Mathias MiddelbergCDU/CSU - Bundeskanzleramt (einschl. Ostdeutschland, Integration und Kultur)
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler, Sie haben hier heute in einem fast erschöpfenden Beitrag Ihre eigene Regierung unter Erwähnung der einzelnen Ministerkollegen und ‑kolleginnen gelobt, und Herr Dürr hat gerade schon die Regierungspolitik – alle möglichen Ankündigungen – gelobt, die noch gar nicht stattgefunden hat.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das beeindruckt vielleicht den einen oder anderen in Ihren eigenen Reihen, aber wenn man jetzt mal ganz nüchtern Bilanz der letzten 100 Tage zieht und sich ein paar Projekte sehr konkret anguckt, dann kommt man, glaube ich, zu einer anderen Einschätzung.
Der Bundeskanzler hat hier angekündigt, eine Impfpflicht werde Ende Februar/Anfang März eingeführt. Das ist schon eine wertige Aussage, immerhin ist der Bundeskanzler Chef der Regierung, nach der Verfassung mit der Leitung der Regierungsgeschäfte beauftragt. Gehandelt hat die Regierung zu diesem Thema nicht; jedenfalls haben wir kein Handeln der Regierung dazu festgestellt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Infektionsschutzgesetz: Da feiern Sie sich auch für das, was Sie gemacht haben. Tatsächlich haben Sie uns bei der Debatte in der letzten Woche zum Infektionsschutzgesetz das Maximum an Meinungsdifferenz in Ihrer Koalition vorgeführt und haben damit gezeigt: Diese Regierung ist gar nicht handlungsfähig.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie haben die Lösung des Problems an die Länder delegiert, weil Sie selbst nicht lösungsfähig sind.
(Lachen des Abg. Timon Gremmels [SPD])
Thema Energiepreise. Herr Dürr, Sie haben eben gesagt, Sie freuen sich darüber, dass jetzt in der Koalition darüber gesprochen wird –gesprochen wird!
(Christian Dürr [FDP]: Nein, wir haben ja schon entschieden! – Timon Gremmels [SPD]: 16 Milliarden haben wir schon zur Verfügung gestellt!)
Natürlich ist es für die Menschen, die in diesen Monaten bangen, ob sie überhaupt noch finanziell klarkommen, ob sie ihre Tankrechnung noch bezahlen können, die als Pendler 200, 300 oder 400 Euro im Monat mehr bezahlen müssen, die als Busunternehmer oder als Gewerbetreibende um ihre Existenz bangen, sicherlich eine wichtige Information, dass Sie über das Thema in der Koalition sprechen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Besser wäre es, wenn Sie dieses Problem jetzt entschieden angehen würden. Wir haben dazu klare Vorschläge unterbreitet; sie sind sehr einfach umsetzbar. Wenn Sie das machen würden, könnten wir das noch in dieser Woche im Bundestag beschließen, der Bundesrat könnte das zeitnah absegnen, und dann wären die Beschlüsse unmittelbar an der Tankstelle wirksam.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: EU-Recht! Das geht doch nicht!)
Das Thema Zeitenwende hat Friedrich Merz völlig zu Recht angesprochen. Wir haben ja hier die verschiedenen Konsequenzen aus dem furchtbaren Krieg in der Ukraine diskutiert, und wir haben auch über das Sondervermögen diskutiert. Ich glaube, da ist es schon so, wie Friedrich Merz das auch festgestellt hat: Irgendwie müssen wir das, was jetzt stattfinden muss, auch geistig noch nachvollziehen, und vor allen Dingen müssen Sie in diesem Teil des Hauses das geistig wirklich verarbeiten.
(Zurufe der Abg. Timon Gremmels [SPD] und Katja Mast [SPD])
– Ja, ich sage das ganz deutlich.
Ich kann mich sehr genau an den letzten Bundestagswahlkampf erinnern. Da wurden häufig auch die Verteidigungspolitik, die Verteidigungsausgaben, die Ausgaben für die Bundeswehr diskutiert. In manchen Veranstaltungen wurde gefragt: Wer ist denn für die Einhaltung des 2‑Prozent-Ziels der NATO? Da habe ich die Hand gehoben und auch der Kollege der FDP, der damals kandidiert hat. Die Kollegen, die aus den anderen Parteien kandidiert haben, haben jeweils gesagt: Nein, das kommt nicht infrage. Das ist ein blödes Ziel, das wollen wir nicht machen. Die Bundeswehr ist für uns nachrangig. Wir haben ja kaum noch relevante Verteidigungsaufträge, so ein paar internationale Einsätze.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es geht darum, das jetzt verstanden zu haben: Welches ist denn jetzt die Lehre aus diesem Krieg, diesem unglaublichen Tabubruch? Sie besteht darin, dass wir tatsächlich in dem einen oder anderen Punkt umdenken müssen. Dieses Land, Europa ist wieder bedroht, und wir müssen uns auch wieder auf ein Szenario der Landesverteidigung einstellen. Deswegen müssen wir in dem Bereich nacharbeiten.
