Dorothee BärCDU/CSU - Bundeskanzleramt (einschl. Ostdeutschland, Integration und Kultur)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich starte mit meiner Rede, möchte ich mich bei Ihnen und auch bei der Kollegin Göring-Eckardt bedanken, dass Sie sich auch diese Woche so wacker allein im Präsidium schlagen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Es ist ja nicht selbstverständlich, dass Sie das zu zweit die ganze Woche schon rocken. Vielen herzlichen Dank! Aber das war es, ehrlich gesagt, auch schon mit den Freundlichkeiten.
Ich will, genauso wie mein Fraktionsvorsitzender vorhin, betonen, dass wir dem Bundeskanzler sehr dankbar waren, dass er in seiner Regierungserklärung vor drei Wochen von einer Zeitenwende gesprochen, das Ganze beschrieben und sehr ehrlich ausgeführt hat, was es jetzt einfach braucht. Deswegen – das gebe ich zu – habe ich mir sehr viel erwartet – es war ja nach Ihrer Regierungserklärung, dieser Sonntagsrede, Ihre erste Rede –: dass Sie, Herr Bundeskanzler, heute noch mal das große Ganze aufzeigen.
Und was war das für eine Rede? Ich sage es Ihnen ganz offen: Bei mir ist hängen geblieben: viel Lob, viel Eigenlob. Wir haben früher mal gelernt: Eigenlob stinkt. – Man hat sich ja auf der Regierungsbank gar nicht schnell genug wegducken können, wie man von Ihnen in Grund und Boden gelobt wurde. Da war ein Lob an Nancy Faeser. Da war ein Lob an Christian Lindner. Da war ein Lob an Annalena Baerbock. Da war ein Lob an Robert Habeck. Und dann habe ich darauf gewartet:
(Katja Mast [SPD]: Cem Özdemir auch nicht! – Zuruf des Abg. Christoph Meyer [FDP])
Wann lobt er denn endlich mal die Bundesfamilienministerin? Sie war die Einzige, die nicht gelobt wurde.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nee! Hubertus Heil auch nicht!)
– Ach ja, Hubertus Heil wurde auch nicht gelobt. Stimmt! Jetzt, wo Sie es reinrufen! – Aber Anne Spiegel eben auch nicht. Und warum wurde Anne Spiegel nicht gelobt? Weil natürlich überhaupt keine Familienpolitik in diesem Land stattfindet, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber das zieht sich ja durch. Die mangelnde Familienpolitik ist ja nicht erst eine Erfindung der Grünen. An Familienpolitik – es hat ja heute so viel Vergangenheitsbewältigung von der Ampelkoalition stattgefunden –
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu sachte! Zu sachte!)
hat es schon in der letzten Legislaturperiode gemangelt. Da hat Olaf Scholz, damals als Vizekanzler, es auch nicht für notwendig erkannt, als Frau Giffey den Abflug gemacht hat, um Wahlkampf in Berlin zu machen, das Familienministerium nachzubesetzen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Stattdessen hat Frau Lambrecht eine Zusatzaufgabe bekommen, die sie auch nicht erfüllt hat, genauso wie ihre aktuelle Aufgabe nicht. Also auch da: Ein roter Faden zieht sich durch diese rote Bundesregierung.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das muss man tatsächlich feststellen.
Ich meine, wenn es nicht so traurig wäre, könnte man sagen: Na gut, so ist halt die amtierende Regierung. – Aber ich sage Ihnen ganz offen: Das Herz schmerzt, wenn man sieht, dass Familien, Frauen, Kinder auf der Prioritätenliste dieser Regierung ganz, ganz, ganz unten angesiedelt sind.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Katja Mast [SPD])
Das ist wirklich sehr traurig, weil uns im Moment das Schicksal der geflüchteten Frauen und Kinder extrem berührt.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen hat Herr Merz das auch erwähnt!)
Sie haben alle unseren Schutz verdient. Sie fliehen vor Putins Bomben,
(Zuruf der Abg. Katja Mast [SPD])
und deswegen sind sie bei uns willkommen. Wir stehen – das haben Sie einfach noch nicht auf dem Schirm – nicht vor einer kurzfristigen, sondern vor einer Jahrhundertaufgabe. Wir haben jetzt schon mehr als 225 000 Frauen und Kinder; genau weiß man es nicht. Das hat der Kanzler ja heute auch in seiner Rede gesagt – Zitat –: Wir wissen nicht, wie viele Flüchtlinge kommen. – Okay, eine steile These für einen amtierenden Bundeskanzler. Aber wir könnten wissen, wie viele tatsächlich schon da sind. Wir wissen es nicht. Warum? Weil unser Land nicht systematisch registriert, weil die Verteilung nicht koordiniert wird, weil die Teilhabe nicht organisiert wird. Das heißt: Die Bundesregierung hat sich noch nicht darauf vorbereitet, die Aufnahme der Menschen zu koordinieren, die Schutz vor den Bomben suchen. Das ist wirklich skandalös, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Scholz, ich erwarte, dass Sie das jetzt zur Chefsache machen. Wenn es schon teilweise so ein Trauerspiel mit Ihren Ministerinnen ist, dass sie noch nicht mal Lob verdient haben – das haben auch nicht alle verdient, die Sie heute gelobt haben –, müssen Sie das einfach zur Chefsache machen. Schauen Sie bitte mal nach Polen! Es reicht doch ein Blick zu unseren Nachbarn. Da kommen auch jeden Tag viele Flüchtlinge an. Aber alle, die ankommen, werden dort auch registriert, spannenderweise mit einer deutschen Software. Die könnten wir im eigenen Land auch nutzen. Deswegen ist es ein Offenbarungseid, zu sagen: Wir wissen es nicht. – Diese Software, die in Deutschland entwickelt wurde, wird in Polen genutzt. Wir brauchen die Registrierungspflicht. Wir brauchen keine Bundesregierung, die hier eine Verantwortungsflucht macht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nicht nur Sie wissen es nicht. Sie können sich ja noch nicht mal bei den Fachministerinnen erkundigen. Nancy Faeser hat gesagt: „Niemand hat eine Glaskugel“, die Familienministerin war jetzt über 100 Tage abgetaucht, und die Verteidigungsministerin blamiert Deutschland in Brüssel. Das heißt: Ich würde mir wünschen, dass Sie Ihren Laden aufwecken, dass Sie da wirklich mal sagen: „Frauen und Kinder jetzt zuerst“, und das aus dem Kanzleramt raus koordinieren. Das wird auf jeden Fall funktionieren.
