24.03.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 25 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 10

Anna KassautzkiSPD - Ernährung und Landwirtschaft

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren! „ Gimme, gimme – Moor / Gimme – Moor“, sang 2007 schon Britney Spears. Dabei ging es ihr aber nicht um Biotope und Feuchtgebiete. Genau dafür wäre das aber ein gutes Motto.

Über 95 Prozent aller Moorflächen in Deutschland sind trockengelegt. „ Na und?“, könnte man meinen. Na ja, Moore machen zwar nur 3,6 Prozent der Landfläche Deutschlands aus, waren aber 2019 für 6 Prozent der deutschen Treibhausemissionen verantwortlich.

(Zuruf von der AfD: Och!)

Zum Vergleich: Das entspricht von der Menge her knapp 30 Prozent der Gesamtemissionen der deutschen Industrie.

Moore sind erst mal quasi wie ein Kompost im Garten – Biomasse –, doch zerfällt im nassen Moor die Biomasse durch die mangelnde Luftzufuhr nicht, sondern bildet Torf und bindet darin Treibhausgase. Gesunder Torf nimmt Wasser auf, zum Beispiel bei Starkregenereignissen. Gleichzeitig haben Moore durch ihre Feuchtigkeit auch einen kühlenden Effekt auf ihre direkte Umwelt, und bei Hitzewellen entstehen durch Verdunstung wieder Regenwolken. Moore sind also unsere natürlichen Verbündeten vor Ort, um die Auswirkungen der Klimakrise zu bekämpfen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Durch trockengelegte Moore finden die eigentlich gestoppten Zersetzungsprozesse der Biomasse nun doch statt. Dabei emittieren Unmengen an Treibhausgasen wie CO2, Lachgas und Methan. Das entspricht 40 Prozent der Emissionen der deutschen Landwirtschaft. Die gute Nachricht ist aber: Wir können da was machen. Wir können Moore wiedervernässen. Nasse Moore stoppen nicht nur die Emissionen; nach ungefähr 20 Jahren nehmen sie als gesunde Moore auch wieder CO2 aus der Luft auf. Wir können aber nicht alle Moore wiedervernässen, sonst würde unter anderem das Hannoversche Rathaus versinken. Ich kenne da einige Leute, die hätten etwas dagegen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Drei von vier Moorquadratmetern sind als trockene Moorflächen landwirtschaftlich genutzt. Durch Wiedervernässung verlieren wir sie aber nicht als produktive Flächen für die Landwirtschaft; denn Wiedervernässung ist nicht gleich Renaturierung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Niklas Wagener [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir können auf wiedervernässten Mooren zum Beispiel Photovoltaikanlagen errichten, Weidetierhaltung betreiben – übrigens auch beides in Kombination – oder in sogenannten Paludikulturen Rohrkolben und Schwarzerlen anbauen. Man kann auf nassen Hochmooren Torfmoose anbauen – und damit der Gartenbauindustrie einen alternativen Rohstoff zu Torf, Kokos- oder Holzfasern bieten. Strom, Fleisch, Biogas, Bau- und Dämmmaterial – und gleichzeitig speichern wir richtig große Mengen CO2. Gimme Moor!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich bin froh, dass wir im Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft Mittel zur Torfminderung eingeplant haben. Aber auch im Klima- und Transformationsfonds haben wir Mittel zur Förderung von Paludikulturen, zur Unterstützung der Landwirte und Landwirtinnen und zum Ausstieg aus dem Torfabbau eingestellt, denn: Moor muss nass!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Niklas Wagener [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Klimawandel und Transformation sind aber nicht nur für Moore relevant, sondern unter anderem auch für die Fischerei. Der Zustand der Nord- und insbesondere der Ostsee ist alarmierend. 18 Prozent der Ostsee sind tote Zonen; da gibt es quasi kein Leben mehr. Die Fischbestände, insbesondere Dorsch und Hering, kollabieren. Es ist aber verkürzt und falsch, auf die Fischer/-innen als Schuldige zu zeigen. Die Ursachen dafür sind multikausal und hängen vor allem damit zusammen, wie Umwelt- und Klimapolitik auf den verschiedenen Ebenen in den letzten Jahrzehnten gelaufen bzw. nicht gelaufen ist.

Unser Bedarf an Fisch wird steigen. Er ist relativ CO2-arm und braucht wenig Futter. Es ist aber illusorisch, dass wir unseren kompletten Bedarf aus Nord- und Ostsee decken. Deshalb müssen wir über einen massiven Ausbau der landgestützten Aquakulturen reden. Die Fischer/-innen, insbesondere die Kutterfischer/-innen, haben außerdem mit den aktuellen Spritpreisen sehr zu kämpfen. Es lohnt sich schlichtweg nicht für sie, rauszufahren. Wir unterstützen als Fortschrittskoalition unsere Fischer/-innen bei ihren Herausforderungen,

(Zurufe von der AfD)

beim Umbau der oft veralteten Flotten und, wo gewünscht, beim Umbau auf Aquakulturen, damit die Bestände in Nord- und Ostsee sich erholen können.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Niklas Wagener [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zuruf des Abg. Enrico Komning [AfD])

Durch den Brexit haben sich die Verhandlungen um die Quoten auf europäischer Ebene noch einmal erschwert. Wir brauchen aber europäische Lösungen. Den Beständen hilft es nichts, wenn wir hier die Quoten runterschrauben, andere Staaten sie aber dafür entsprechend erhöhen. Wir werden deswegen zeitnah eine Zukunftskommission Fischerei ins Leben rufen; das haben wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen. Gemeinsam mit den Praktikerinnen und Praktikern vor Ort schaffen wir eine gute Perspektive für diese wichtige Branche.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Ich darf den letzten Redner für diesen Einzelplan ankündigen, das ist Johannes Schätzl für die SPD-Fraktion

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7534898
Wahlperiode 20
Sitzung 25
Tagesordnungspunkt Ernährung und Landwirtschaft
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta