Dennis RohdeSPD - Allgemeine Finanzdebatte
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle hatten mit Blick auf diesen Haushalt, glaube ich, die Hoffnung, dass die Planungsunsicherheiten, die ihm unterliegen, kleiner werden. Aber zur Wahrheit gehört: Die Inflationsprognosen der Wissenschaft sind noch nie so weit auseinandergegangen, die Wachstumsprognosen sind noch nie so weit auseinandergegangen; die Folgen der Coronakrise mischen sich mit den Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der Russen auf die Ukraine.
In Zeiten, wo die Energiepreise explodieren, wo Menschen dadurch bedroht sind, von ihren Teilhabemöglichkeiten ausgeschlossen zu werden, wo Menschen Schutz und Zuflucht bei uns suchen, wo die Friedensordnung der letzten drei Jahrzehnte endet, stellt uns das nicht nur vor allgemeinpolitische, sondern auch vor haushalterische Herausforderungen. Das ist der Moment, einmal innezuhalten und die Maxime der eigenen Haushaltspolitik zu überdenken, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Deshalb ist es gut und richtig, dass die Bundesregierung jetzt weiter plant und dass der Bundesfinanzminister angekündigt hat, einen Ergänzungshaushalt zu diesen Themen vorzulegen, um die großen Herausforderungen, die vor uns liegen, auch anzugehen. Ich will für unsere Fraktion sagen: Für uns ist Haushaltspolitik kein Selbstzweck. Es geht nicht darum, ob die NKA am Ende höher oder niedriger ausfällt, ob die Ausgaben steigen oder sinken, wie hoch die Investitionsquote im Einzelnen ist.
(Peter Boehringer [AfD]: Doch!)
All das ist kein Zweck an sich, das ist kein Wert an sich. Es geht nicht um das blinde Erreichen irgendwelcher Kennzahlen. Für uns geht es darum, dass der Staat gerade in diesen Krisenzeiten in der Lage ist, Sicherheit im Wandel zu geben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Das ist unser Verständnis von der Aufgabe eines vorsorgenden und fürsorgenden Staates, und das ist die Maxime unserer Haushaltspolitik.
Eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der Herausforderungen, die vor uns liegen, wird der Klima- und Transformationsfonds einnehmen. Er wird mit erheblichen Mitteln ausgestattet werden: 203 Milliarden Euro bis 2026, Geld, das in jederlei Hinsicht nötig ist; denn dieser Klima- und Transformationsfonds ist zur Bekämpfung aller drei Krisen, die uns bevorstehen, wichtig.
Er ist wichtig zur Bekämpfung der Klimakrise, über die wir in diesen Zeiten vielleicht viel zu wenig diskutieren. Aber es ist unsere Pflicht, den Planeten für künftige Generationen zu sichern. Dafür ist der Klima- und Transformationsfonds da.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir wollen mit entsprechenden Maßnahmen aus dem Klima- und Transformationsfonds der Wirtschaft bei ihren so dringend notwendigen Transformationsprozessen helfen, sei es in der Stahl- oder in der Chemieindustrie. Wir wollen aber auch Menschen helfen, ihren persönlichen Beitrag zur Energiewende zu leisten, indem sie zum Beispiel Zuschüsse für die energetische Sanierung ihrer Häuser bekommen. Auch das ist uns wichtig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und der Klima- und Transformationsfonds gibt auch eine Antwort auf die zweite Krise, über die wir momentan sehr viel diskutieren, nämlich die Folgen der Ukrainekrise. Es geht uns darum – ich glaube, der Letzte in diesem Haus muss es jetzt auch verstanden haben –, durch den Ausbau der erneuerbaren Energien Versorgungssicherheit in Deutschland sicherzustellen und unabhängig zu werden von Drittstaaten. Das ist das Ziel, das wir jetzt primär angehen wollen, und deshalb ist der Klima- und Transformationsfonds auch an dieser Stelle so wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
All das ist auch mit der Pandemiebewältigung verbunden. Jeder Euro, den wir investieren, schafft Arbeitsplätze. Er sorgt dafür, dass die Arbeitsplätze, die wir in den letzten zwei Jahren durch diese Krise gebracht haben, morgen zukunfts- und gesellschaftsfähig sind. Er sorgt dafür, dass die Brücken, die wir gebaut haben, in der Zukunft ankommen. Wir werden mit dem Klima- und Transformationsfonds diese Pandemie nachhaltig verlassen, und das ist auch politisch wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Nun sind die Verhandlungen, die wir in den nächsten Monaten führen werden, wesentlich umfangreicher als sonst. Wir werden den Kernhaushalt, der uns vorgelegt wurde, diskutieren. Wir werden den Ergänzungshaushalt diskutieren, der uns hoffentlich in wenigen Wochen vorliegt. Wir werden den Gesetzentwurf diskutieren, der aus dem Energie- und Klimafonds den Klima- und Transformationsfonds macht. Und wir werden über eine Grundgesetzänderung und über das Sondervermögen Bundeswehr diskutieren.
Ich glaube, allen hier ist der Ausstattungszustand der Bundeswehr bekannt. Die Bundeswehr hat drei Jahrzehnte Friedensdividende gezahlt. Sie hat sie gezahlt, weil für viele von uns nicht vorstellbar war, dass wir uns jemals in dieser Situation befinden könnten, in der wir heute sind. Für meine Generation – ich bin 1986 geboren –, für viele Kolleginnen und Kollegen hier im Haus, die noch jünger sind, die den Kalten Krieg nicht mehr aus eigenem Erleben wahrgenommen haben, ist das gerade wahrlich eine Zeitenwende. Deswegen begrüßen wir die Initiative des Bundeskanzlers, ein Sondervermögen zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit zu schaffen, ausdrücklich.
(Beifall bei der SPD)
Herr Kollege Dobrindt, wenn man mit Blick auf das Sondervermögen nur über Schulden spricht, dann frage ich: Welches Bild sollen die Soldatinnen und Soldaten in Deutschland eigentlich von dieser Unionsfraktion haben?
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU])
Ich bin der festen Überzeugung, dass es in der Bevölkerung eine breite Akzeptanz für dieses Sondervermögen gibt; denn seine Ausgestaltung sorgt dafür, dass die Themen der äußeren Sicherheit nicht in Konkurrenz gestellt werden zu den Themen der inneren und der sozialen Sicherheit, dass wir nicht das eine gegen das andere ausspielen, sondern dass wir die Krisenfolgen ganzheitlich betrachten. Wir stärken die äußere, innere und soziale Sicherheit. Das ist gerade in der heutigen Zeit eine wichtige Botschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Frau Ministerin Lambrecht, ich begrüße, dass es nicht nur um die Finanzierung von prestigeträchtigen Großprojekten geht, dass es nicht nur darum geht, eine Nachfolge für den Tornado zu finden, einen schweren Transporthubschrauber, sondern dass Sie von vornherein deutlich gemacht haben: Ein Teil dieses Geldes ist dafür da, um die Soldatinnen und Soldaten ganz schnell besser auszustatten, Geld, das sofort bei der Truppe ankommt. – Das ist auch ein wichtiges Signal, das wir, glaube ich, alle unterstützen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich habe gerade gesagt, dass wir die äußere nicht gegen die innere und die soziale Sicherheit ausspielen. Ich will ein Beispiel nennen, worauf es jetzt, glaube ich, auch mit Blick auf den Ergänzungshaushalt ankommt: Wir reden mit Blick auf den Krieg in der Ukraine über unsere Verantwortung in der Welt. Wir reden darüber, den Menschen, die hier bei uns oder anderswo Schutz suchen, zu helfen. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es nicht nur die Ukraine gibt. Wir reden auch über Afghanistan, über Syrien, Somalia, über den Jemen, den Irak; ich könnte noch viele weitere Länder aufzählen. Diese Länder dürfen wir in dieser Debatte nicht vergessen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Um es ganz deutlich zu machen: Wenn wir gerade lesen, dass die ukrainische Getreideproduktion wegbricht, dass das bei uns dafür sorgt, dass Preise steigen werden, wir uns das aber leisten können, dadurch aber droht, dass in Afrika eine Hungersnot ausgelöst wird, dann dürfen wir nicht weggucken, liebe Kolleginnen und Kollegen, und dann müssen wir einen Beitrag leisten, den Betroffenen zu helfen. Auch das muss sich im Ergänzungshaushalt wiederfinden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundeskanzler hat von einer Zeitenwende gesprochen. Vieles um uns herum befindet sich im Wandel. Für uns ist es Aufgabe einer vorausschauenden Haushaltspolitik, Sicherheit in diesem Wandel zu geben. Dafür werden wir uns in den Haushaltsverhandlungen in den nächsten Wochen einsetzen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Das Wort für die AfD-Fraktion erhält der Kollege Peter Boehringer.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7534579 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 23 |
Tagesordnungspunkt | Allgemeine Finanzdebatte |