24.03.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 25 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 09

Andreas MattfeldtCDU/CSU - Wirtschaft und Klimaschutz

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Frau Präsidentin! Herr Wirtschaftsminister Habeck, Sie sehen mich irritiert, und zwar deshalb, weil Sie ankündigen, dass gestern Nacht wichtige Entscheidungen getroffen worden sind, dann aber hier im Parlament sagen: Schaut euch doch die Pressekonferenz um 11.00 Uhr an.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Das ist unglaublich!)

Herr Habeck, das geht nicht! Wenn Sie solche Entscheidungen treffen, dann müssen Sie die, wenn Sie hier vor dem Parlament reden, auch ansprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist eine Missachtung des Parlamentes. Das funktioniert so nicht, und das gehört sich nicht.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Ich darf auch sagen, dass selten nach dem Zweiten Weltkrieg die Verantwortung für einen Wirtschaftshaushalt so groß war wie in diesem Jahr. Mehr denn je kommt es in diesem Jahr auf eine sinnvolle, abgewogene Ausgabenpolitik an. Wir wollen uns durch die Ausgabenpolitik in die Lage versetzen, die derzeitigen Herausforderungen, die durch Putins grausamsten Angriffskrieg entstanden sind, zu bewältigen. Und das verlangt uns und auch Ihnen weiß Gott alles ab.

Sie, Herr Minister, möchten zur Bewältigung dieser schwierigsten Rahmenbedingungen die Wirtschaft mit ungefähr 11 Milliarden Euro stabilisieren. Das hört sich zunächst einmal viel an, aber in Wahrheit sind das lediglich 700 Millionen Euro mehr, als 2021 schon vorgesehen waren. Ich bin sehr skeptisch, ob dies bei den derzeitig vor uns liegenden Problemen wirklich ausreichend ist. Ich habe mal gelernt: In einer Krise muss man eher klotzen als kleckern.

Vor allen Dingen, Herr Minister Habeck, muss man sinnvoll investieren in Bereiche, die das Rückgrat unserer Wirtschaft darstellen, investieren in Wirtschaftsbereiche, die heute mit erheblichen Steuereinnahmen dazu beitragen, dass Klimaschutzprojekte, die auch wir in der Union für notwendig halten, zukünftig und dauerhaft finanzierbar sind. Das sind Investitionen in Innovation, in Forschung; davon profitiert ganz besonders der Mittelstand. Der Mittelstand, wenn ich das sagen darf, Herr Habeck, entwickelt nicht für die Schublade; der Mittelstand entwickelt für die Marktreife. Das ist auch zwingend erforderlich. Ich habe den Eindruck, dass Ihnen diese Wirtschaftszweige von Industrie, Handel und Handwerk ein bisschen fremd sind. Ich habe den Eindruck, Sie müssen sich ihnen erst ein Stück weit nähern. Glauben Sie mir, wir wollen gerne helfen, dass das gelingt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Brauchen wir nicht!)

Anders ist es nicht zu erklären, dass Sie hier massiv die Mittel streichen. So muss das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, das den Mittelstand bei Innovationen unterstützt, mit 35 Millionen Euro weniger auskommen als noch 2021. Beim Innovationsprogramm IGP haben Sie sogar 49 Millionen Euro gestrichen; Gleiches gilt für die Industrielle Gemeinschaftsforschung. Was aber an Ihrem Entwurf am dramatischsten ist, ist, dass Sie jetzt, wo nach der Coronakrise wieder ausländische Touristen zu uns kommen können, den ohnehin schon knappen Etat der Deutschen Zentrale für Tourismus, die im Ausland für Urlaub in Deutschland wirbt, um 10 Millionen Euro – das ist fast ein Viertel – kürzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich finde, das ist schlichtweg die Härte.

Herr Mattfeldt, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Banaszak?

Auf jeden Fall, meine Redezeit ist immer zu knapp.

Vielen Dank, Herr Kollege Mattfeldt, für die Möglichkeit. – Sie haben gerade gesagt, der Minister habe mit solchen Dingen wie Industrie eigentlich nichts am Hut. Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass gegenüber dem Regierungsentwurf Ihrer, der unionsgeführten Regierung 10 Milliarden Euro mehr für die Dekarbonisierung der Industrie in den nächsten Jahren vorgesehen sind, damit die Energiewende gelingen kann? Und nehmen Sie in diesem Zusammenhang auch zur Kenntnis, dass das Gelingen auch davon abhängt, dass der Energie- und Klimafonds, bald Klima- und Transformationsfonds, ausreichend ausgestattet ist? Und kann ich Ihre Ankündigung, dass es jetzt um klotzen statt kleckern geht, so verstehen, dass Sie die angekündigte Klage gegen den Nachtragshaushalt 2021, der die finanziellen Möglichkeiten, diese Investitionen auf den Weg zu bringen, überhaupt erst schafft, zurücknehmen werden?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Geschätzter junger Kollege Banaszak,

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

wir beide mögen uns ja sehr; aber jetzt diskutieren wir über den Einzelplan 09. Ich freue mich, dass Sie den Energie- und Klimafonds ansprechen; denn dadurch habe ich noch ein bisschen mehr Munition; dafür hatte ich in meiner Rede keine Zeit. Dieser Energie- und Klimafonds stellt demnächst 200 Milliarden Euro zur Verfügung für Bereiche, die unter Corona nicht leiden.

