25.03.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 26 / Einzelplan 11

Claudia RaffelhüschenFDP - Arbeit und Soziales

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Minister Heil! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute geht es um den größten Etat im Bundeshaushalt, den Einzelplan 11, also Arbeit und Soziales. Kein Einzelplan ist so relevant für fiskalische Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit, die mir persönlich am Herzen liegt.

Der Einzelplan 11 ist für das laufende Jahr in einen Haushalt eingebettet, der zwischen der Coronapandemie und dem Ukrainekrieg kräftig durchgeschüttelt worden ist. Ich rede von einem Haushalt, der zu mehr als der Hälfte aus Sozialausgaben einschließlich der Zuweisung an die Rentenkasse besteht. Ein Drittel unserer gesamten Wertschöpfung wird also umverteilt, und damit liegen wir weltweit mit an der Spitze.

Wie soll ich sagen? Glücklicherweise verfügen wir über die höchste Steuerquote am Bruttoinlandsprodukt in unserer Geschichte.

(Kai Whittaker [CDU/CSU]: „Glücklicherweise“?)

Mehr Geld wurde den Menschen hierzulande noch nie über Steuern und Beiträge entzogen. Und trotz relativ zur Wirtschaftsleistung höchster Steuereinnahmen sind wir in dieser Sondersituation leider gezwungen, eine hohe Neuverschuldung einzugehen. Dabei darf es auf Dauer natürlich nicht bleiben,

(Beifall bei der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Richtig so!)

zumal wir die ganze Last der Schulden unseren Kindern aufbürden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Genau so ist es!)

Lassen Sie uns also gemeinsam so schnell wie möglich an einer nachhaltigeren Haushaltspolitik arbeiten! Denn wir können nicht deutlich mehr in Verteidigung, Infrastruktur und Energiewende investieren, ohne in allen Haushaltstiteln die Budgetansätze so zu gestalten, dass wir mit weniger Mitteln bessere Ergebnisse erzielen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Perfekt! Genau so ist es!)

Auch und gerade der Einzelplan 11 ist weiterhin geprägt von großen Herausforderungen, die durch die Coronapandemie ausgelöst wurden. Der Staat hat in den vergangenen Monaten an wichtigen Stellschrauben gedreht, um Bürgerinnen und Bürger, Unternehmerinnen und Unternehmer zu entlasten. Das war wichtig, das war richtig. Trotzdem dürfen all diese Sonderregeln nicht zu Automatismen werden; denn was vor Corona nicht klug war, das wird durch die veränderte Lage nicht intelligenter.

Beispielsweise war der vereinfachte Zugang zum Kurzarbeitergeld während der Krise essenziell, hat viele Unternehmen vor drohender Insolvenz bewahrt und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein adäquates Einkommen gesichert. Insbesondere in Zeiten der wirtschaftlichen Erholung müssen wir aber jetzt den Sinn und Zweck solcher Sonderregelungen evaluieren.

Die gute Nachricht: Zuletzt entwickelte sich der Arbeitsmarkt wieder erfolgversprechend. Die Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind im Vergleich zu den vergangenen Pandemiemonaten gesunken. Die Nachfrage nach Mitarbeitern bewegt sich weiterhin auf hohem Niveau. Nichtsdestotrotz wirken sich Lieferengpässe und die großen Unsicherheiten durch den russischen Angriff auf die Ukraine mit noch nicht absehbaren Folgen auf unseren Arbeitsmarkt und die Sozialpolitik aus.

Deutschland hat es in den vergangenen Jahren leider versäumt, eine geregelte Einwanderung in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wir haben ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz gemacht!)

Aus arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sicht brauchen wir diese Fachkräfte, um die Rente, die mit über 100 Millionen Euro pro Jahr durch den Bund bezuschusst wird,

(Zurufe von der CDU/CSU: Milliarden! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Milliarden, Frau Kollegin! Und das ist auch gut so!)

zu stabilisieren und das Sozialsystem zu entlasten. Eigentlich ist dies seit dem Pillenknick hinlänglich bekannt, also seit Jahrzehnten, wurde aber erfolgreich ignoriert. Jetzt gilt es, hier nachzubessern.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bund investiert in den Sozialstaat, und dieser wächst enorm. Lassen wir uns aber nicht täuschen. Denn so schön der steigende Etat auch klingt und so viel Gutes mit dem Geld bewirkt werden soll: Das Gesamtsystem wird umso anfälliger, wenn wir nicht strukturell nachbessern.

(Abg. Kai Whittaker [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Insbesondere in den großen Blöcken „Arbeitsmarkt“ und „Rente“ besteht Reformbedarf. Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Bürgergeld wird erste bürokratische Entlastungen für Bürger und auch die Verwaltung bringen.

(Beifall bei der FDP)

Kollegin Raffelhüschen, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung aus der CDU/CSU-Fraktion?

Danke, nein.

Den allergrößten Reformbedarf gibt es allerdings bei der Rente. Bevor 2025 die sogenannte doppelte Haltelinie ausläuft, brauchen wir kluge Lösungen, um – da wären wir wieder bei meinen Kindern und den zukünftigen Generationen – auch ihnen eine angemessene Zukunft zu sichern; denn das wurde seit Jahren versprochen. Und das höchste Gut eines politischen Lebens ist doch die Glaubwürdigkeit, oder?

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber Sie wollen doch Ihren Kindern die Renten senken!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Kathrin Michel [SPD])

Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Dr. Gesine Lötzsch.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7534936
Wahlperiode 20
Sitzung 26
Tagesordnungspunkt Arbeit und Soziales
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