Die FDP hat dabei wenig nachzuarbeiten, aber dieser Teil der Regierung hat das wirklich geistig zu verarbeiten, und dass das erfolgt, stellen wir hier nicht fest.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn wir über die Verwendung der 100 Milliarden Euro reden und uns dann gestern der Kollege Kindler aus der Grünenfraktion erklärte, dabei ginge es auch um zivile Krisenprävention irgendwo in Teilen der Welt, dann kann ich nur sagen: Das zeigt ganz deutlich, dass die Botschaft nicht verstanden wurde; denn der Ukrainekrieg zeigt uns, dass die Maßnahmen ziviler Krisenprävention, dass alle Maßnahmen der Diplomatie hier leider – leider! – gescheitert sind.
Deswegen müssen wir zurück zu einem klaren Szenario der absoluten Verteidigungsbereitschaft und Verteidigungsfähigkeit. Deswegen sagen wir: Die 100 Milliarden Euro müssen der Bundeswehr und ihrer Ausstattung zur Verfügung stehen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich will an einem Punkt noch mal nachfassen. Ich fand sehr bemerkenswert, was Sie, Herr Kollege Habeck – ich sage das ausdrücklich und anerkennend –, hier an dem Sonntag vor drei Wochen in der Debatte zum Thema Waffenlieferung gesagt haben, wie Sie sich auch selber ein bisschen damit gequält haben und Ihre eigene Fraktion dazu angesprochen haben, die sich nämlich auch mit dem Thema quält. Ich habe dafür durchaus Verständnis. Aber das zeigt ja gerade, dass wir diese Situation, diese Zeitenwende, von der der Bundeskanzler zu Recht gesprochen hat, wirklich auch innerlich verarbeiten und ernsthaft darauf reagieren müssen. Es ist nicht mit einem Lippenbekenntnis getan, bei dem man sagt: So, jetzt nehmen wir mal diese 100 Milliarden, dann ist die Sache für uns gegessen, und das auch noch neben der Schuldenbremse. – Nein, wir müssen das wirklich verstehen. Deswegen ist für uns die Forderung auch essenziell, dass wir, wenn das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro ausläuft, daran festhalten müssen, dass die Bundeswehr absolut verteidigungsbereit bleiben muss. Das muss auch in Zukunft so gelten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Gerade deswegen sagen wir: Das 2‑Prozent-Ziel muss eingehalten werden, auch über dieses Datum des Auslaufens des Sondervermögens hinaus.
Ich hätte jetzt gerne noch einiges zu Ihrem Haushalt gesagt. Sie haben Glück, dass Ihnen das jetzt erspart bleibt, weil meine Redezeit leider für die anderen Punkte aufgebraucht ist.
(Zurufe von der SPD: Oh!)
Aber eine Bemerkung, Herr Dürr, will ich mir doch noch erlauben. Sie haben sich eben bei Herrn Lindner dafür bedankt, dass er einen soliden Haushalt vorlege. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das, was vorliegt, kann allenfalls eine vorläufige, überschlägige Betrachtung dessen sein, womit wir irgendwie noch rechnen müssen. Denn ehrlicherweise diskutieren wir in dieser Woche über vier Bundeshaushalte: den Kernhaushalt mit 100 Milliarden Neuverschuldung, das Sondervermögen mit 100 Milliarden Neuverschuldung, dann diskutieren wir über einen Ergänzungshaushalt zur Ukraine, von dem wir noch gar nicht wissen, wie viele Milliarden da hineingebucht werden sollen, und dann diskutieren wir noch über die 60 Milliarden, die Sie mal eben vom alten Jahr und der alten Regierung in Ihre Zeit übertragen haben. Das waren Kreditermächtigungen für Coronamaßnahmen, die verfallen hätten müssen, weil wir sie nicht in Anspruch genommen haben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Die haben Sie mitgenommen, um sie jetzt für ganz andere Zwecke, nämlich als „Klimamittel“, einzusetzen. Das ist die ehrliche Betrachtung. Da von solide zu sprechen, ist, sage ich mal, mindestens höchst ambitioniert und trifft eher nicht zu.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Jan Korte [DIE LINKE]: War gar nicht schlecht! – Gegenruf: Aber auch nicht gut!)
Der nächste Redner ist Dr. Rolf Mützenich für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 24 |
Tagesordnungspunkt | Bundeskanzleramt (einschl. Ostdeutschland, Integration und Kultur) |