22.03.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 23 / Einzelplan 16

Amira Mohamed AliDIE LINKE - Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Gerade einmal 41 Millionen Euro sind im Haushalt für die Verbraucherpolitik vorgesehen. Zum Vergleich: Ein Unternehmen, das dafür bezahlt wird, für deutsche Unternehmen im Ausland Werbung zu machen, bekommt 44 Millionen Euro, mehr also, als für den Schutz von 83 Millionen Verbraucherinnen und Verbrauchern in unserem Land vorgesehen ist. Kolleginnen und Kollegen, das geht so nicht! Der Verbraucherschutz braucht viel mehr.

(Beifall bei der LINKEN)

Viel zu oft werden Verbraucher von großen Unternehmen betrogen und abgezockt: überhöhte Dispozinsen, Kreditverträge mit horrenden versteckten Nebenkosten, irreführende Werbung.

Kürzlich mahnte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen alle großen Telefonanbieter wegen schlechter Beratung und Verstößen gegen Informationspflichten ab. Und jeder, der schon einmal in einer der vielen Kundendiensthotlines festsaß, der weiß: Viel zu oft braucht man Nerven wie Drahtseile, um als Verbraucher zu seinem Recht zu kommen. Aber das sollte nicht so sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Blick in die digitale Welt zeigt den Ernst der Lage umso deutlicher. Es wimmelt von Fake-Bewertungen und Fake Shops. Unsere Daten werden viel zu oft hemmungslos genutzt. Der Manipulation sind Tür und Tor geöffnet, und nicht jedem ist bewusst, dass die Algorithmen, die das individuelle Kauf- und Klick-Verhalten analysieren, nicht nur für individuelle Produktangebote sorgen; nein, sie sorgen auch für individualisierte Preise. Aus der Fülle von persönlichen Daten wird analysiert, wer von uns bereit ist, für welches Produkt wie viel Geld auszugeben, und den Preis kriegt man dann angezeigt. Das ist Manipulation auf allerhöchstem Niveau, und all dem muss man etwas Schlagkräftiges entgegensetzen, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Verbraucherschützer in unserem Land, zum Beispiel in den Verbraucherzentralen, arbeiten unermüdlich mit großartigem Einsatz. Aber dieser Übermacht können sie viel zu oft viel zu wenig entgegensetzen, weil sie personell und sachlich einfach nicht genügend ausgestattet sind. Geben Sie ihnen endlich die Mittel, die sie brauchen, um ihre wichtige Aufgabe zu erfüllen! Schluss mit dieser Unterfinanzierung!

(Beifall bei der LINKEN)

Das gilt auch für sämtliche staatliche Kontrollbehörden, von der Lebensmittelaufsicht bis zum Zoll. Kürzlich habe ich bei mir zu Hause in Oldenburg ein Gespräch mit Zollbeamten geführt. Ich weiß nicht, ob die Bundesregierung weiß, wie die Lage da ist. Darum stelle ich es mal kurz dar.

Die technische Ausstattung ist, wenn vorhanden, vollkommen überaltert. Die digitale Vernetzung zwischen den Behörden ist mangelhaft. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind chronisch überlastet, weil Kolleginnen und Kollegen fehlen.

Und ja, ich weiß, es sollen jetzt mehr Stellen beim Zoll geschaffen werden. Das ist auch gut, aber bereits heute können 800 Stellen nicht besetzt werden, weil man einfach keine Leute dafür findet. Das liegt wiederum daran, dass man als Zollbeamter beim Einstieg nur so wenig verdient, dass man davon nicht mal eine Wohnung in einer Großstadt bezahlen kann. Hier muss man ran.

Es muss insgesamt endlich Schluss damit sein, dass diejenigen, die in unserem Land die wichtigsten Aufgaben erfüllen – in den Kontrollbehörden, in den Beratungsstellen, im gesamten sozialen Bereich –, dass diese Menschen mies bezahlt werden und unter Dauerüberlastung leiden. Damit muss Schluss sein. Echte Leistung muss sich endlich lohnen, Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der LINKEN)

Das gilt auch für die Schuldnerberatungen. Ja, erstmals sind dafür im Haushalt jetzt 1 Million Euro vorgesehen – na, Donnerwetter. In Anbetracht der wachsenden Notwendigkeit von flächendeckender Schuldnerberatung ist das wirklich nur ein Feigenblatt. Aufgrund der steigenden, der explodierenden Energiekosten, gegen die Sie, Kolleginnen und Kollegen von der Regierung, sich nachhaltig weigern, effektive Maßnahmen zu ergreifen, zum Beispiel entsprechende Steuersenkungen und staatliche Preisaufsicht,

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Ja!)

geraten immer mehr Menschen in ernsthafte Schwierigkeiten.

Gute und kostenlose Schuldnerberatung flächendeckend ist wichtiger denn je. Nach unseren Berechnungen bräuchte es dauerhaft 15 Millionen Euro im Haushalt für eine soziale Schuldnerberatung, und das ist ja wohl wirklich das Mindeste, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn es nach uns geht, sollten Inkassounternehmen an diesen Kosten angemessen beteiligt werden. Wenn man bedenkt, wie viele sich hier teilweise mit mehr als fragwürdigen Methoden eine goldene Nase verdienen, ist das wirklich nur recht und billig.

(Zuruf von der LINKEN: Genau!)

Leider agiert die neue Bundesregierung bisher mit der gleichen Zögerlichkeit, der gleichen Knausrigkeit wie die Vorgängerregierungen, wenn es darum geht, das notwendige Geld für Beratungsstellen, Kontrollinstanzen und Kontrollbehörden zur Verfügung zu stellen. Warum? Wollen Sie ernsthaft behaupten, dafür sei kein Geld da, wenn Sie auf der anderen Seite unfassbare 100 Milliarden Euro für Aufrüstung ausgeben wollen? Sogar das Grundgesetz soll dafür geändert werden. Warum ist für den Verbraucherschutz nur so wenig Geld da? Frau Ministerin Lemke, diese Frage müssen Sie den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes wirklich beantworten.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Der nächste Redner für Bündnis 90/Die Grünen ist der Kollege Dr. Sebastian Schäfer.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7534624
Wahlperiode 20
Sitzung 23
Tagesordnungspunkt Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
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