23.03.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 24 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 23

Claudia RaffelhüschenFDP - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Volkswirtin und Dozentin. Als solche beschäftige ich mich schon lange mit öffentlichen Haushalten. Dass ich aber einmal hier im Bundestag eine Rede zur Haushaltsdebatte halten würde, hätte ich nie erwartet.

Als politische Quereinsteigerin bin ich vor allem aus einem Grund angetreten: Ich habe meinen drei Kindern, die schon „groß“ und aus dem Gröbsten heraus sind, versprochen, mich für ihre Generation einzusetzen. Das ist die Generation, die unsere Generation der geburtenstarken Jahrgänge in den kommenden Jahren ablösen wird. Ich will daran mitarbeiten, dass wir ihnen nicht einen Haufen Schulden und offene Baustellen überlassen, sondern ein lebenswertes Land, ein funktionierendes Land mit stabilen Staatsfinanzen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir nun zum Einzelplan 23, dem Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Es geht hier um Länder, denen wir auf dem Weg zu mehr Stabilität, Wohlstand und Rechtsstaatlichkeit unsere Hilfe versprochen haben – auch im Namen der zukünftigen Generationen, die, genauso wie wir, an einem friedvollen Miteinander der entwickelten und sich entwickelnden Länder interessiert sein müssen.

Dass Entwicklungszusammenarbeit einen sehr langen Atem braucht, dass ihre Erfolge nicht immer akkurat messbar sind und dass sie oft fragil bleiben, das alles ist nicht neu. Seit der Coronapandemie hat sich diese Erkenntnis aber nochmals verschärft. Die globalen Probleme sind noch größer geworden. Viele Erfolge der Vergangenheit sind bedroht oder zunichtegemacht, und die weiteren Herausforderungen können einem, ehrlich gesagt, den Atem rauben. Dennoch waren wir zu Beginn des Jahres so weit optimistisch gestimmt, dass die Pandemie zumindest einen Teil ihres Schreckens verloren hatte und vielerorts sogar ein „recover better“ möglich sein könnte.

All dies ist nun „von der Geschichte überholt“ worden; denn gerade, als wir dachten, nach der Pandemie könnte so schnell nichts Schlimmeres kommen, hat Putin uns mit seinem Angriff auf die Ukraine eines Besseren belehrt. Zusätzlich zu allen anderen Krisenherden und zusätzlich zu den Pandemiefolgen müssen wir nun Folgen eines Krieges bewältigen, der uns nicht nur geografisch direkt betrifft, sondern ganz konkret in Form geflüchteter Frauen und ihrer Kinder, die bei uns Schutz suchen. Wieder gibt es also Rückschläge für die Wirtschaft, die wir im Übrigen so dringend brauchen, um den Wiederaufbau nach Krieg und Corona zu stemmen. Und wieder kommt mit Osteuropa ein neuer Schwerpunkt in Sachen Entwicklungszusammenarbeit auf uns zu.

Für viele Länder, vor allem in Afrika, bedeutet der Krieg, dass durch Ernteausfälle der „Kornkammer Ukraine“ viel weniger Getreide zur Verfügung steht. Neue oder sich verschärfende Hungersnöte sind vorprogrammiert. Es ist daher absolut richtig, dass wir im Regierungsentwurf über 10 Milliarden Euro für den Einzelplan 23 vorsehen. Alle Ausgaben in diesem Bereich sind Investitionen in eine stabilere, menschenfreundlichere Zukunft.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auch wenn es für den einen oder die andere paradox wirken mag: Gerade weil die Ausgaben so wichtig und so zukunftssichernd sind, müssen wir hier mit besonders kühlem Kopf vorgehen. Nur wenn wir absolut solide wirtschaften, haben wir eine Chance, die schier überwältigende Menge an Aufgaben anzugehen. Darum gehört für mich alles auf den Prüfstand. Es darf kein Festhalten an Strukturen aus reiner Gewohnheit geben, egal ob es um kleine oder große Organisationen, um bi- oder multilaterale Projekte geht.

Eine der oft wiederholten Lehren aus der Pandemie lautet, dass wir schneller, digitaler, vernetzter und sehr viel schlanker werden müssen. Das wünsche ich mir nicht nur für deutsche Ämter und Verwaltungen, das wünsche ich mir auch im Umgang mit Haushaltsmitteln. In der Entwicklungszusammenarbeit macht die Globalität die Dinge zwar oft komplexer, aber in Sachen Best Practice und vernetztem Denken bietet sie zugleich enorme Chancen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich also das Versprechen einhalten will, das ich meinen Kindern gegeben habe, kann die Lösung nicht sein, einfach nur immer mehr zu fordern, mehr Projekte zu starten, mehr Gelder bereitzustellen. Ich denke, die Lösung liegt darin, dass wir effizienter werden. Wir brauchen mehr Qualitätskontrolle, aber sicher nicht mehr Verwaltung.

(Beifall bei der FDP)

Um die ODA-Quote zu erfüllen, brauchen wir Ansätze in mehreren Einzelplänen – aber keine Doppelstrukturen und Kompetenzgerangel.

Wenn wir die Schuldenbremse ab 2023 wieder einhalten wollen, müssen wir nicht einfach nur sparen, sondern wirklich klug mit unseren Mitteln umgehen und aus jedem investierten Euro das maximale Ergebnis herausholen; denn nur, wenn wir schnell zu einer soliden Haushaltsführung zurückkommen, kann Deutschland langfristig eines der größten Geberländer in der Entwicklungszusammenarbeit bleiben.

Danke.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau Raffelhüschen, das war Ihre erste Rede, und dazu beglückwünschen wir Sie.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7534760
Wahlperiode 20
Sitzung 24
Tagesordnungspunkt Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
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