18.03.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 22 / Tagesordnungspunkt 26

Anja SchulzFDP - Rentenversicherung-Mindestrücklagengesetz

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Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ich den Antrag gelesen habe, musste ich zuallererst an Kino denken und daran, wie wir Filme bewerten. Es gibt gute und es gibt schlechte Filme, von Oscar bis Goldene Himbeere. Aber manchmal sind die schlimmsten Filme gar nicht die, die besonders schlecht sind; denn nicht umsonst hat das Genre des Trash-Films ganz viele Anhänger. Die schlimmsten Filme sind die langweiligen, bei denen nichts hängen bleibt und bei denen man die Handlung schon längst vergessen hat, bevor man aus dem Kino wieder heraus ist.

Ich hätte nichts dagegen gehabt, in meiner ersten Rede zu einem Trash-Antrag mit marxistischer Note zu reden, wie man ihn üblicherweise von der Linkspartei kennt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: „Die Linke“ heißen wir!)

Stattdessen bekommen wir eine Aneinanderreihung vieler Mutmaßungen, einen Antrag, der eine Erhöhung der Mindestreserve in der Deutschen Rentenversicherung vorsieht, dabei allerdings etwas zu oft die Formulierung „nicht quantifizierbar“ nutzt.

Sie argumentieren in Ihrem Antrag, dass die Inanspruchnahme von Liquiditätshilfen des Bundes durch die Rentenversicherung das Vertrauen der Bundesbürger in unser Rentensystem schädigt. Meinen Sie nicht, dass eine Erhöhung des Rentenbeitrags zur Finanzierung Ihrer Maßnahme genau denselben Effekt hätte, womöglich einen deutlich schlimmeren? Immerhin äußert sich diese Maßnahme in jedermanns Geldbeutel.

Gerade mit Blick auf die steigende Inflation, die sich an den Zapfsäulen, an der Supermarktkasse oder auf der Stromabrechnung deutlich zeigt, ist das Timing dieses Antrags denkbar schlecht gewählt. Daher verwundert es mich umso mehr, dass ausgerechnet ein Antrag von links das Leben der Bürgerinnen und Bürger noch teurer machen möchte.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Auch die zusätzliche Belastung der Wirtschaft in Zeiten der Krise halte ich für fatal. Unsere Wirtschaft erholt sich gerade erst wieder von den Auswirkungen der Pandemie und steht mit dem Krieg in der Ukraine vor der nächsten Herausforderung. Eine Nachjustierung, die höhere Rentenbeiträge erfordert, käme zu keinem Zeitpunkt schlechter als jetzt. Wir sollten die Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise unterstützen und nicht noch weiter belasten.

(Beifall bei der FDP)

Das künstliche Sicherheitsgefühl, das Sie durch die Anhebung der Mindestreserve hervorrufen möchten, ist überflüssig. Zum Ende des letzten Jahres lag die Rücklage trotz der Pandemie

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Genau!)

bei 1,55 Monatsausgaben und damit oberhalb der eigentlich erforderlichen Grenze. Die Rentenversicherung hat die Krise also gut überstanden. Außerdem gilt die gesetzliche Pflicht des Bundes, für die Liquidität der Rentenversicherung zu sorgen. Hierfür steht immer eine Bundesgarantie zur Verfügung, und darauf können sich die Bürgerinnen und Bürger auch verlassen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dennoch bin ich sehr froh darüber, dass Sie das Thema Rente in Ihrem Antrag aufgegriffen haben; denn dieses unglaublich wichtige Thema bekommt leider viel zu selten die Aufmerksamkeit, die es verdient. Das Abschmelzen der Nachhaltigkeitsrücklage ist dabei allerdings unser geringstes Problem.

Sie sprechen das Thema „Vertrauen in unser Rentensystem“ an. Es wird Sie jetzt nicht sonderlich überraschen, wenn ich Ihnen sage, dass gerade bei jungen Menschen das Vertrauen in die Rentenversicherung nicht mehr allzu groß ist. Die wenigsten jungen Menschen glauben noch ernsthaft daran, jemals in den Genuss einer Rente zu kommen; dabei ist die Höhe völlig egal. Wenn man die Sache nüchtern betrachtet, dann kann man auch ganz schnell herausfinden, wie man zu diesem Schluss kommt: Bereits heute wird die gesetzliche Rentenversicherung mit knapp 100 Milliarden durch Haushaltsmittel gestützt, und zwar jährlich.

(Beifall bei der FDP)

Die Umlagefinanzierung stößt damit schon seit Jahren an ihre Grenzen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie steigern das sogar noch!)

Wir dürfen daher nicht nur darüber reden, wie es in Ihrem Antrag gefordert wird, was im Jahre 2023 oder 2024 erhöht wird; sondern wir müssen dringend darüber reden, was wir Menschen, die heute 23 oder 24 Jahre alt sind, eigentlich bieten können, was sie von uns in der Altersvorsorge zu erwarten haben.

Stichwort „Demografiefestigkeit“. Wir brauchen eine enkelfitte Rente. Je früher wir uns damit beschäftigen, desto besser. Bevor wir uns also mit der Nachhaltigkeitsrücklage beschäftigen, nehmen wir uns doch lieber erst einmal den ersten Teil des Wortes vor: „Nachhaltigkeit“. Schaffen wir endlich eine Rente, die uns unabhängiger von der demografischen Entwicklung macht, und ergänzen wir die gesetzliche Rente um eine kapitalgedeckte Rente!

(Beifall bei der FDP)

Das im Koalitionsvertrag fest verankerte Startkapital für die Aktienrente ist hierfür ein gutes Fundament. Wir wollen einen global investierenden, von Profis verwalteten Fonds. Durch kluge Investitionen am Kapitalmarkt können wir das Finanzierungsproblem in der Rentenkasse nachhaltig lindern.

Große Probleme löst man nicht, indem man an kleinen Schrauben dreht. Wir fahren schon seit Jahren bei diesem Thema mit 180 auf eine Wand zu, und die Aktienrente schafft da Abhilfe. Durch die kapitalgedeckte Altersvorsorge haben wir die Chance, unser Rentensystem wieder auf eigene Beine zu stellen.

(Beifall bei der FDP)

Dafür zu sorgen, das sind wir kommenden Generationen schuldig.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank. – Der Kollege Michael Gerdes hat das Wort für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7534540
Wahlperiode 20
Sitzung 22
Tagesordnungspunkt Rentenversicherung-Mindestrücklagengesetz
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