(Beifall der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])

Das sind Bereiche, die sowieso schon extrem gut ausgestattet sind. Wenn wir mit dem Energie- und Klimafonds vernünftig investieren, sind wir auf Ihrer Seite.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Bereiche denn?)

Wenn wir in diesen Haushalt hineinschauen, dann könnte man meinen, Herr Habeck ist nur Klimaschutzminister. Aber Herr Habeck ist auch Wirtschaftsminister einer der größten Volkswirtschaften der Welt, nicht nur Klimaschutzminister,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und er kürzt Mittel für den Mittelstand, für die Industrie, für das Handwerk und für den Handel. Das findet sich hier wieder. Das sind Bereiche, die das Rückgrat unserer Wirtschaft darstellen; die können Sie nicht kaputtmachen.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dekarbonisierung! Schon mal gehört?)

Das sehen wir in diesem Haushalt. Deshalb ganz deutlich: Wir grätschen da rein, wo es erforderlich ist, und hier ist es erforderlich. Man kann diese Industriezweige nicht kaputtsparen. Das geht einfach nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Bernd Westphal [SPD]: Wir machen sie zukunftssicher!)

Deshalb sage ich: Die Kürzung bei der DZT ist ein Schlag ins Gesicht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mehr als manch andere unter der Coronakrise gelitten haben. Es hätte sich gehört, Herr Minister Habeck, diesen Etat richtig aufwachsen zu lassen, statt ihn zu kürzen. Ich finde, das ist beschämend. Ich darf schon jetzt ankündigen: Wir werden dazu einen sehr klugen Antrag vorlegen. Wie ich Sie kenne, werden Sie sich den zu Gemüte führen; wir beide werden darüber sprechen, und ich glaube, dann kommen wir auch vielleicht zu einer vernünftigen Lösung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bernd Westphal [SPD]: Da bin ich gespannt!)

Denn Sie werden es den Mitarbeitern dort nicht erklären können, warum Sie für diese Branche mit über 2 Millionen Mitarbeitern keinen zusätzlichen Cent übrig haben, aber gleichzeitig Klimainvestitionen in Biodiversität und Klimaschutz – übrigens ausschließlich im Ausland – unterstützen wollen. Das werden die Menschen eben nicht verstehen.

Ich habe mich auch – das darf ich noch sagen, Herr Habeck – über den fast halbierten Ansatz bei den LNG-Bunkerschiffen gewundert. Ja, die Verringerung hier ist planmäßig. Ja, es handelt sich hier um die Ausfinanzierung eines Projektes. Aber Sie haben es ja selber angekündigt: LNG ist die Herausforderung. – Hier kein Anschlussprojekt anzudocken, ist fast schon fahrlässig. Auch bei Energiespeichern hätte ich mir etwas gewünscht. Hier brauchen wir doch jetzt Haushaltansätze. Hier fehlen die Ansätze; wir Norddeutschen sagen: Wir haben hier noch bannig Luft nach oben. – Ich glaube, hier sollten wir noch nacharbeiten.

Aber, Herr Minister, ich will nicht nur meckern; ich möchte auch loben. Es ist vernünftig, was Sie im Bereich der Luft- und Raumfahrt gemacht haben. Sie führen das fort, was wir bereits in der letzten Legislaturperiode gemacht haben. Das ist klug. Ich habe mich auch gefreut, dass Sie bei der Erschließung von Auslandsmärkten die Mittel um 145 Millionen Euro angehoben haben. Ähnliches gilt auch für den Bereich Wasserstoff. Auch hier haben Sie den von der alten Regierung eingebrachten Mitteln noch einmal einen Aufwuchs zuteilwerden lassen. Auch das ist eine kluge Sache.

Herr Minister Habeck, Sie haben jetzt in den Beratungen Zeit, gemeinsam mit uns Parlamentariern aus diesem Entwurf etwas Vernünftiges zu machen. Sie wissen, dass Sie mich als Ihren Hauptberichterstatter bei guten Ideen an Ihrer Seite finden, übrigens alle Berichterstatter für Ihren Haushaltsentwurf. Vielleicht einen Satz zum Abschluss, Herr Habeck: Läuft die Wirtschaft, dann läuft es auch mit dem Klimaschutz. – In diesem Sinne freue ich mich auf tolle Beratungen in den kommenden Wochen. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Dr. Nina Scheer.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7534800
Wahlperiode 20
Sitzung 25
Tagesordnungspunkt Wirtschaft und Klimaschutz
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