24.03.2022 | Deutscher Bundestag / 20. EP / Session 25 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 07

Esther DilcherSPD - Justiz und Verbraucherschutz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Bundeshaushalt sind im zweiten Regierungsentwurf Einnahmen und Ausgaben in Höhe von jeweils rund 457 Milliarden Euro veranschlagt bei Steuereinnahmen in Höhe von 332 Milliarden Euro.

Im Justizhaushalt, also in diesem Einzelplan 07, den wir jetzt beraten, sind Gesamtausgaben von rund 935 Millionen Euro und Einnahmen von 644 Millionen Euro, also nicht Steuereinnahmen, sondern eigene Einnahmen, eingestellt. Also beträgt der Anteil der Ausgaben des Justizhaushaltes am Gesamthaushalt lediglich etwa 0,2 Prozent. Und: Es ist ein Verwaltungshaushalt. Das gibt nicht viel Spielraum für Projekte, Förderprogramme oder zusätzliche neue Ausgaben, da ein Umschichten hier schier unmöglich erscheint.

Das Justizministerium ist in erster Linie das Gesetzgebungsministerium, entweder durch eigene Gesetze oder durch Begleitung der anderen Ministerien in deren Gesetzgebungsprozessen. Dafür sind Ausgaben von 127 Millionen Euro eingestellt.

In den letzten zwei Jahren kamen aus dem Bundesministerium der Justiz, beschleunigt durch die Herausforderungen der Coronapandemie, wichtige Gesetze im Sanierungs- und Insolvenzrecht, die Verkürzung der Restschuldbefreiung, die Mietpreisbremse, Schutz vor Wohnungskündigungen bei Mietschulden usw. Ich möchte das alles jetzt hier nicht weiter ausführen.

Im Haushalt des Bundesministeriums der Justiz entfällt in dieser Legislatur das Kapitel der Verbraucherpolitik, was ich persönlich sehr bedauere, weil ich das betreut habe, auch im Rechtsausschuss, und mir das immer sehr viel Spaß gemacht hat.

Zum Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz gehören drei von fünf Bundesgerichten, nämlich der Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesfinanzhof, sowie der Generalbundesanwalt. Dafür sind Ausgaben von insgesamt 162 Millionen Euro vorgesehen.

Auch der zentrale Dienstleister der deutschen Justiz, nämlich das Bundesamt für Justiz, wird mit Haushaltsmitteln im Einzelplan 07 veranschlagt, und zwar mit Ausgaben in Höhe von 99 Millionen Euro.

Hier möchte ich aber einmal die Einnahmenseite näher beleuchten. Jeder, der bereits einmal ein Führungszeugnis beantragt hat, hat dazu beigetragen, dass dem Justizhaushalt dadurch auch Einnahmen zufließen. 1 200 Beschäftigte bieten im Bundesamt unter anderem Bürgerdienste an, neben dem Führungszeugnis zum Beispiel Hilfe bei Auslandsadoptionen, Auslandsunterhalt, internationalem Sorgerecht; sie führen die Register bei der Musterfeststellungsklage, das Gewerbezentralregister und sind Schlichtungsstelle für den Luftverkehr. Wer mal auf der Seite nachguckt, der wird überrascht sein, was das Bundesamt für Justiz alles leistet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Sie bieten Dienstleistungen für Gerichte und Behörden, zum Beispiel Justizfortbildungen, internationale Rechtshilfe in Strafsachen sowie in Zivil- und Handelssachen, und sie sind zuständig für die Vollstreckung bei EU-Geldstrafen und EU-Geldbußen sowie auch bei EU-Kontopfändungen. Insgesamt sind dafür im Haushalt Einnahmen in Höhe von 135 Millionen Euro, die also über den Ausgaben liegen, veranschlagt.

Ein weitaus größerer Betrag wird bezüglich Einnahmen für gewerbliche Schutzrechte im Rahmen von Gebühren in Höhe von 455 Millionen Euro beim Deutschen Patent- und Markenamt geschätzt – bei Ausgaben von 245 Millionen Euro. Auch da liegen die Einnahmen über den Ausgaben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Ausdruck dafür, dass Deutschland ein Forschungs- und Innovationsstandort ist, und dieser Indikator findet sich im Justizhaushalt wieder. Ich finde das großartig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Selbst in der Krise oder vielleicht gerade wegen der Krise wurde die Anmeldung von Patenten im Bereich von umweltfreundlichen Antriebstechniken, im Bereich von Digitalisierung, Medizintechnik, Infektionsschutz und in anderen Bereichen beflügelt. Darauf können wir alle stolz sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie sehen: Es gibt eine Besonderheit in diesem zwar kleinen, aber trotzdem sehr bedeutsamen Haushalt des Bundesministeriums der Justiz; es besteht nämlich eine mehr als 68-prozentige Deckungsquote.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die Bundesrepublik ist ein moderner Verfassungsstaat, der drei wesentliche Aufgaben hat: zum Ersten die äußere Sicherheit, also die Landesverteidigung, zum Zweiten die innere Sicherheit, also den Frieden in der Gesellschaft, und zum Dritten die Gesellschaftsgestaltung. Darunter verstehen wir all das, was wir mit sozialer Sicherung und Daseinsvorsorge in Verbindung bringen.

Ich meine, Grundvoraussetzung ist dabei zunächst die innere Sicherheit. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns nicht, dass alles perfekt funktioniert, dass jede Ungerechtigkeit aufgelöst, jedes Verbrechen verhindert und jeder oder jede grenzenlos Freiheit genießen kann; zumindest die Mehrheit in diesem Haus erwartet das nicht.