Erst wenn wir jede Frau und jedes Kind registrieren, können wir sie schützen. Dann wissen wir: Gibt es Verwandtschaft? Dann wissen wir: Gibt es Unterkünfte? Dann können Bund, Länder und Kommunen planen. Ich habe es in der letzten Woche an gleicher Stelle schon mal gesagt: Unsere Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker erwarten sich mehr von dieser Bundesregierung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die leisten vor Ort wirklich die Hilfe, die notwendig ist, die organisieren Matratzen und Betten, die organisieren Eingewöhnung in unseren Kindertagesstätten und Schulen, und die rechnen jetzt schon damit, dass die Kinder länger hier bei uns bleiben. Aber unser Kanzler sagt: Wir wissen einfach nicht, wie viele da sind. – Das ist ein Kontrollverlust, den wir hier haben.
Ja, wir haben momentan eine große Welle der Solidarität – das ist ja auch von allen erwähnt worden –; aber die kann auch schnell vorbei sein, wenn die Ehrenamtlichen merken, dass sie völlig allein auf weiter Flur sind. Ehrenamt muss auch koordiniert werden. Das wollen übrigens auch unsere Hilfsdienste, denen ich an dieser Stelle auch danke.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Was mich wirklich immer extrem zur Weißglut bringt, ist, wenn Sie sagen: „Wir tun alles, was notwendig ist“, oder wenn Frau Faeser angesichts der Taten skrupelloser Krimineller, die versuchen, die Situation hilfloser Menschen auszunutzen, sagt: Wir reagieren mit aller Härte des Gesetzes. – Ich sage Ihnen dazu: Es ist zu wenig, im Nachgang, wenn schon etwas passiert ist, zu reagieren. Es reicht doch nicht, einer Frau, die vergewaltigt wurde, im Nachgang zu sagen, dass wir sie schützen oder dass wir uns um die Täter kümmern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es muss vorher verhindert werden, dass es gar nicht zu solchen Straftaten kommt. Deswegen brauchen wir jetzt einen umfassenden Schutzschirm für die Frauen, für die Kinder aus der Ukraine. Wir brauchen eine Registrierung für alle Abholer. Ich wiederhole noch mal meine Frage aus der letzten Woche, auch an das BMFSFJ, an das Bundesfamilienministerium: Wo ist Ihr 24/7-Krisenstab? Wo sind Sie jeden Tag unterwegs und nicht nur einmal die Woche, wie es aus dem Hause zu hören war?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Kanzler hat heute noch was Schönes gesagt; ich darf ihn noch mal zitieren. „ Auf uns können Sie sich verlassen“, hat er an die Ukraine gerichtet gesagt – mit einer Woche Verspätung. Dann frage ich Sie schon mal: Warum ist dann immer noch der ukrainische Botschafter enttäuscht, dass aus Berlin seit drei Wochen keine Antwort kommt? An dieser Stelle mal ein Riesendankeschön an den ukrainischen Botschafter, der wirklich einen tollen Job macht, auch wenn er von Teilen der Regierung oder der Medien beleidigt wird. Er macht eine tolle Arbeit. Selenskyj ist vor ein, zwei Tagen gefragt worden – das hat er gestern veröffentlicht –, welche Staats- und Regierungschefs er schätzt, mit welchen Staats- und Regierungschefs er im täglichen Austausch ist. Warum nennt er dann Duda? Warum nennt er an der Stelle beispielsweise auch Macron oder Boris Johnson? Warum nennt er die Regierungschefs der baltischen Staaten? Da muss der deutsche Regierungschef doch genannt werden. Und wenn Selenskyj ihn nicht nennt, heißt das, dass er sich auf uns nicht verlässt und mit Ihnen nicht in Kontakt ist, Herr Scholz.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zum Haushalt gäbe es auch noch viel zu sagen. Dieser Haushalt ist ein Haushalt, der nicht generationengerecht ist. Dieser Haushalt ist wirklich eine ganz, ganz große Hypothek für die kommenden Generationen. Wir erleben wirklich eine ganz große Umverteilung. Es wird alles auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. Es ist ja vom Kollegen Mützenich angesprochen worden, dass es noch große Verbesserungen geben wird. Deswegen sage ich Ihnen: Das hoffe ich sehr für die Kinder in unserem Land.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Achim Post das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 24 |
Tagesordnungspunkt | Bundeskanzleramt (einschl. Ostdeutschland, Integration und Kultur) |