Roderich KiesewetterCDU/CSU - Auswärtiges Amt
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Außenministerin, Sie haben gerade die Rede gehalten, die wir von unserem Bundeskanzler erwarten,
(Beifall bei der CDU/CSU)
und das ist kein verstecktes Lob.
(Zurufe von der SPD: Doch!)
Wir finden es als CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßenswert, dass der Einzelplan 05 des Auswärtigen Amtes aufwächst. Wir finden es begrüßenswert, dass die Mittel für die strategische Krisenkommunikation, die Krisenprävention und die Auswärtige Kulturpolitik entsprechend aufwachsen. Das begrüßen wir. Was wir aber vermissen, Frau Außenministerin – auch Sie haben es nicht angesprochen –, ist die Frage der Nachhaltigkeit der Finanzierung. Wir kommen in diesem Haushalt erstmals über die 6-Milliarden-Euro-Schwelle, aber schon im Jahr 2024 rutschen wir wieder auf unter 5 Milliarden ab. Das haben Sie uns nicht erklärt. Woran liegt dieser Rückgang?
Das Zweite, was uns am Herzen liegt: Sie sprechen von einer nationalen Sicherheitsstrategie. Sie wissen, dass viele in der Union dies begrüßen, und ich glaube, dass das auch im Hohen Haus hier weit Widerhall findet. Aber wenn Sie eine nationale Sicherheitsstrategie ansprechen, dann kommt es doch im Wesentlichen darauf an, dass sie auch finanziert ist. Wenn Sie im Koalitionsvertrag sagen, Sie stehen für das 3-Prozent-Ziel, dann müsste der Haushalt im Auswärtigen Amt auf knapp 10 Milliarden Euro aufwachsen; das tut er nicht. Er liegt bei 6 Milliarden Euro. Wenn Sie ein 3-Prozent-Ziel verfolgen, bei 2 Prozent für Verteidigung – wobei uns unklar ist, in welcher Weise die 2 Prozent erreicht werden sollen – und 0,7 Prozent für Entwicklung, dann bleiben 0,3 Prozent für Diplomatie; was sehr richtig ist. Aber das wären nun mal als Hausnummer 10 Milliarden Euro, und da sehen wir die Größenordnung nicht.
Bei einer nationalen Sicherheitsstrategie geht es ja darum, Prioritäten zu setzen. Wenn Sie Prioritäten setzen, interessenorientiert, dann bedeutet das auch, dass Sie Preisschilder verteilen müssen. Diese Preisschilder bedeuten, dass wir erhebliche Herausforderungen haben. Sie haben nur leider wenige angesprochen. Wir sind ganz auf Ihrer Seite in der Bewältigung des Ukrainekrieges. Ich glaube, da stehen wir sehr eng zusammen.
Aber es gibt noch andere Herausforderungen der strategischen Gleichzeitigkeit. Was passiert gerade auf dem Balkan, in der Republika Srpska? Sie waren dankenswerterweise auf Ihrer Reise dort. Wie geht es in der Nachkriegsordnung mit Moldau weiter? Was passiert mit China? Wie wird sich China verhalten, wenn der Krieg in der Ukraine hoffentlich erfolgreich für uns und die Ukraine zu Ende gegangen ist? Wie wird sich China verhalten, wenn die Sanktionen wirken? Was ist die Zukunft von Taiwan? Wie stellen wir uns in Menschenrechtsfragen auf, was die Uiguren in Tibet, die gesamte soziale Kontrolle der chinesischen Bevölkerung und den Umgang mit den Spratly-Inseln im Indopazifik angeht? All das müssen wir berücksichtigen. Dafür brauchen wir eine nationale Sicherheitsstrategie.
