24.03.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 25 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 07

Johannes FechnerSPD - Justiz und Verbraucherschutz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Buschmann! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Unsere Haushaltsberatungen werden natürlich, zu Recht, von Putins brutalem Angriffskrieg auf die Ukraine überlagert. Wir alle sind immer noch entsetzt. Aber wir stehen ganz fest an der Seite der Ukraine. Eines ist dabei klar – das will ich gerade auch in einer rechtspolitischen Debatte ausdrücklich so sagen –: Diesen brutalen Überfall dulden wir nicht. Es muss die Stärke des Rechts gelten, es darf nicht das Recht des Stärkeren gelten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Besonders in der Rechtspolitik und auch mit diesem Haushalt werden wir uns dafür einsetzen, dass Konflikte und Streitigkeiten gerade auf internationaler Ebene friedlich gelöst werden, und zwar in rechtsstaatlichen Verfahren. Wir machen mit diesem Haushalt viel; zum Beispiel unterstützen wir wichtige internationale Einrichtungen wie die WTO, den Internationalen Seegerichtshof oder auch – ganz besonders wichtig für uns – die rechtsstaatliche Aufbauarbeit der Deutschen Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit. Wir leisten mit diesem Haushalt also wirklich einen Beitrag dafür, dass solche internationalen Konflikte friedlich gelöst werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir haben uns in dieser Wahlperiode rechtspolitisch sehr viel vorgenommen. Dazu gehört, dass wir im Strafrecht genau prüfen: Welche Vorschrift brauchen wir überhaupt noch? Denn wir wollen eine effektive Kriminalpolitik. Dann gehört es eben dazu, dass wir den § 219a StGB, für den es kein praktisches Bedürfnis mehr gibt, endlich streichen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Auch das will ich hier deutlich sagen: Wenn Frauen in schwieriger Lage sind, dann brauchen sie schnell und einfach Zugang zu Informationen. Es kann einfach nicht sein, dass Ärzte Schwangerschaftsabbrüche vornehmen dürfen, darüber aber nicht sachlich informieren dürfen. Deswegen werden wir diesen Widerspruch auflösen. Im Übrigen wird Werbung für Schwangerschaftsabbrüche auch nicht zulässig sein. Es gibt weiterhin das ärztliche Standesrecht.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Grundrechtsfragen werden Standesrecht und damit outgesourct!)

Also, schneiden wir diesen alten Zopf endlich ab! Es ist gut, dass wir als eines der ersten Projekte in der Ampelkoalition diese nicht mehr notwendige Vorschrift des § 219a endlich streichen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kollege Fechner, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus der CDU/CSU-Fraktion?

Na logo. – Ich wusste doch, wer es macht.

Lieber Kollege, wir haben die Diskussion ja schon öfter geführt und wissen, wo wir stehen; die Argumente sind mehrfach ausgetauscht. Ich möchte hier aber doch noch einmal nachfragen.

Wir sind hier in einer Rechtsdebatte. Zu § 219a hat das Bundesverfassungsgericht ausführliche Urteile gemacht. Das Bundesverfassungsgericht sagt: Das ungeborene Kind entwickelt sich von Anfang an als Mensch und nicht zum Menschen; es hat von Anfang an Menschenwürde und Lebensrecht. – Das kommt mir in der Diskussion, die wir hier führen, doch sehr zu kurz.

Mich würde jetzt mal Ihre Auffassung interessieren: Teilen Sie diese Haltung des Bundesverfassungsgerichts, dass es sich von Anfang an um einen Grundrechtsträger handelt, dessen Rechte mit abgewogen werden müssen? Sehen Sie da nicht doch auch das Schutzkonzept gefährdet, wenn wir hier Werbung ermöglichen,

(Zurufe von der SPD)

die ja weit über das häufig genannte Beispiel, Informationen auf der Internetseite zu bringen, hinausgeht und viel aktiver daherkommt?

Und: Wenn Sie zum Schluss kommen: „Es gibt hier ein Lebensrecht des Kindes“, würden Sie dann sagen, dass die Bezeichnung als „Schwangerschaftsgewebe“ noch unter den Begriff „sachliche Information“ fällt?

Danke schön.

Liebe Frau Kollegin, selbstverständlich ist für uns der Schutz des ungeborenen Lebens von ganz besonderer Bedeutung und sehr, sehr wichtig. Dafür haben wir auch schon einiges getan. Aber das Schutzkonzept, das wir hier haben, und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts werden weiterhin bestehen bleiben. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, diese Vorschrift abzuschaffen. Genau deswegen machen wir das, liebe Kollegin.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir haben in der Rechtspolitik auch einige wichtige EU-Richtlinien umzusetzen. Ich finde, eine ist besonders wichtig. Wir haben an den vielen Lebensmittelskandalen, die erst durch Whistleblower aufgedeckt wurden, gesehen, wie wichtig es ist, dass es mutige Menschen gibt, die Missstände aufdecken. Deswegen wollen wir zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher die EU-Whistleblower-Richtlinie schnell umsetzen. Wenn jemand so mutig ist, dass er persönliche Nachteile riskiert, dann müssen wir dafür sorgen, dass ihm nicht gekündigt werden kann, dass er keinen Schadenersatz bezahlen muss, dass seine Rechtsstellung sicher ist. Deswegen wollen wir diese Richtlinie möglichst schnell umsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden auch den kollektiven Rechtsschutz in Deutschland verbessern, indem wir die Verbandsklagerichtlinie rasch umsetzen. Das gibt den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, gemeinsam in einer Gemeinschaft ihre Rechte umzusetzen. Das stärkt die Rechtsposition der Verbraucherinnen und Verbraucher. Das kann auch die Justiz entlasten; das ist uns ein wichtiges Ziel. Vor allem: Es wird dann derjenige recht bekommen, der recht hat – und das schnell und kostengünstiger, als es heute der Fall ist. Auch das ist ein ganz wichtiges Projekt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die besten Gesetze bringen aber bekanntlich nichts, wenn die Justiz kein Personal hat, zu wenige Richterinnen und Richter hat, die die Gesetze dann auch anwenden. Gerade deshalb ist es ein großer Erfolg gewesen, dass wir in der vergangenen Wahlperiode mit 200 Millionen Euro vom Bund über 2 000 Stellen für Richter und Richterinnen, für Staatsanwälte und Staatsanwältinnen geschaffen haben. Da brauchen wir eine zweite Auflage. Wir wollen einen weiteren Pakt für den Rechtsstaat mit einem klaren Schwerpunkt auf Digitalisierung. Ich will hier aber auch ausdrücklich anmerken: Wir müssen hier beraten, wie wir gerade mit Blick auf das Folgepersonal in den Geschäftsstellen für mehr Personal sorgen. Das ist der Maschinenraum der Justiz; auch um diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen wir uns kümmern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir freuen uns sehr, dass wir mit der Stiftung Forum Recht mit Standorten in Leipzig und in Karlsruhe eine ganz wichtige Einrichtung geschaffen haben, einen Ort, wo für den Rechtsstaat und die großen Vorteile einer parlamentarischen Demokratie geworben werden kann. Ein herzliches Dankeschön an alle, die sich in Karlsruhe und in Leipzig engagieren! Dass wir im Haushalt dafür etwa 3,5 Millionen Euro vorgesehen haben, ist, glaube ich, auch ein ganz wichtiges Zeichen für einen starken Rechtsstaat in Deutschland.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen die Planungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland deutlich beschleunigen. Es geht nicht mehr, dass wir viele Jahre auf die Schaffung von Baurecht für Windkraftanlagen, für Solarparks oder für Bahnstrecken warten müssen. Dazu gehört insbesondere, dass wir auch die Verwaltungsgerichte personell gut ausstatten.

An der Stelle darf ich Klärungsbedarf meiner Fraktion anmelden und schon mal die Frage stellen, warum ausgerechnet beim Bundesverwaltungsgericht eine deutliche Reduzierung der Personalausgaben vorgesehen ist. Darüber wollen wir in den anstehenden Beratungen durchaus noch mal sprechen.

Alles in allem zeigen der vorliegende Haushalt und die vielen Gesetzesvorhaben der Ampel, dass die Rechtspolitik eine ganz wichtige Rolle in der Ampelkoalition spielt und dass wir mit ganz vielen konkreten Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger hier aufwarten können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Tobias Peterka für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7534849
Wahlperiode 20
Sitzung 25
Tagesordnungspunkt Justiz und Verbraucherschutz
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