Stefan NackeCDU/CSU - Arbeit und Soziales
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu den Staatsaufgaben zählen klassisch die innere und äußere Sicherheit. Wegen Putins Krieg in der Ukraine sprechen wir aktuell aus gutem Grund viel über äußere Sicherheit: über die Ausrüstung der Bundeswehr, über unsere Verteidigungsfähigkeit und das 2-Prozent-Ziel der NATO. In einer modernen, ausdifferenzierten Arbeitsgesellschaft gehört zu den zentralen Staatsfunktionen aber eben auch die soziale Sicherheit. Für soziale Sicherheit steht unser Sozialstaat. Es geht um sozialen Frieden, um Ausgleich, um Eröffnung von Lebenschancen.
Innere, äußere und soziale Sicherheit – das eine kann man nicht ohne das andere betrachten. Die Kosten, die jetzt unmittelbar aufgrund von Wirtschaftssanktionen sowie für die Versorgung von Kriegsflüchtlingen und ihre Integration in unsere Gesellschaft entstehen, setzen unseren Sozialhaushalt stark unter Druck. Die Ampel versucht das zu verschleiern, indem sie sich hinter bemühten Differenzierungen von „Kernhaushalt“, „Ergänzungshaushalt“ und „Sondervermögen“ versteckt. Die Menschen in unserem Land verdienen aber Transparenz statt Schattenhaushalte.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, wir sehen nicht erst jetzt, sondern schon seit Ausbruch der Coronapandemie: Ängste lähmen. In der Bevölkerung verdrängt Zukunftsangst die Zuversicht. Sie als Bundesregierung haben eine besondere politische Verantwortung für die öffentliche Diskussion und ihre Tonalität. Es ist fahrlässig, wenn Sie in diesen schwierigen Zeiten das Vertrauen der Menschen in die Politik noch zusätzlich schwächen, wie Sie es bei der Rentenversicherung tun. Sie zögern jede auch noch so kleine Reform hinaus. Vor 100 Tagen sind Sie dynamisch angetreten; Sie wollten eine Fortschrittskoalition sein. Aber schon jetzt macht sich Lähmung breit.
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dabei treten Sie nicht nur auf der Stelle, sondern sie legen sogar den Rückwärtsgang ein.
Auf 177 Seiten Koalitionsvertrag finde ich keine gemeinsame Idee für die Rente. Stattdessen übernehmen Sie Passagen aus der allgemeinen Prognose der Deutschen Rentenversicherung, nach der Niveau und Beitragssatzstabilität für die Dauer dieser Legislaturperiode als gesichert gelten. Aber Sie hätten weiterlesen müssen: Diese Prognosen besagen nämlich auch, dass unmittelbar nach Ende dieser Legislatur die Kurven auseinandergehen und die Haltelinien gerissen werden.
(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Das können Sie doch nicht einfach ignorieren. Wo ist Ihr Konzept?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie wollen unsere bewährte umlagefinanzierte Rente für den Zeitraum, in dem die Babyboomer in den Ruhestand gehen, durch Einkünfte aus dem Finanzmarkt entlasten. Ihre dafür angekündigten 10 Milliarden Euro sind aus dem Haushaltsentwurf verschwunden. Wenn Sie es ernst meinen, müssten Sie aber jetzt anfangen, einen Kapitalstock zu bilden. Davon abgesehen, ist die Verzinsung von 10 Milliarden Euro angesichts eines Jahresvolumens in der Rente von über 300 Milliarden Euro ein Hauch von nichts und macht keinen Unterschied.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das sind schon fast 338 Milliarden!)
Die Union steht mit ihrer Kritik nicht allein da. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund warnt vor einem Griff in die Rentenkasse. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel kritisiert, dass Bundesfinanzminister Lindner das Sicherheitsversprechen für die Rente einfach aufkündigt, das die Ampel noch zu Jahresende in ihrem Koalitionsvertrag gegeben hat.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da hat Frau Piel wohl sehr recht!)
Stattdessen hat die Ampel die für die Jahre 2022 bis 2025 festgeschriebene gesetzliche jährliche Sonderzahlung von 500 Millionen Euro einfach auf null gekürzt. Ich finde das rechtswidrig. Das zerstört Vertrauen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Lieber Herr Heil, wenn Sie in der nächsten Zeit Ihren Koalitionsvertrag neu aushandeln müssen, weil der Ukrainekrieg auch Ihr politisches Koordinatensystem durcheinandergebracht hat, berücksichtigen Sie doch bitte das Thema Rente angemessen! Die Rente darf nicht schlechtgeredet werden. Unser umlagefinanziertes System ist gut. Es bedarf nur angesichts sich immer wieder verändernder gesellschaftlicher Rahmenbedingungen einer stetigen Nachsteuerung. Es geht um nicht weniger als die Anerkennung der Lebensleistungen von Generationen und zugleich um das Im-Blick-Behalten der Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit der Jüngeren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Vertrauen in die Rente wird nur dann wachsen, wenn die verschiedenen politischen Richtungen an einem Strang ziehen; so war es unsere gute Tradition. Gerne erinnere ich an dieser Stelle an meinen leider viel zu früh verstorbenen politischen Mentor Karl Schiewerling. Die von ihm mitgeleitete Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ hat viele Themen andiskutiert. Lassen Sie uns weitere Schritte auf dieser Basis machen, frei nach Erich Kästner: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank für die Rede. – Sie haben auch die Redezeit eingehalten bei Ihrer ersten Rede und sogar noch ein paar Sekunden liegen lassen.
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Kann man die anrechnen?)
Herzlichen Glückwunsch dazu, und alles Gute für Ihre weitere Arbeit hier im Haus!
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Der nächste Redner hat sich schon ans Pult begeben: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Markus Kurth.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7534946 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 26 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales |