Überstunden gemacht haben. Herzliches Dankeschön!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Ob es die Abrechnung des Kurzarbeitergeldes im Lohn- und Gehaltsbereich betraf, die Beantragung von Coronaüberbrückungshilfen I, II, III, III Plus, IV, von Künstlerhilfen, landesspezifischen Zusatzprogrammen, Neustarthilfen oder Härtefallhilfen – immer wieder mit geänderten FAQs –, all das hat zu dieser Belastung geführt. Zudem haben die Steuerberater viel geleistet gerade bei der Beantragung der Coronakredite, und sie haben viele Gespräche über die betriebswirtschaftliche Situation geführt. Gleichzeitig haben aber auch die Kanzleien mit coronabedingten Einschränkungen und neuen organisatorischen Herausforderungen gekämpft. Homeoffice, die Kinderbetreuung und das Homeschooling waren auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht einfach.
All dies führte dazu, dass man zu der normalen Aufgabe des Steuerberaters – der Steuerdeklaration, also der Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen – eigentlich nicht richtig gekommen ist. Deswegen braucht es die entsprechende Fristverlängerung.
(Beifall der Abg. Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das haben wir in unserer Zeit als Große Koalition gemacht und haben die Frist richtigerweise immer wieder verlängert.
Die Frist für die Abgabe der Steuererklärung für das Jahr 2020 – normalerweise muss man sie ja zum 28. Februar 2022 abgeben; diese Frist wäre schon verstrichen – haben wir bis zum 31. Mai verlängert, obwohl wir von Anfang an interveniert und gesagt haben: Das reicht nicht aus. – Aber unseren Antrag auf Fristverlängerung bis zum 31. August 2022 haben Sie im Finanzausschuss abgelehnt. Das ist übrigens auch ein deutliches Zeichen: Es bestehen Rechtsunsicherheit und Extrembelastung für die Steuerberater, aber Sie lehnen die Fristverlängerung ab. Das ist unzumutbar, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel!
(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Schrodi [SPD]: Wir machen es besser!)
Nur durch Drängeln und unermüdlichen Einsatz gerade der AG Finanzen in der CDU/CSU ist es gelungen, dass es jetzt im Entwurf des Vierten Corona-Steuerhilfegesetzes zwar nicht vollständig, aber zumindest zum Teil steht.
(Markus Herbrand [FDP]: Ja, ja! Ohne euch hätten wir das nicht geschafft!)
Ich will bloß mal sagen, wie das in diesem Jahr läuft. In diesem Jahr endet die Frist für die Beantragung der Überbrückungshilfe III Plus am 31. März. Die Antragsfrist für die Überbrückungshilfe IV endet am 30. Juni. Die Abrechnung der Schlussrechnung der Überbrückungshilfe I erfolgt ab Juni. Und dann kommt noch hinzu, dass die Steuerberaterinnen und Steuerberater für 35 Millionen Grundstücke innerhalb von vier Monaten neue Feststellungserklärungen für die Grundsteuer machen müssen. Das wird dazu führen, dass wir nicht nur in diesem Jahr eine Fristverlängerung für die Steuerberaterinnen und Steuerberater brauchen, sondern auch für das nächste Jahr. Hier haben Sie die Frist viel zu kurz gesetzt. In Ihrem Gesetzentwurf steht der 30. Juni. Das heißt, die Steuerberater müssen in zehn Monaten das normale Deklarationsgeschäft und zusätzlich die Aufgaben machen, die ich gerade beschrieben habe.
Ich möchte noch auf ein ganz wichtiges Thema Bezug nehmen, gerade im Hinblick auf die Fristen.
Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage von Frau Beck zulassen?
Ja, herzlich gerne. Ich freue mich.
Bitte sehr.
Ich habe meine Rede ja zu Protokoll gegeben. Aber ich muss jetzt trotzdem einmal kurz fragen, warum Sie das hier so darstellen. Sie wissen doch ganz genau, dass Ihr Antrag ausschließlich dieses eine Jahr betroffen hat. Wir gehen jetzt vorausschauend – wir planen sehr gut – vor. Wir sehen genau die gleiche Fristverlängerung für dieses Jahr vor, wie Sie sie vorgeschlagen haben, und für forst- und landwirtschaftliche Betriebe ist die Frist sogar einen Monat länger. Für die Folgejahre haben wir ebenfalls gute – sukzessiv abschmelzend – Fristen vorgegeben, die dazu führen, dass man irgendwann idealerweise wieder in den Normalbetrieb kommen kann. Warum Sie das jetzt hier so verzerrt darstellen, würde mich wirklich interessieren.
Vielen Dank.
Ich bedanke mich sehr herzlich für die Frage. – Sie haben gerade nicht zugehört.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Problem ist, dass wir es den Steuerberatern im nächsten Jahr mit der Abschmelzung zumuten, die gesamte Deklarationsarbeit zusätzlich zu den anderen Arbeiten – Neuberechnung der Grundsteuer, Abrechnung der Ü‑Hilfen – in nur zehn Monate zu erledigen. Sie verkürzen also die Frist für die Abgabe.
Einen ganz wichtigen Punkt, der bei Ihnen überhaupt nicht berücksichtigt ist, will ich noch ansprechen – insbesondere wundert es mich, dass die FDP dies auch durchgehen lässt –: Sie ignorieren, dass die Jahresabschlüsse nach § 325 HGB nach einem Jahr elektronisch veröffentlicht sein müssen. Diese Frist haben Sie für den Jahresabschluss 2020 bis zum 7. März 2022 verlängert; bis dahin gab es kein Ordnungsgeld. Der 7. März 2022 ist vorbei. Ab dieser Woche ergehen für die Steuerkanzleien und die Unternehmer die entsprechenden Ordnungsgeldbescheide, weil die Jahresabschlüsse nicht ordnungsgemäß oder nicht zeitgemäß veröffentlicht worden sind.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Diese Frist verlängern Sie nicht. Das Ordnungsgeld beträgt bis zu 25 000 Euro. Was Sie damit dem Mittelstand antun, ist aus meiner Sicht unerträglich. Sie könnten auf jeden Fall die Frist für die Veröffentlichung im Bundesanzeiger verlängern.
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das noch die Antwort?)
– Stellen Sie gerne noch eine Frage.
Nein, Fragen lasse ich hier zu; das ist meine Aufgabe.
Entschuldigung.
Wir hatten verabredet, dass es für jeden Redner die Möglichkeit gibt, eine Zwischenfrage zuzulassen, und deswegen gibt es bei Ihnen jetzt keine mehr. – Ich gehe davon aus, dass Sie die Frage von Frau Beck jetzt beantwortet haben, die sich damit wieder setzen kann. – Danke.
Jawohl. – Deswegen noch mal: Sie müssen im Entwurf eines Vierten Corona-Steuerhilfegesetzes die Frist zur Einreichung der elektronischen Bilanzen für die Kapitalgesellschaften dringend verlängern.
(Markus Herbrand [FDP]: Du weißt ganz genau, dass das EU-Recht ist! Du weißt das ganz genau!)
Sie haben letztes Mal ja auch einen entsprechenden Antrag im Finanzausschuss gestellt, in dem Sie gesagt haben, die Steuerberaterinnen und Steuerberater müssten eben auch durch die Verlängerung der Frist, lieber Herr Herbrand, entlastet werden. Das haben Sie selber mit beantragt und auch vorgetragen im Finanzausschuss.
(Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unredlich!)
Sie stellen jetzt den Finanzminister und den Justizminister und könnten diese Frist wirklich locker verlängern.
(Marianne Schieder [SPD]: Aber wir sind nicht Europa! – Markus Herbrand [FDP]: Das ist wider besseres Wissen, was Sie da erzählen!)
Deswegen bitte ich, das zu tun. Bei allen europarechtlichen Fragen ist das möglich.
(Beifall bei der CDU/CSU – Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist der Frage nicht angemessen!)
Ich kann Sie nur herzlich bitten, hierzu noch mal Stellung zu nehmen, weil es unerträglich ist, dass die Steuerberaterinnen und Steuerberater, die Unternehmerinnen und Unternehmer und die Kapitalgesellschaften – das sind ja nicht nur große, sondern auch viele kleine Kapitalgesellschaften – seit dieser Woche Bescheide des Bundesamtes für Justiz erhalten. Wenn nicht innerhalb von sechs Wochen eingereicht wird, werden Ordnungsgelder – 500 Euro, 2 500 Euro, 5 000 Euro, bis 25 000 Euro – festgesetzt, und das haben Sie dann zu verantworten. Das ist aber wahrscheinlich Ihre neue Einstellung zu den freien Berufen.
(Markus Herbrand [FDP]: Das ist doch Quatsch! Wie kann man in sechs Minuten so viel Quatsch erzählen!)
Deswegen bitte ich Sie wirklich herzlich: Ändern Sie das noch, oder stimmen Sie heute unserem Antrag zu.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Markus Herbrand [FDP]: Sechs Minuten Wahlkampfgetöse, obwohl gar kein Wahlkampf ist!)
Die nächste Rede ist auch wieder eine erste Rede hier im Bundestag, und sie kommt von Tim Klüssendorf für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7534415 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 21 |
Tagesordnungspunkt | Fristenballung bei steuerberatenden Berufen |