22.03.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 23 / Einzelplan 12

Reinhard BrandlCDU/CSU - Digitales und Verkehr

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Wissing, Sie sind jetzt als Digitalminister ziemlich genau 100 Tage im Amt. Wir hätten jetzt nicht erwartet, dass Sie in der Zeit die Welt retten oder den letzten Weiler mit Glasfaser erschließen. Wir haben noch nicht mal erwartet, dass Sie in der Zeit eine Digitalstrategie vorlegen. Was wir aber erwartet hätten, wäre, dass sich die Ampel in den ersten 100 Tagen zumindest darauf einigt, wer wofür zuständig ist.

Wir haben im Januar 62 konkrete Fragen zu digitalen Themen an die Bundesregierung gestellt. Wir haben gestern die Antwort erhalten – es ist im Wesentlichen eine Antwort –: Über die interne Verteilung der Zuständigkeiten finden noch regierungsinterne Abstimmungen statt. – Ich habe den Satz so oft gelesen, dass ich ihn schon fast auswendig kann.

Meine Damen und Herren, das wäre ja alles kein Problem, wenn wir heute nicht den Haushalt für 2022 beraten würden. Denn alles, was nicht im Haushalt für 2022 steht, wird 2022 nicht passieren. Herr Wissing, Sie hatten viele gute Ideen im Koalitionsvertrag. Ich nehme mal das Digitalbudget als Beispiel. Das steht in diesem Haushalt nicht drin. Warum? Es doch war Ihr Spruch: Digital first, Bedenken second. – Machen Sie doch einfach mal!

(Beifall bei der CDU/CSU – Carina Konrad [FDP]: Machen Sie doch einfach mal, sagt die Union! Die Union!)

Als Digitalminister haben Sie aber – das muss man fairerweise dazusagen – bereits am Tag 99 einen ersten inhaltlichen Punkt gemacht: Sie haben die Eckpunkte Ihrer Gigabit-Strategie vorgestellt, und zwar exklusiv den CEOs der großen Netzbetreiber. Ich hätte es besser gefunden, Sie hätten sie am Tag 98 dem Ausschuss vorgestellt; zu dem Zeitpunkt hatten die Grünen das Thema nämlich auf die Tagesordnung gesetzt. Dafür hat Ihre Staatssekretärin original eine ganze Stunde lang die Auskunft über Ihre Pläne verweigert mit der Begründung, der Minister müsse das zuerst mit den Unternehmen besprechen, bevor er in den Bundestag kommt.

(Zuruf von der FDP: Unverschämtheit! Das stimmt doch gar nicht!)

Jeder so, wie er mag.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, die Eckpunkte liegen in der Zwischenzeit vor. Nun kann man über den Inhalt reden, und das möchte ich auch gerne tun. Wir hätten viele Eckpunkte ähnlich wie Sie formuliert: Digitalisierung der Genehmigungsverfahren, Gigabit-Grundbuch, Einsatz alternativer Verlegeverfahren, Unterstützung der Kommunen; das geht alles in die richtige Richtung.

(Zuruf von der FDP: Sehen Sie!)

Aber wenn Sie das im Ausschuss vorgestellt hätten, hätte ich bei ein paar Punkten die Hand gehoben. Ich nenne drei:

Der erste Punkt. Sie setzen voll auf den privatwirtschaftlichen Ausbau,

(Zuruf von der FDP: Richtig so!)

ohne aber zu wissen, wer die Investoren und Fonds eigentlich sind und was sie wollen und ob es tatsächlich real ist, dass sie in den nächsten Jahren 50 Milliarden Euro in die Infrastruktur in Deutschland investieren werden. Wenn sie das tun, dann ist es gut, dann begrüße ich das absolut; aber im Moment traue ich den PowerPoints noch nicht.

(Falko Mohrs [SPD]: Herr Brandl, deswegen steht im Koalitionsvertrag, dass wir die Markterkundungsverfahren verbindlicher machen!)

– Ich komme gleich dazu.

(Falko Mohrs [SPD]: Gerne!)

Der zweite Punkt ist: Sie wollen bestehende Kabelnetze überbauen. Wenn Ihre Ziele, so wie Sie sie beschrieben haben, aufgehen, werden 2025 mindestens 20 Prozente der Haushalte in Deutschland zwei Gigabit-Anschlüsse zur Auswahl haben: Glasfaser und Kabel; das wird vor allem in den Städten der Fall sein. Ich würde es als besser empfinden, wenn Sie sich als Ziel setzen würden, dass in Stadt und Land jeder zumindest einen Anschluss hat.

Der dritte Punkt ist – jetzt komme ich zu den neuen Markterkundungsverfahren, Potenzialanalysen usw. –: Sie vergeuden zu viel Zeit mit neuen Eckpunkten, mit Strategien, mit neuen Förderinstrumenten, mit neuen Förderverfahren.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben Zeit vergeudet, deswegen haben wir das Dilemma! Unverschämtheit!)

Ich prognostiziere Ihnen: Bis Sie Ihr neues Förderprogramm am Laufen haben, wird es Mitte 2023 sein.

(Bettina Hagedorn [SPD]: Das wäre ja schnell! Das hat bei Ihnen zweieinhalb Jahre gedauert!)

Das bedeutet, dass der erste von der Ampel geförderte Glasfaseranschluss frühestens Ende 2024 ans Netz gehen kann. Ich sehe Sie schon vor mir: Sie werden sich 2025 trotzdem hier an dieses Pult stellen und eine Erfolgsbilanz verkünden.

(Zuruf von der FDP: Zu Recht!)

Das wird aber nicht die Erfolgsbilanz Wissing, sondern das wird die Erfolgsbilanz Scheuer sein.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Minister Scheuer hat in seiner Zeit 9,4 Milliarden Euro für den Glasfaserausbau fest zugesagt. 2 400 Projekte sind auf dem Weg. 2,7 Millionen Anschlüsse werden in den nächsten Jahren dadurch entstehen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Müdes Klatschen aus den Unionsreihen!)

Herr Wissing, Sie sind auch Verkehrsminister; ich probiere es mal damit. Geben Sie mehr Gas – ja, dann haben Sie uns an Ihrer Seite –, aber würgen Sie den bestehenden Fördermotor nicht ab.

Und an die Kollegen von der FDP – ich muss mich erst daran gewöhnen, wo Sie jetzt sitzen;

(Zurufe von der FDP: Hier!)

da sitzen Sie – –

Herr Kollege, bevor Sie sich zu sehr an das Pult gewöhnen – –

Ich hätte auch einen Spruch für Ihre Plakate: Digital first, Zuständigkeiten second. Das wäre ein Schritt. Probieren Sie es mal damit.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Frank Schäffler [FDP]: 4 Milliarden sind liegen geblieben bei euch! – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Müdes Klatschen aus den Unionsreihen!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort dem Kollegen Metin Hakverdi.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7534640
Wahlperiode 20
Sitzung 23
Tagesordnungspunkt Digitales und Verkehr
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