Diese Grundsätze sind verfassungsmäßig verankert. Artikel 20 Grundgesetz begründet für die Bundesrepublik unter anderem das Sozialstaatsprinzip, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip. Sie werden sich fragen, warum mir diese Klarstellung in dieser Haushaltsdebatte so wichtig ist.

Mir ist das wichtig, weil das Bundesministerium der Justiz ein Gesetzgebungsministerium ist, das an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist, weil bei uns die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden sind. Und ich finde, unser Rechtsstaat funktioniert, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich finde es beschämend, dass ein demokratisch gewählter Abgeordneter hier von der rechten Seite in Russland in Medien behaupten darf, es gebe in Deutschland keine Demokratie und andere Meinungen würden durch die „regierende Elite“ in deutschen Medien, im Internet und sogar durch körperliche Gewalt unterdrückt. Es bestürzt mich zutiefst, dass durch solche Äußerungen dem Kriegstreiber Putin von deutschen Abgeordneten Schützenhilfe geleistet wird.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE] – Marianne Schieder [SPD], an die AfD gewandt: Was sagen Sie jetzt dazu?)

Es ist fast unerträglich, aber es macht mich nicht stumm; denn die Freiheit von Abgeordneten, die Hass und Hetze gegen Deutschland verbreiten, endet genau hier – hier, wo meine Freiheit beginnt. Freiheit ist nämlich hier auf Erden nicht grenzenlos. Hier ist die Grenze! Ich bin dankbar, dass wir in Deutschland Freiheitsrechte haben, die durch unsere Verfassung garantiert werden – Handlungsfreiheit in Artikel 2, Meinungsfreiheit in Artikel 5,

(Stephan Brandner [AfD]: Das war einmal, Frau Dilcher! Sie leben in der Vergangenheit!)

Versammlungsfreiheit in Artikel 8 –, die die Rechte anderer nicht verletzen dürfen und nur beschränkt werden können durch ein Gesetz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Brandner, Sie bestätigen ja gerade, dass Sie das sogar noch gut finden, was da passiert.

(Stephan Brandner [AfD]: Sie leben in der Vergangenheit!)

In Russland zu behaupten, in Deutschland gebe es keine Demokratie und keine Meinungsfreiheit, ist ein vernichtender Schlag ins Gesicht aller Menschen in Russland, die gegen diesen Krieg auf die Straße gehen,

(Stephan Brandner [AfD]: Gehen Sie mal in Deutschland gegen Coronamaßnahmen auf die Straße, was da los ist!)

die sich öffentlich in Rundfunk und Fernsehen gegen diesen Krieg und für Frieden aussprechen, die mutig Widerstand leisten und damit um ihr Leben fürchten müssen. Ich bin entsetzt, wie weit Sie hier am rechten Rand gehen, um sich Verbündete zu suchen,

(Marianne Schieder [SPD], an die AfD gewandt: Ohne Hirn und Verstand!)

und die Äußerungen Ihres Kollegen unkommentiert – bis auf einen kurzen Kommentar des stellvertretenden Bundessprechers, der ja hier auch schon wieder von der rechten Seite dazwischenruft – stehen lassen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Philipp Hartewig [FDP])

Mir fällt es oft schwer, Ihre Redebeiträge zu ertragen.

(Stephan Brandner [AfD]: Wir hatten noch gar keinen! Wir haben noch gar nicht geredet! – Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht uns allen so!)

Trotzdem nehmen die demokratischen Parteien in diesem Haus diese Herausforderung an. Aber Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass wir Ihre hetzerischen Kommentare widerspruchslos hinnehmen müssen. Nein, genau hier ist der Ort, um sich damit auseinanderzusetzen

(Stephan Brandner [AfD]: Sie müssen noch viel lernen, Frau Dilcher!)

– aber nicht von Ihnen, Herr Brandner –,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP und der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])

in der öffentlichen Debatte; denn unsere Demokratie hält das aus. Ich bin überzeugt: Die Mehrheit der demokratischen Parteien hier im Haus, die sich zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt und diese nicht verleugnet, sieht das genauso wie ich, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Stephan Brandner [AfD]: Sie trampeln seit Monaten auf dem Grundgesetz und auf den Grundrechten rum! – Gegenruf des Abg. Dr. Johannes Fechner [SPD]: Wer verliert denn dauernd in Karlsruhe?)

Unser Rechtsstaat funktioniert, und das verdanken wir unserem Gesetzgebungsministerium,

(Stephan Brandner [AfD]: Anspruch und Wahrheit meilenweit auseinander! – Marianne Schieder [SPD], an die AfD gewandt: Entschuldigen Sie sich lieber für diese Entgleisungen!)

dessen Haushalt wir hier debattieren, sowie vielen engagierten Beschäftigten in der Justiz und den Gerichten, die in der Pandemie an ihre Grenzen gekommen sind.

Ich freue mich auf spannende Haushaltsberatungen. Ich habe nämlich vom Ministerium schon so einiges gehört, was man vielleicht noch anpacken könnte.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Aus dem Ministerium? Erzählen Sie mal!)

Dafür wären zusätzliche Ausgaben erforderlich. Mal gucken, ob wir da noch was verändern können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich bitte, zu beachten, dass nach wie vor die Allgemeinverfügung gilt. Das heißt, die Maske kann hier vorn von der amtierenden Präsidentin abgenommen werden, wenn sie die Rednerinnen und Redner aufruft oder Hinweise zur Debatte gibt, und natürlich von der aktuellen Rednerin oder dem aktuellen Redner am Pult. Für Zwischenrufe haben wir schon seit Wochen die Praxis, dass die Maske Mund und Nase weiter bedeckt.

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Michael Espendiller für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD sowie des Abg. Matthias Helferich [fraktionslos])

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Electoral Period 20
Session 25
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