Gabriela HeinrichSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wer die Bilder von Mariupol in den Nachrichten sieht, bekommt eine Ahnung vom großen Leid in der Ukraine. Die russische Armee zerbombt Häuser, sie tötet und verletzt Zivilisten, sie macht Städte dem Erdboden gleich. Hier um die Ecke, am Hauptbahnhof, sehen wir die Auswirkungen von Putins Krieg. Hier kommen Frauen und Kinder an. Sie sind dem Krieg entkommen. Aber wenn wir in ihre Gesichter schauen, bekommen wir eine Ahnung von dem, was sie ertragen mussten. Wir werden uns noch sehr lange – hoffentlich – um einen Wiederaufbau in der Ukraine kümmern müssen.
Wir können dieses Leid nicht mit den Auswirkungen des Kriegs in Deutschland vergleichen. Aber auch die Menschen bei uns sind massiv von steigenden Preisen für Energie und Lebensmittel betroffen; Rohstoffe sind knapper und Lieferketten unterbrochen. Wir beschäftigen uns hier in allen Bereichen mit diesen Auswirkungen. Wie viel mehr aber betrifft der Krieg in seinem Ausmaß die Länder des Globalen Südens? Die Ministerin hat es schon gesagt. Woher kommen denn die Getreideimporte der Entwicklungsländer? Woher kommen die Lieferungen des World-Food-Programms? Die Ukraine und Russland waren vor Putins Krieg Kornkammern für einen Großteil der Welt, insbesondere des Globalen Südens. Auch Länder wie Marokko und Tunesien leiden unter steigenden Brotpreisen. Die möglichen Folgen für die Stabilität vieler Länder können wir uns durchaus vorstellen.
Putins Krieg wird Hunger und Elend weit entfernt von der Ukraine verursachen. Eine Priorität unserer internationalen Zusammenarbeit muss sein, den Menschen zu helfen, die aktuell nicht im Fokus unserer Aufmerksamkeit stehen. Dabei gilt auch: So wie Deutschland unabhängig von russischer Energie werden muss, so müssen Länder des Globalen Südens in die Lage versetzt werden, unabhängig von Lebensmittelimporten zu werden. Dabei unterstützen wir sie mit unserer Entwicklungszusammenarbeit und wollen dies auch weiterhin massiv tun.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Durch den Klimawandel haben Dürren, Fluten und Missernten, insbesondere im Globalen Süden, bereits dramatisch zugenommen. Die Versorgungslage ist vielerorts prekär. Hilfe bei der Anpassung der Produktion an neue klimatische Realitäten und Herausforderungen wird dringend benötigt. Diese Hilfe lindert den Hunger und begleitet den Übergang von der Krise zur Stabilität. Die Förderung, lokale Landwirtschaften anzupassen, muss ein Eckpfeiler unseres Engagements sein. Dazu gehören Klimapartnerschaften ebenso wie die Unterstützung beim Aufbau einer eigenen Impfstoffproduktion. Wir können und wir dürfen deshalb nicht sparen. Im Gegenteil: Mittel für den Einzelplan 23 sind wohlinvestiertes Geld: im Interesse der Partnerländer, im Interesse der multilateralen Zusammenarbeit und in unserem ureigenen Interesse.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In dieser neuen Krise müssen wir die Bedarfe des BMZ und damit des Einzelplans 23 neu beurteilen und wo nötig anpassen. Alle demokratischen Entwicklungspolitiker/-innen sind sich einig, dass jetzt auf der Grundlage von sehr realen und existenziellen Bedarfen geplant, nachgesteuert und entsprechend finanziert werden muss. Kollege Gröhe, Sie sind ein aufrechter Entwicklungspolitiker, das weiß ich wohl; aber auch Sie wissen, dass es nicht unsere Entwicklungsministerin war, die die ersten 100 Tage dazu genutzt hat, überall den Kürzungsstift anzusetzen, sondern dass wir gemeinsam für 2020 und 2021 einen sehr viel höheren Haushaltsplan aufgestellt haben, unter anderem wegen Covid. Wir hatten die offensichtlich falsche Hoffnung, dass diese Krise bereits vorbei sein würde. Wir müssen heute feststellen: Zu dieser Krise ist eine weitere, noch globalere Krise dazugekommen, und deshalb können wir und wollen wir das so nicht stehen lassen und hoffen auf Ihre Unterstützung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Und deshalb kürzen Sie?)
Meine Damen und Herren, der Krieg in der Ukraine ist auch ein Konflikt zwischen Demokratie und Autokratie, zwischen Freiheit und Diktatur. Freiheitliche Gesellschaften, Demokratie, Menschenrechtsaktivisten und die Meinungsfreiheit sind fast weltweit unter Druck. Autoritäre Regime fahren immer massivere Desinformationskampagnen. Diese sollen die Zivilgesellschaft spalten und sie schwächen. Deshalb muss unsere Entwicklungszusammenarbeit auch unsere Werte deutlich machen und unterstützen. Die Förderung von Demokratie und Zivilgesellschaft muss Grundpfeiler unserer Arbeit bleiben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Übrigens: Bundesministerin Svenja Schulze nimmt auch endlich die Frauen in den Fokus ihrer Entwicklungspolitik. Wer darüber spottet, hat keine Ahnung von Entwicklungspolitik,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
hat keine Vorstellung davon, wie entscheidend sich Entwicklungsländer wirtschaftlich und gesellschaftlich verändern, wenn Frauen entsprechend beteiligt sind. Frauen halten die Familien zusammen, Frauen halten die Gesellschaft zusammen.
Frau Kollegin.
Deshalb: Wer die feministische Entwicklungspolitik – und übrigens auch die feministische Außenpolitik – verlacht, der verlacht die Leistungen von Frauen weltweit.
(Volkmar Klein [CDU/CSU]: Das stimmt aber alles gar nicht!)
Danke.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich gebe das Wort an Dr. Wolfgang Stefinger von der CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt mal was Positives, Wolfgang, zum Haushalt!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7534762 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 24 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |