Josef RiefCDU/CSU - Ernährung und Landwirtschaft
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach den vielen Ankündigungen von Ihnen, Herr Minister, in den ersten 100 Tagen war ich doch verwundert, als ich den Entwurf für den Agrarhaushalt gelesen habe. Im Wesentlichen setzen Sie nämlich unsere Politik fort. Sie kürzen in einem Bereich beträchtlich: bei den Sozialleistungen der Landwirte. Von einem verpflichtenden Tierwohllabel, wie im Koalitionsvertrag angedeutet, bleibt fast nichts übrig.
Natürlich – das weiß jeder – können Sie sagen: Es herrscht Krieg. Dieser wird nicht nur militärische Folgen haben, sondern auch die weltweite Ernährungssituation stark beeinflussen. Die Außenministerin sprach gestern von einem „Kornkrieg“. Sie empfehlen den Menschen öffentlich, im Kampf gegen Putin doch weniger Tiere zu halten und weniger Fleisch zu essen. Betrifft die Verringerung der Zahl der Nutztiere nur die Nutztiere oder auch die Millionen Haustiere? Was soll das bringen? Nutztiere fressen Gras und Futtermittel, die oftmals Abfallstoffe sind. Und sie liefern uns – ganz wichtig in der jetzigen Zeit – Düngemittel.
(Beifall bei der CDU/CSU)
In der Praxis hat man den Eindruck, dass viele hier nach dem Motto handeln: Was kümmern mich Krieg und Wetter, ich kauf mein Brot beim Bäcker.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])
Von dem Ansinnen, die Lebensmittelpreise zu senken, habe ich jetzt nichts mehr gehört. Ich bin gespannt, wie das möglich sein soll.
Es gibt auch Änderungen im Agrarhaushalt. Sie kürzen die Zuschüsse zur landwirtschaftlichen Alterssicherung um 106 Millionen Euro und zur landwirtschaftlichen Krankenversicherung um 70 Millionen Euro, weil Sie eine geringere Belastung erwarten.
(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Gleichzeitig – das ist schon gesagt worden – steigen die Personalkosten auf nie dagewesene 436 Millionen Euro – nach dem Motto: mehr Geld für die Verwaltung, weniger für die Bäuerinnen und Bauern.
(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Das ist heftig!)
Prima, kann ich da nur sagen!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn der Zuschuss zur Unfallversicherung so bleibt, steigt der Beitrag für die bäuerlichen Betriebe um 14 Prozentpunkte. In der aktuellen Situation ist das einfach inakzeptabel! Ich rufe die Koalition auf, im Rahmen der Haushaltsberatungen mindestens wieder auf den alten Stand zu kommen, also ohne die Kürzung um 177 Millionen Euro.
(Beifall bei der CDU/CSU – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Das ist wohl das Mindeste! – Zuruf der Abg. Esther Dilcher [SPD])
Und wie geht es mit dem Zukunfts- und Investitionsprogramm Landwirtschaft weiter? Die Landwirte wollen investieren und warten ebenso wie Händler und die Industrie auf die nächsten Förderrunden. Ich kann nachvollziehen, dass für dieses Jahr der Baransatz zugunsten der Verpflichtungsermächtigungen verringert wurde. Wir müssen aber sicherstellen, dass wir die bis 2024 gegebenen Zusagen einhalten und das Programm zu Ende finanzieren. Dieses Programm ist für unsere Betriebe und die Gesellschaft sogar eine Win-win-win-Situation. Es macht erstens moderne Technik erst erschwinglich; es leistet zweitens einen Beitrag zum Klimaschutz, zum Beispiel durch verringerte Ausgasung, und sorgt drittens für eine bessere Ausnützung von knappen Dünger- und Pflanzenschutzmitteln.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Was die CMA-Nachfolgeagentur betrifft, findet sich der Zuschuss ebenfalls nicht mehr.
Sehr geehrter Herr Minister, ich vermisse auch eine deutliche Initiative zur Förderung von Tierwohlställen, wie von Ihnen für dieses Jahr schon angekündigt. Wir haben mit dem Corona-Konjunkturpaket 300 Millionen Euro für den Stallumbau bereitgestellt. Wir wissen genau: Teure Haltungsbedingungen einseitig in Deutschland müssen ausgeglichen werden. Wieso wollen Sie das eigentlich erst im Jahr 2023 angehen? Den Insektenschutz haben Sie exakt in der Höhe der Mittel nach den Plänen der Großen Koalition fortgeführt. Sehr geehrter Herr Minister, Sie werden der Verantwortung in diesen Kriegstagen mit Ihrem Handeln nicht gerecht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die EU stellt Deutschland 60 Millionen Euro an Hilfen zur Verfügung. Dass Sie das verdreifachen – das habe ich heute gehört –, ist richtig, aber insgesamt zu wenig. Und da gebe ich meiner Kollegin von der Linken recht: Man kann weder von Aktien noch von Geld herunterbeißen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es droht Hunger in Europa und in Afrika, spätestens im Herbst. Das muss uns allen klar sein. Es ist ein Ergänzungshaushalt angekündigt. Ich bin gespannt, was drinstehen wird. Herr Minister, tun Sie alles dafür, den absehbaren Getreideausfällen aus der Ukraine entgegenzusteuern. Kommen Sie nicht mit der Aushebelung des Insektenschutzes und des Umweltschutzes oder damit, dass wir jetzt beim Kampf gegen den Klimawandel zurückdrehen wollten. Russische Panzer werden für die Extensivierung und Biodiversifizierung riesiger Flächen in der Ukraine sorgen – viel, viel mehr, als uns allen hier lieb ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Landwirtschaftsminister der Ukraine – Sie haben auf ihn Bezug genommen, Herr Minister – hat uns ja geradezu angefleht, alles zu tun, um einen Hungersturm zu verhindern. Unterstützen Sie höhere Ernten in diesem Jahr, statt zu extensivieren. Geben Sie unter anderem Brachflächen und geeignete Grünlandflächen wenigstens für wenige Jahre für Sommergetreideanbau respektive Sommerweizen frei. Die Bauern in Deutschland sind in der Lage, mehr zu erzeugen. Man muss sie nur lassen. Die Zeit drängt, den Hunger im Herbst zu bekämpfen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Handeln Sie nicht verantwortungslos! Handeln Sie jetzt!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Niklas Wagener [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nachdem 16 Jahre keiner was gemacht hat! Irgendjemand muss es jetzt ja tun!)
Vielen Dank. – Und als nächste Rednerin erhält für die SPD-Fraktion Anna Kassautzki das Wort.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7534897 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 25 |
Tagesordnungspunkt | Ernährung und Landwirtschaft |