23.03.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 24 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 04

Alexander GaulandAfD - Bundeskanzleramt (einschl. Ostdeutschland, Integration und Kultur)

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Selten noch ist eine neu ins Amt gekommene Regierung so schnell und so gründlich auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Wenn es nicht um Deutschland, um uns alle ginge, könnte man fast Schadenfreude empfinden; aber das ist hier nicht mein Ziel.

Da bittet ein grüner Wirtschaftsminister, dessen Ziel das Ende der fossilen Energiewirtschaft ist, arabische Scheichs um Flüssiggas, und eine Außenministerin, die von feministischer Außenpolitik träumt, muss sich eine neue Sicherheitsarchitektur ausdenken. Und allem steht ein Regierungschef vor, dessen Partei noch kürzlich bewaffnete Drohnen für unvereinbar mit dem deutschen Friedenswillen hielt.

Ja, meine Damen und Herren, in puncto Sicherheit hat die Regierung schnell gelernt, und 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sind schon ein erstaunlicher Lernerfolg für Politiker, die im festen Glauben an eine regelbasierte, multilaterale Außenpolitik groß geworden sind. Doch wie immer in Fällen von Überkompensation droht jetzt die Übertreibung.

Ich weiß, es ist schwer, im Angesicht von Ruinen, einem Angriffskrieg und Millionen Flüchtlingen die eigenen Fehler, also die Fehler des Westens, in der Vergangenheit zu benennen. Nur so viel: Man soll niemals eine Großmacht demütigen. Bismarck hat darin 1870/1871 geirrt, die Sieger des Ersten Weltkrieges 1919 in Versailles und der Westen, meine Damen und Herren, leider nach 1989. Denn was wir getan haben, war eine Demütigung Russlands. Wir haben eine Weltordnung aufzubauen versucht, ohne auf diese Großmacht Rücksicht zu nehmen.

(Beifall bei der AfD)

Das, meine Damen und Herren, heißt, dass trotz allem, was geschehen ist, trotz dieses Angriffskrieges eine europäische Friedensordnung nur mit Russland, aber niemals gegen das größte Land Europas möglich ist.

(Beifall bei der AfD)

Es ist der Irrtum des russischen Präsidenten, zu glauben, Größe käme allein durch Gewehrläufe oder heute durch Atomraketen. Größe und Stärke eines Landes beruhen zumeist auf der Akzeptanz des Staates nach innen wie nach außen, und das ist das Defizit des russischen Präsidenten.

(Beifall bei der AfD)

Die großen Zaren, auf die er sich gerne beruft, waren Reformer: Alexander I., der Bezwinger Napoleons, und Alexander II., der Bauernbefreier.

Was sollten, was können wir tun, um Russland auf diesen europäischen Weg zurückzuführen? Wir können eintreten als ehrlicher Makler für eine neutrale Ukraine. Das wäre die Zukunft.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, damit ich nicht falsch verstanden werde: Neutralität heißt nicht Neutralität der Gedanken und Herzen, sondern Neutralität der Taten. Sanktionen, die das russische Volk treffen, sind falsch, wie die Lieferung von Angriffswaffen, die nichts besser, aber vieles noch schlimmer machen, oder gar Kriegshandlungen wie die Sperrung des Luftraums über der Ukraine. Ich bin dem Bundeskanzler dankbar, dass er ganz klar gesagt hat, dass wir nicht Teil dieses Krieges, dieser Auseinandersetzung sind und dass das auch so bleiben muss.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, Neutralität im Angesicht eines drohenden Weltkrieges mit Atomwaffen ist eben nicht mit unterlassener Hilfeleistung eines Privatmannes zu vergleichen, weil das Opfer nicht Mitglied der freiwilligen Feuerwehr ist, wie Henryk Broder kürzlich in der „Welt“ meinte. Und nein, lieber Herr Döpfner, Herausgeber der „Welt“, wir versagen nicht vor der Geschichte als Deutsche, wenn wir auf dieser Neutralität und auf dem Frieden beharren.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, ich weiß, es ist viel Kritik daran geübt worden, wie wir uns hier nach der Rede des ukrainischen Präsidenten verhalten haben; das will ich nicht wieder aufrufen. Doch auch der ukrainische Präsident kann nicht wollen, dass die Freiheit der Ukraine auf den Trümmern Europas errichtet wird. Im Atomzeitalter ist der Kompromiss kein Appeasement, sondern überlebensnotwendig. Das wusste gerade Egon Bahr, lieber Herr Mützenich.

(Beifall bei der AfD)

Am Ende wird eine neutrale und demilitarisierte Ukraine von allen Beteiligten das Bekenntnis abfordern, ob Tod und Zerstörung wirklich notwendig waren, um dieses Ergebnis zu erzielen, und die Bundesregierung, lieber Herr Scholz, wird daran gemessen werden, wie nachdrücklich sie sich für eine solche Lösung verwandt hat.

Es ist das eine, nach dem Völkerrecht ein theoretisches Recht auf Bündniszugehörigkeit zu haben, und das andere, in einer Staatenordnung, wie sie nun einmal ist, seinen Platz mit Klugheit zu behaupten. Einflusssphären verschwinden nicht dadurch, dass man sie leugnet, und ein Abbruch aller Beziehungen zu Russland ändert nichts an seiner Lage, Größe und seinem geopolitischen Einfluss. Pragmatisches Handeln bleibt deshalb auch hier oberstes Gebot.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort hat die Staatsministerin Claudia Roth.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7534688
Wahlperiode 20
Sitzung 24
Tagesordnungspunkt Bundeskanzleramt (einschl. Ostdeutschland, Integration und Kultur)
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