In einem weiteren Schritt hinsichtlich der strategischen Gleichzeitigkeit müssen wir auch einpreisen, dass die USA vor einschneidenden Neuwahlen stehen. Ich erwarte schon ein Zeichen der deutschen Außenministerin und der deutschen Außenpolitik – der Bundeskanzler hat es heute nicht angesprochen –, dass wir transatlantisch eine faire Lastenteilung bringen müssen. Friedrich Merz hat heute deutlich gemacht, dass wir auf Amerika nur dann setzen können, wenn die Amerikaner auch wissen, dass die Europäer in ihrem Umfeld Verantwortung übernehmen. Diese Verantwortung zu übernehmen, bedeutet eine sehr klare Fokussierung auf Smart Power. Smart Power heißt eben nicht nur Diplomatie, sondern auch die Bereitschaft, Hard Power anzusetzen – Sie umschreiben das ja mit „Diplomatie und Härte“. Aber diese Diplomatie und Härte muss in der Vernetzung des Haushalts deutlich werden; das fehlt mir. Kein Hinweis auf Ihr 3-Prozent-Ziel, kein Hinweis darauf, wie Sie eine nationale Sicherheitsstrategie mit glaubwürdiger Verteidigung, vernünftiger Entwicklungszusammenarbeit und einer sehr schlagkräftigen Diplomatie verknüpfen wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht uns im Jahr eins eines europäischen Krieges darum, den Zusammenhalt zu zeigen, den diese Regierung im Parlament braucht. Aber wir erwarten umgekehrt auch, dass finanziell keine Luftnummern gemacht werden, dass finanziell sehr klar unterfüttert wird, wie sich diese Bundesregierung die Finanzierung der Außenpolitik vorstellt. Das sind Sie noch schuldig geblieben. Wir sind bereit, das in der nächsten Lesung intensiver aufzugreifen.
Zur strategischen Ausrichtung unseres Landes gehört aber auch, dass wir begreifen müssen, was die Nachbarländer von uns erwarten. Da hat die Bundesrepublik Deutschland eine Scharnierfunktion. Die Sicherheitsbedrohung der osteuropäischen Länder und die Fragen des Klimawandels und des Migrationsdrucks der südeuropäischen Länder müssen wir zusammenbringen. Wir müssen als Deutsche auch sehr arg aufpassen, dass nicht mit Blick auf strategische Autonomie Frankreich Interessen durchsetzt, die uns womöglich von einem Amerika abkoppeln, das vor schwierigen Wahlen steht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben alles zu tun, um den transatlantischen Zusammenhalt zu bewahren, und wir haben alles zu tun, dass wir gegenüber den USA und auch unserer eigenen Bevölkerung die Interessen deutlich machen, innerhalb Europas für Zusammenhalt zu sorgen. Wir haben alles zu tun, dass wir auf dem Balkan eine Lösung finden für einen Zwischenschritt zur Aufnahme in die Europäische Union, die auch ein Modell für die Ukraine sein kann, dass, wenn die Beitrittsreife auf absehbare Zeit nicht gegeben ist, wir eine Art Drittstaatenabkommen schließen, ein Abkommen, in dem diese Staaten sich wiederfinden und sich nicht von der Europäischen Union abkoppeln lassen
(Beifall bei der CDU/CSU)
und mit dem die Balkanstaaten bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und auch dem Reformdruck zu entsprechen. Gleiches wäre für die sehr schwierige Lage in der Türkei zu sagen, wo wir Angebote machen müssen, damit die Türkei sich weiter in Richtung Europa orientiert. Es wird auch eine Zeit nach Erdogan geben.
Lassen Sie mich noch eines sagen: All diese diplomatischen Anstrengungen wären nichts ohne die Frauen und Männer, die im diplomatischen Dienst an Tausenden Dienstposten weltweit ihren Dienst leisten. Es ist beeindruckend, was hier im Sinne der regelbasierten internationalen Ordnung geleistet wird. Unser Dank – ich glaube, der Dank des ganzen Hauses – gilt allen im diplomatischen Dienst unseres Landes weltweit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Es gibt hier auch kleinere Herausforderungen. Ich will das Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten ansprechen. Ich will jetzt keinen Hausmeisterpunkt machen; aber hier kann man noch etwas leistungsstärker werden. Wir erwarten, dass das Bauen in den Botschaften, die Digitalisierung und die Cyberresilienz deutlich verbessert werden, und da gehört es sich schon, dass das Auswärtige Amt dieses federführend leisten kann.
Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wenn wir strategische Vorausschau leisten wollen, müssen wir alles tun, um die Ukraine zu stabilisieren, alles tun, dass die regelbasierte Ordnung auch in diesem furchtbaren völkerrechtsverletzenden Krieg ihren Stellenwert hat und dass es wert ist, für sie zu kämpfen. Deshalb danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Wir brauchen eine starke deutsche Diplomatie. Aber sie muss nachhaltig finanziert sein. Das sehen wir im Moment nicht.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Kiesewetter. – Als nächste Rednerin erhält für die SPD-Fraktion die Kollegin Wiebke Papenbrock das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7534713 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 24 |
Tagesordnungspunkt | Auswärtiges Amt |